Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Hanauer Theater 1708 Cancrin 
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Bei dieser letzten Anwesenheit des Koͤnigs fand eine Festvorstellung) 
mit Maskenball in dem neuen Hoftheater statt, das im Herbst dieses 
Jahres 1768 fertig geworden war. Es war nach den Plaͤnen des 
Generals Huth, der mit dem Prinzen Carl wieder nach Hanau gekommen 
war, von dem Kammerrat Cancrin?) erbaut worden, und die von 
diesem geschickten, in vielen Saͤtteln gerechten Techniker geschaffene Ein⸗ 
richtung, wodurch das Theater schnell in einem großen Gesellschaftssaal 
verwandelt werden konnte, wurde damals sehr bewundert. Cancrin be—⸗ 
richtete daruͤber selber: „Es bestand diese Einrichtung bloß darin, daß 
ich das Parterre mit vier Winden, die zur Seite des Parterres in den 
Pfeilern der untern Bogen standen, bis auf die Hoͤhe des Theater in 
die Hoͤhe winden lassen konnte, worauf dann die Szenen auf dem Theater 
weggenommen und sowohl die daranstehenden Gallerien, als die Bogen 
mit Tuch uͤberzogen wurden, worauf schoͤne Saͤulen gemalt waren. Die 
ganze Einrichtung war uͤberhaupt so beschaffen, daß das innere Komoͤdien⸗ 
haus in Zeit von 11/2 Stunden in einen Redoutensaal verwandelt wer⸗ 
den konnte. Nach der Komoͤdie also konnte gleich Ball gehalten werden“, 
was bei der Anwesenheit des daͤnischen Koͤnigs zum erstenmal geschah. 
Das Theater erhielt ebenso wie der gleichfalls in diesem Jahre fuͤr 
die Regierungsbehoͤrden neuerrichtete Kollegienbau seinen Platz in dem 
Raum zwischen Altstadt und Neustadt, dessen trennende Befestigungs⸗ 
werke damals dem Untergange geweiht wurden. Der erste Theater⸗ 
direktor hieß Kyraski, mit dem Cancrin, der die „Direktion uͤber 
die oͤffentlichen Plaͤsiers“ hatte, einen guten Griff tat. Es wurden 
hauptsaͤchlich franzoͤsische Stuͤcke gespielt, wofuͤr die Landgraͤfin Marie 
trotz ihrer franzoͤsischen Antipathien eine ausgesprochene Vorliebe hatte. 
Auf ihre Veranlassung beteiligte sich auch der Hof oͤfters am Theater⸗ 
spiel. Die Prinzen Carl und Friedrich waren leidenschaftliche Akteure, 
und selbst Wilhelm scheute sich in den ersten Jahren seiner Regierung 
nicht, als Schauspieler vor der Hofgesellschaft aufzutreten. Fuͤr diese 
Liebhabervorstellungen ließ er spaͤter (1777) im Stadtschloß einen be— 
sonderen Theatersaal einrichten, der zeitweise sehr fleißig benutzt wurde. 
1) Am 22. Dezember spielte man die Partie de Chasse de Henry IV. von St. 
Georges und Rose et Kolas von Monsigny, am folgenden Tag den Tonnellier von 
Audinot. 
2) Franz Ludw. Cancrin * 1738, Professor der Mathematik an der hohen Landes— 
schule und Militaͤrakademie, Direktor des Zivilbau- und Muͤnzwesens, 1781 Ober— 
kammerrat. Nach seiner Verurteilung im Prozeß Gall (vergl. Seite 131) ging er 
erst 1782 in ansbachische, 1783 in russische Dienste und starb geadelt als Bergwerks— 
und Salinendirektor 1812 (1816 ) zu Petersburg. Sein Sohn Georg (1774 - 1845) 
wurde russischer Graf und machte sich als Finanzminister Nikolaus' J. einen Namen.
	        
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