Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

ehrsamen Handwerks — dem häßlichen Staub überlassen 
und den staunend quiebenden, hungrigen Mäuslein. 
Ein halb Stündlein später ruhten Herr und Hände 
droben unter den alten Eichen im Schatten. Wenn man 
das Kuhe nennen Lbann! 
Im Schreiberlein sang und klang es. Vor seinen strahlenden 
Auglein war eine einzige Kirmes die ganze weite Welt, 
drin zahllose Musikanten geigten oder sonst nach Selieben 
ein anderes Instrumentlein quälten und tanzlustig Volb aller 
Größe und Art im lustigen Wirbel sich drehte, selig schwebende 
Mücklein und zufrieden brummende Immen, die torbelnd 
schnurrenden Käfer nicht zu vergessen, die ein Käuschlein 
schleppten ins Gräjerversteck. 
Die Hände aber schichteten ohne Auftrag an dem Stöß 
lein Papiere herum, strichen liebbosend über das Wunder— 
ding von Schreibzeug, das die öde Hockerei in der dumpfen 
Stube in ein lustig, fahrend Handwerb verbehrte, und sie 
prüften schon nach aiter Gewohnheit an einem Nagel die 
hlanke Feder, des Schreiberleins nimmermüde Hände. 
Doch sprang ihr Herr von der Arbeit schon wieder 
davon, querte geradeswegs über die Felder hinüber und 
oergaß dort die drängende Arbeit und die quälenden Schulden. 
Anter spielenden Büblein trieb sich's umher eine gute 
geschlagene Stunde, dies leichtfertigste aller Schreibers⸗ 
bnechtlein, und wird gewiß die alte Brille schuld daran 
gewesen sein, draus es alles so wundersam vergoldet erblickte. 
Gelacht hat's wie nicht ein einzig Mal vorher in seinem 
ganzen Leben, gelacht, bis ihm ein böser Husten kam, ein 
Huften, so schiimm, daß ein tapferer Streiter Daterland und 
Pflicht und Feinde und alles vergaß und ihm ängstlich den 
mageren Rücken blopfte. 
Und zur Erläuterung muß nun gesagt sein, daß die 
Gusiner Bubenarmee an jenem Tag gerade den Gusiner 
Geißberg stürmte und den Bannspacher und Wieremer 
Franzosen die grausam stark befestigte Höhe entriß und ihnen 
dann die Höslein nicht schlecht verklopfte. Und es waren 
Gusinen, Bannspach und Wierem, die drei Dörfer, vor— 
gelagert einer deutschen Großstadt. 
Dom Lachen und Husten war dem Schreiberlein noch 
ein kleiner Schlucken zurückgeblieben, wie's dann nachher 
an seinem Tischlein tatendurstig nach der Feder griff. Es 
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wenig in den Finger stieß und mit seinem köstlichen Blut die 
schöne neue Feder benetzte. Es fuhr dann trotzdem damit 
in die Tinte, so sehr war alles in ihm in hellem Aufruhr, 
daß es den kieinen Schmerz und Schaden nicht einmal merbte, 
und sein Name, wie's den in keckem Sug auf das Blatt 
hingeworfen hatte, schimmerte ganz deutlich ein wenig rot. 
And es hätte gewiß ein bänglich Herz jetzt gezetert, es 
habe das Schreiberlein mit seinem roten Blute auf Gedeih 
und VDerderb sich eben dem leibhaftigen Satan verschrieben. 
Und die dicke Eichel, die ein bleiner Windstoß gerade 
herunter auf das Papier warf, sei des Teufels schnelle 
Zusag gewesen. 
Und ganz mit rechten Dingen ging es sicherlich nicht 
zu. Dem Schreiberlein war's, als liefe jetzt die Feder davon, 
ob es wolle oder nicht. Kaum blieb ihm Seit, die Reihe 
zu betrachten, die als Aberschrift wie hingehert dastand: 
Der zweite Sturm auf den Geißberg. 
Kaum bonnte das Schreiberlein denken: bin denn ich 
verrückt oder ist's die Feder? da lief diese schon durch die 
dritte Keihe und lief und lief, daß ihrem Herren bald die 
Hand richtig schmerzte — was doch bei einem Schreiberlein 
schon etwas heißen will! — und ihm ordentlich der Schädel 
röhnte. Und es war so etwas — bei aller Gewissenhaftigkeit 
m Beruf — dem Federhengstlein noch niemals widerfahren. 
