Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

36 F Hanauer Militarismus Wilhelms Ehe 
stehenden Mißhelligkeiten mit der hannoͤverischen Besatzung hinwies (die 
auch in der Tat nicht ausblieben und sich in allerhand Streitigkeiten unter 
den Soldaten aͤußerten), auch die hanauischen Untertanen hatten an— 
fangs gar keine Lust Soldaten zu werden und suchten sich, wo es ging, 
bon der neuen Pflicht zu druͤcken. Als gar das Bataillon aus seinen 
laͤndlichen Quartieren in die Stadt verlegt wurde, da gab es ein Jammern 
und Klagen unter den Angehoͤrigen, als ob ihre Soͤhne und Bruͤder 
„gleich in die Schlacht“ muͤßten. Wilhelm ließ sich dadurch aber 
nicht irre machen, zumal er von seinem selbstherrlichen Standpunkt aus 
den Soldatendienst als die beste Schule fuͤr die „an allzuviel Freiheit 
gewoͤhnten Untertanen“ betrachtete. Weniger leicht trug er die Ver— 
stimmung seiner Mutter, die er nicht einmal zu seiner ersten Parade 
und zur Fahnenweihe einladen durfte, wie er denn aus altem kindlichen 
Respekt noch viele Monate lang nicht wagte, seiner Mutter in Uniform 
vor Augen zu kommen. 
Die gegenseitige große Liebe uͤberwand indessen alle diese und andere 
bei dem unvermeidlichen Gegensatz zwischen Alt und Jung und Weib 
und Mann unausbleiblichen Reibungen, zumal Wilhelm im Grunde 
genommen nie aufhoͤrte, seine Mutter als eine Art hoͤheren Wesens zu 
betrachten und bei Meinungsverschiedenheiten mit ihr seinen Groll immer 
auf den verhaßten Verschuer abwaͤlzen konnte. So sehr auch die Land— 
graͤfin es bitter empfand, ihren Sohn mit Haut und Haaren dem 
Soldatenteufel verfallen zu sehen, der schmerzlichste Punkt in seinem 
Leben war fuͤr sie doch seine Ehe, deren Ungluͤck ihr bei dem 
nahen Zusammenleben ja nicht verborgen bleiben konnte. Marie 
hatte die Schwiegertochter mit offenen Armen aufgenommen und ihr 
gezeigt, daß es ihr nicht an Verstaͤndnis fuͤr die Lage der armen 
jungen Frau fehlte. Sie kannte ja den ganzen Jammer einer ungluͤck— 
lichen Ehe und haͤtte ihre Kinder so gern vor einem gleichen Schicksal 
bewahrt. Aber ihr Einfluß reichte nicht hin, eine wesentliche Besserung 
der Verhaͤltnisse herbeizufuͤhren. Caroline wollte in Hanau nicht 
warm werden, sonderte sich scheu ab und suchte sich selbst von den 
regelmaͤßigen Zusammenkuͤnften der ganzen Familie bei der Landgraͤfin 
zuruͤckzuziehen. Ihre Scheu vor den Repraͤsentationspflichten war so 
groß, daß Wilhelm seine Anktrittsbesuche meist ohne ihre Begleitung 
machen mußte. Es dauerte lange Zeit bis sie im Hanauer Schlosse 
heimisch wurde, dann aber kostete sie selbst der Umzug nach Philipps— 
ruhe große Ueberwindung. Dem Erbprinzen, der mit seiner Frau hatte 
Staat machen wollen, wurde es bei seinem lebhaften Temperament nicht
	        
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