Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

den ihm Begegnenden mit den Worten: „Guten Morgen, Herr 
Zorn.“ Die Wirkung ist verblũffend. 5. gerät in Sorn und Wut, 
uchtelt erregt mit beiden Händen vor dem Gesicht meines Amts 
jenossen und schreit ihn an: „Ich heiße Be.. und nicht Sorn. 
Ich iaß' mer das net gefalle. Ich verklag Se.“ Schon erscheinen 
n Turen und an Fenstern neugierige Gaffer. Man will sehen, 
das der Sorn mit dem neuen Schullehrer vor hat. Da bommt 
ehterem ein rettender Gedanke. Er will um jeden Preis eine 
Sjene auf offener Straße vermeiden, zumal er noch ein Neuling 
m Orte ist. Schnell entschlosen greijt er in die Tasche, zieht einen 
Sroschen heraus, reicht ihn dem Sorn und, spricht: „Aber, Herr 
75 ich hab ja gar nicht gewußt, daß Ihr so heißt. Da, trinkt 
nen Schoppen auf mein Wohi, wir wollen gute Freunde bleiben.“ 
Wie bei der Meeresstillung die erregten Wogen sich legten, so 
Natteten sich die Gesichtszüge Freund Sorns. Mit den Worten: 
mNichts für ungut, Herr Kantor“, strebt er schleunigst dem nächsten 
Dirlshaufse zu um den Groschen in Fusel anzulegen. Von da ab 
Zeche Frielendorf: Eimerkettenbagger und Pumpwoerk 
hat der Herr Kantor noch manchen ehrfurchtsvollen Gruß von Sorn 
mpfangen. — Sorns Frau hieß in der Stadt allgemein das 
Schnapsdortche“, weil sie wie ihe Mann dem Trunbe starb ergeben 
var Arbeitsscheu waren sie beide, deshalb geriet im Alter das 
Ehepaar in Rot. Als das Dortchen einst krank und bettlägerig 
par nahmen sich die Honoratioren des Städtichens seiner an. 
Freund Zorn mußte hin und her in den Häusern der Vornehmen 
kissen jür das Vortchen holen. Als besorgter Ehemann ist er 
er Meinung Kaiser Karls des Großen, der bebanntlich A 
sein mit Fasten bebämpfte. Das Dorlchen soll nach S's. Meinung 
— 
imnterwegs alle Fleischbrocken aus der Krankensuppe heraus nach 
dem Grundsatze: Selber essen macht fett. Aber Dorkchens zãhe 
Natur ũüberwindet auch diese Hungerkur; sie kommt wieder auf 
die Beine und nimmt ihre Kache. Ab und zu wird von beiden 
zuch ein wenig gearbeitet, aber nach burzer Arbeitszeit muß Fusel 
Jeholt werden, um neues GEl auf das Lebenslicht zu gießen. 
Doͤrtchen holt den Labetrunk. Doch unterwegs ist die Versuchung 
zu groß; sie nimmt einen starken Schluck aus dem Fläschchen. Da— 
nit der Alte aber nichts merkt, wird aus dem Wasserkran nach⸗ 
gefüllt. Von Tag zu Tag wird's Dortchen kbühner, der Schluck 
rößer und die Wassertause ausgiebiger. Sorn, der jschon längst 
nitrauisch geworden ist, merkt endsich den Betrug, als er den 
rsten Schluck die Gurgel hinunterjagt. Da packt ihn jein ganzer 
zorn. Ein tüchtiger Stecken aus dem Reiserhaufen, den er für 
sie Schule zerkleinern soll, und die scharfen Nägel VDortchens sind 
F — Wahfen in dem ehelichen Drama, das sich jetzt 
zntwickelte. 
Der Selbstbinder. 
In Boxdehoi war ein landwirtschaftliches Fest. Auch eine 
derlojung wurde damit verbunden, und wochenlang vorher waren 
ie Lose feilgeboten worden. Der Butterhänns aus Gersdorf 
atte gleich zwei Lose genommen. Er jagte: „Man muß dem 
ßzlück die Hand reichen“. Das Kreisblatt brachte endlich die 
dummern, die gewonnen hatten. Da war, auch von den zwei 
dosen des Butterhänns in Gersdorf eins dabei; 1016, ein Selbst⸗ 
inder. „Hurra, Glück muß der Mensch haben“, prahlte Hänns. 
Phot. Cael Eigenbrod, Homberg 
Am nächsten Tag borgte er sich von seinem Nachbar Kon (Konrad) 
in Pferd; Butterhänns besaß deren nur eins, das die ganze 
Voche in seiner bleinen Landwirtschaft arbeitete und am Freitag 
en Weg in die nächsten Dörfer machen mußte, damit er 
im Sonnabend auf dem Könlgsplat in Cassel seine Butter- 
löße unter vielen guten und schlechten Wißtzen feilbieten bonnte. 
heute barjãberle Butterhänns mit zweien auf, Boxrdehoi los. 
Eins wirds nicht bannen“, meinte er, trat vor das Verlosungs- 
omitee und wies sein Los vor. Die Herren nickten und meinten 
erständnisinnig lächelnd: „1016, ein Selbstbinder, dort hängt der 
38 Oie Dreitalers · Gãnse. Scw. 
Anfangs der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts 
ekamen wir bebkanntlich die Sehner Währung im Geldwesen. 
Zarolinen, Taler, Silbergroschen und Heller verschwanden all⸗ 
aãhlich aus dem Verbehr, und an deren Stelle traten Mark und 
NRennig. Diese Übergangszeit wurde manchem recht schwer und 
jt zu einem bedauerlichen Verhängnis. 
So ging es auch einmal unserer altbekannten Päätz-Katrin. 
Sie war Witwe und hatte einen Jungen, der hieß Adam und
	        
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