Aufatmend legte das Männlein endlich sein Schreibrohr 
neder, und es wollte ihm schier wie ein richtiger Glücksfall 
escheinen, daß sein Stößlein Papier nicht dicker gewesen. 
Hewißlich hätte die närrische Feder noch weiter gehetzt. 
Und dann las das Schreiberlein laut sich sein Machwerb 
vor, las von den bleinen Erlebnissen des Sonntagnachmittags, 
vie die alte Brille ihm die zurecht gestellt hatte für die 
rohen Augen, wie die ungeduldige Feder die hingehext hatte 
n einem Sug. And es lachte dabei das Wännlein, lachte 
nit den Augen und lachte mit dem Herzen. And richtig 
enießerisch war's ihm zumute und ein wenig trunken im 
Sinn, als jei's von einem heimtückischen Schaumwein benebelt. 
Den köstlichen kleinen Kanonier sah's ja noch einmal 
ebendig geworden, den possierlichen Kerl, der nur zwei Augen 
atte und gut zehne hätte gebrauchen können, zwei zum Blick 
iach den dummen Schollen und ebligen Steinen, die, ein 
dindernĩs jeder seinen krummen Beinchen, alle Augenblick 
inen schmerzvollen Purzelbaum verhießen, — zweĩi zum 
Slinzein nach der Batterie, die gewiß schon eine halbe Meile 
veit vor ihm hinraste durch unsichtiges Gelände, — zwei 
ur Bewachung des Lichtleins, das im schlimmsten Galopp 
ioch im Brennen bleiben mußte, weil Sebundenverluste durch 
erzögerten Feuerbeginn aus den gefechtsbereiten Geschützen 
inweigerlich eine verlorene Schlacht — und einen Buckel 
on Hiebe einbrachten und womöglich den WMabel der Feig- 
eit, — zwei für die sorgsame Beobachtung der Hand, die 
esagtem Lichtlein auch im stürmischsten Lauf ein Schutz sollte 
ein auch vor dem geringsten Sug, daß es ja nicht erlösche, — 
wei für — für — ach natürlich! zwei vor allem auch zur 
Erspähung des Feindes, der wohlverdeckt und noch unauf- 
efunden irgendwo auf dem Geißberg stand. O, dieser köstliche, 
irummbeinige, augenverrenkende bleine Kanonier! 
AUnd mit ihm war der abgestürzte Luftschiffer verewigt, 
er gottverlassen irgendwo im Felde lag, der sich aber trotz 
eines fürchterlichen Erlebnisses doch so heldenhaft schnell 
u fassen verstand, um mit todernstem Gesicht zu melden: 
dufijchiffbremjer sei er und Propellerachsenschmierer am 
zeppelin zwölf, und abgesprungen sei er mit dem Fallschirm 
us dreitausend Meter Höhe, wie der treue alte Kahn heidi- 
egangen sei nach einem Volltreffer mitten in den gasgefüllten 
Zauch. O, diese köstliche, böstliche Jugend! 
And dazugelogen war auf dem Papier noch gar mancherlei, 
vas nachmals bei den Lesern auch manches Lachen und 
nanchen Husten erweckte. Es war dem Schreiberlein manches 
janz ohne sein Sutun in die eilfertige Feder gelaufen, und 
es war ihm, als seiĩ bei der ganzen Sache richtige Hexerei 
ätig gewesen, wenn nicht gar teuflischer Spub. 
Die seien auch gewiß ganz allein es gewesen, die seinen 
fingern geheißen hätten, die zujammengefalteten BSlätter ein 
Stündlein nachher hineinzuwerfen in den Briefkasten der 
rößten Seitung in der Stadt. Es hätte ein armes Schreiber- 
ein von sich aus das gewißlich niemals gewagt, und ein Höllen- 
achen wäre die breite Gffnung mit den drahtenen Zähnen 
em sicher gewesen, und zurückgeschaudert wäre es und davon⸗ 
elaufen wie ein ertappter Verbrecher. 
Es hat am MWontag früh mit beinem Gedanken jein 
Vagnis überdacht. Es ist heilfroh genug gewesen, daß der 
Zrisisenmann ihm mit vielen schönen Worten die heile Brille 
berreichte und damit ein wenig die Forderung nach zwei 
veiteren Groschen versüßte, und wie's nach Hause bam, müde 
ind abgeschrieben und aufgeregt von der Arbeit und dem 
Hedanken an die neue große unerträgliche Schuld, da war
	        
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