Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

danauer Straßenbau Fasanerie Ems 89 
werker und Wirte Gewinn aus dem schlechten Zustand der Straßen zogen 
und daher gar nicht sehr geneigt waren, die Wege zu verbessern, was 
abrigens fast durchweg nur durch aufgeschuͤttete Steine oder durch Reiser 
und Pruͤgel zu geschehen pflegte. So waren Rad- und Wagenbruͤche bei 
seder Reise an der Tagesordnung. Wilhelm, der viel unterwegs war, 
wußte ein Lied davon zu singen, weshalb er auch, wo es anging, seine 
Reisen zu Pferde machte. Seit seiner Ruͤckkehr aus Lothringen war er 
darauf bedacht, nach Moͤglichkeit Besserung in diesen Verhaͤltnissen zu 
schaffen. An eine allgemeine Abloͤsung der Wegebaudienste, die nur un⸗ 
willig und laͤssig getan wurden, war damals noch nicht zu denken, aber 
die Juden wurden wenigstens als die schlechtesten Arbeiter von den von 
ihnen als besonders laͤstig empfundenen Handdiensten am Wegebau 
befreit und mußten dafuͤr jaͤhrlich 2 fl. bezahlen. Dann suchte der 
Erbprinz das aus Frankreich kommende neue technische Verfahren beim 
Straßenbau einzufuͤhren. Das erste Werk dieser Art war die Chaussee 
bon Hanau nach Kesselstadt, die von der Hellerbruͤcke uͤber die Kinzig 
an zugleich als Flutdamm gegen die UÜberschwemmung durch den Main 
diente und 1767 vollendet wurde. Es folgten weitere Chausseebauten 
nach der Frankfurter Grenze, nach Vilbel, nach Windecken u. a., fuͤr 
deren Unterhalt natuͤrlich die Erhebung von Wegegeldern erforderlich 
war, und schließlich 1775 als Erinnerungszeichen fuͤr diese Bauten die 
Errichtung der Ehrensaͤule vor dem Nuͤrnberger Tor, die zugleich als 
monumentaler Wegweiser diente. 
Eine weniger gemeinnuͤtzige Frucht der Elsaͤsser Reise des Erbprinzen 
war der von ihm bald nach seiner Ruͤckkehr angeordnete Neubau auf 
der Fasanerie, nach dem Muster der in Schwetzingen gesehenen 
Menagerie. Wilhelm mußte sich deswegen den gutmuͤtigen Spott 
seiner Mutter gefallen lassen, die die erwachende Baulust des Sohnes 
mit Sorgen betrachtete und das Palais der „Familie derer von Gold⸗ 
fasan“ viel zu groß und zu kostspielig fand. Gegen die Verschoͤne⸗ 
rung und Erweiterung der schon vorher begonnenen Gartenanlagen 
hinter dem alten Stadtschloß hatte sie aber nichts einzuwenden. 
Carolinens Schoͤnheit war trotz der Versprechungen der Ärzte 
nicht wiedergekehrt, und es konnte der jungen Frau nicht verborgen bleiben, 
daß die Anziehungskraft, die sie bisher immer noch auf ihren Gemahl 
ausgeuͤbt hatte, infolge ihrer Entstellung gaͤnzlich zu schwinden drohte. 
Dabei war die Sehnsucht der Einsamen nach einem Kinde noch nicht 
erfuͤllt. Die Ärzte rieten zu einer Badereise nach Ems, die das Ehe⸗ 
haar im August 1766 antrat. Aber Wilhelm langweilte sich in dem
	        
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