Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Wilhelms erste Liaison Die Wulffen 
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beachtet, jetzt dem Erbprinzen zuerst den Geschmack an der sonst von ihm 
aicht uͤbermaͤßig geschaͤtzten Tanzkunst beibrachte. 
Marianne Amoͤne v. Wulffen war die juͤngste Tochter des 
hessischen Generalmajors und Gouverneurs von Rheinfels Melch. Fried. 
v. Canitz, der in dem Gefecht bei Sandershausen 1758 toͤdlich verwundet 
wurde. Seine Witwe, eine geb. v. Kutzleben, zog mit ihren beiden 
Toͤchtern) nach Hanau, wo die aͤlteste den hannoͤv. Major v. Dachen⸗ 
hausen, die juͤngere 1705 den Kammerjunker des Erbprinzen Werner 
v. Wulffen heiratete. Wulffen, aus einer magdeburgischen Familie 
stammend, war vorher Leutnant bei der Garde du Korps in Cassel ge⸗ 
wesen, hatte dort 1705 „auf ein sehr bruͤske Manier“ den Dienst des 
Landgrafen verlassen und war dann auf Betreiben der Landgraͤfin, die 
jeden Überlaͤufer aus Cassel mit guͤnstigen Augen ansah, von dem Erb⸗ 
prinzen zum Kammerjunker und Stallmeister ernannt worden. 1770 er⸗ 
hielt er den Rang eines Oberstleutnants der Kavallerie, obwohl der 
Erbprinz damals noch gar keine Reiterei in seiner Miniaturarmee besaß. 
Diese Befoͤrderung sowie die Bezahlung seiner nicht unbetraͤchtlichen 
Schulden verdankte er schon der Neigung des Regenten zu seiner jungen 
schoͤnen Frau, um deren Treue sich der kraͤnkliche Ehemann anscheinend 
keine großen Gedanken machte. 
Es war Wilhelms erste Entgleisung von dem Wege der ehelichen 
pPflicht, den er bisher noch nicht verlassen hatte, obwohl es ihm seit der 
koͤrperlichen Entstellung Carolinens „eine direkte Strafe war, den zaͤrt⸗ 
lichen Ehemann zu spielen.“ Es war ein schlechter Trost fuͤr ihn, als 
sein Schwager Gustav von Schweden, der bald darauf sich die 
Koͤnigskrone aufsetzen konnte, bei einem Besuch in Hanau (Jan. 1771) 
ebenfalls uͤber seine ehelichen Verhaͤltnisse klagte und sich sehr un— 
gezwungen uͤber seine Frau, Carolinens Schwester Sophie, ausließ. 
Wilhelms junges Herz verlangte nach Frauenliebe, und wie die meisten 
seiner Standesgenossen in aͤhnlicher Lage sich schadlos zu halten wußten, 
davon hatte er schon Beispiele genug kennen gelernt. Und diese boͤsen 
Beispiele mußten ansteckend wirken. „Wenn ich weiterhin mein Los 
mit der Geduld haͤtte ertragen koͤnnen, die ich damals hatte,“ so be— 
kannte er spaͤter seinem Sohne, „so haͤtte ich gewiß als ein Muster— 
1) Ihr einziger Sohn, Wilhelm v. Canitz, war anfangs auch Gardedukorps⸗ 
offizier in Kassel, wurde spaͤter Hofmarschall und starb 1805. Dessen juͤngster Sohn 
Carl (1787-1850) war der spaͤtere preußische Minister des Auswaͤrtigen, der in den 
dreißiger Jahren in Cassel als preußischer Gesandter eine nicht unbedeutende Rolle 
spielte. Seine Mutter, eine geb. v. Haudring, heiratete in zweiter Ebe den Pfarrer 
Sanner zu Gemuͤnden, den Erzieber ihrer Sohne.
	        
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