Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Séverys Abgang Hofleben Besuch in Darmstadt 81 
Ministers Hardenberg nicht umstimmen, den Marie zur Vermittelung 
anrief. Den Intriguen Schenks und Verschuers schrieb er auch den 
Abgang Séverys zu, der im Maͤrz 1768 seinen Abschied als Hof— 
marschall der Erbprinzessin forderte und in seine schweizer Heimat zu⸗ 
ruͤckkehrte. Ebenso wie die Landgraͤfin bedauerte Wilhelm aufrichtig 
den Verlust dieses langjaͤhrigen Lehrers und Freundes, dem er ein ge—⸗ 
treues Gedaͤchtnis bewahrte. Als Sévery nach neun Jahren als ver⸗ 
heirateter Mann mit seiner Frau und einem Sohne wieder einmal nach 
Hanau kam (Juni 1774), da mußte er bei ihm im Schlosse wohnen und 
war monatelang sein gern gesehener Gast. 
Da der von dem General Huth unternommene Erweiterungsbau 
des alten Stadtschlosses noch nicht ganz fertig war, so hatte Wilhelm 
seine Residenz zuerst in Philippsruhe aufgeschlagen. Mitte November 
1764 siedelte dann der Hof in das Stadtschloß uͤber, wo auch die 
Landgraͤfin Ma rie sich ihren Witwensitz einrichtete. Auf das ihr gleich⸗ 
falls nach der Assekurationsakte zustehende Wittum von 30000 fl. jaͤhr⸗ 
lich hatte sie dagegen wegen der schlechten Finanzlage des Landes zu 
Wilhelms großer Genugtuung verzichtet. Da auch die beiden juͤngeren 
Prinzen Carl und Friedrich einstweilen in Hanau blieben, so war 
die ganze Familie nun wieder vereint. Man speiste regelmaͤßig bei der 
Landgraͤfin und nahm auch den Nachmittagstee bei der Mutter, die von 
Wilhelm unbeschadet seiner Regentenstellung als Haupt und Mittelpunkt 
der Familie geachtet und geehrt wurde. Dafuͤr kam die Landgraͤfin 
die meisten Abende zu den jungen Leuten, um ihr gewohntes Abend⸗ 
spielchen zu machen. Am Sonntag wurden die Offiziere der hannoͤveri⸗ 
schen Garnison und etwaige in Hanau weilende Fremde hoͤheren Ranges 
zur erbprinzlichen Tafel geladen, worunter der ehemalige hessische, spaͤter 
preußische Minister v. Doͤrnberg!) und Frau als Casseler Refugièés 
namentlich bei der Landgraͤfin eine besondere Rolle spielten. Am Sonn⸗ 
tag abend pflegte Assemblée bei der alten Graͤfinwitwe in der Erbsen— 
gasse zu sein (S. 67), wo man sich uͤber die Schrullen der alten Dame 
amuͤsierte und noch mehr langweilte. 
Wilhelms erster Besuch in der Nachbarschaft galt dem Hofe zu Darm⸗ 
stadt. Er wurde von dem alten Landgrafen Ludwig VIII., der dazu 
von seinem Lieblingssitz Kranichstein heruͤberkam, freundlich aufgenommen, 
mußte sich aber auch gefallen lassen, daß seine Tante, die verwitwete 
1) Pandolph Ferd. v. D. (1724 -93), bis 1763 hessischer Minister, spaͤter preußischer 
Justizminister, vermaͤhlt mit Caroline v. Loͤwenstein. 
Losch, Kurfuͤrst Wilbelm J.
	        
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