Full text: Zur Geschichte des kurhessischen Staatsschatzes

gelegentlich umworben, andererseits bildete der Schatz ein 
starkes Lockmittel begehrlicher Feinde. In Zeiten kriegerischer 
Gefahr war daher die Sicherung des Haus- und Landesver⸗ 
mögens immer eine der ersten Sorgen der Regierung gewesen. 
Als im Herbst 1792 die Franzosen unter Custine über den 
Rhein kamen, ließ Wilhelm 1X. auf Antrag des Ministeriums 
den Schatz Ende Oktober nach Hannover schaffen, wo er 
etwa 8 Wochen lang im Thierry'schen Hause unter dem 
militärischen Schutze der hannöverschen Regierung lagerte, 
bis nach der Erstürmung Frankfurts durch die Hessen die 
politischen Sorgen sich verringerten. 
Der Baseler Reichsverrat von 1795, durch den Preußen 
zuerst die Mainlinie ziehen half, verschaffte Norddeutschland 
nur einen faulen Frieden, der auf sehr unsicherem Grunde 
stand. Im Sommer 1799 schrieb Prinz Carl von Hessen, 
dänischer Statthalter in Holstein, seinem Bruder, dem Casseler 
Landgrafen: er habe bestimmte Nachrichten, daß die Franzosen 
beabsichtigten, einen coup de main auf Cassel zu machen und 
den Schatz abzuholen, wodurch auch die preußische Mobilität 
gelähmt sein möchte. Noch mehrmals wiederholte dieser auf— 
merksame Beobachter der politischen Entwicklung seine Warnun— 
gen vor dem gefährlichen Bonaparte und veranlaßte dadurch 
auch, daß der Landgraf⸗-Kurfürst seinen Schatz vorübergehend 
im östlichsten Teil des Landes, im Schmallalder Schlosse, in 
Sicherheit brachte. 
Was öjfters befürchtet war, trat im Jahre 1806 wirklich 
ein. Die Franzosen kamen nach Hessen, und der Kurfürst 
mußte flüchten. Die mühsame Bergung und abenteuerliche 
Rettung des Schatzes beim Einbruche Mortiers ist vielfach 
erzählt worden und darf im Allgemeinen als bekannt voraus— 
gesetzt werden.) Napoleon hatte geglaubt, daß der Kurfürst 
seinen Schatz wieder außerhalb des Landes gebracht habe, 
und Marschall Ney mußte deshalb in Magdeburg vergebliche 
Untersuchungen danach anstellen. Was damals gerettet wurde 
(es war der größte Teil, aber viel ging auch verloren) gelangte 
schließlich nach Schleswig und fand hauptfsächlich im alten 
Fottorper Schloß einen einstweilen sicheren Platz. Bei der 
erneuten Flucht des Kurfürsten 1808 wurden die Kapitalien 
) Vgl. hauptsächlich Brunners Schrift über den General Lagrange (Cassel 
1887), wozu ich in meiner Biographie Kurfürst Wilhelms J. noch einige 
Ergänzungen gegeben habe.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.