eine Flasche, die aussah wie eine Kirmesbutellje, nur aus
hellem Glas, da zog der Weingeist die guten Säfte aus,
wenn sie am Fenster in der Prallsonne stand, und dann
leuchtete der Trank tief rubinrot. Soll mal einer sagen, er
wäre an Schwindsucht gestorben, der Slutwurzelschnaps
getrunken. Gegen alles hatte die Kräutern ein Mittel,
gegen jed' Gebrest bei Mensch und Tier, gegen Bachstein-
fieber bei Schweinen und Nierenverschlag bei Pferden. Seit
Menschengedenkben war in ihrer Familie die Heilbunst vererbt
dis auf sie herab, und sie war die letzte von ihrer Sippe.
Sie war eine gottesfürchtige Frau, nicht nur fromm am
Sonntag, nein allezeit, und so kam auch bein Klatsch an sie,
selbst wenn ihre Kuren seltsam waren, wie die gegen Gicht.
Das war so: Die Gichtknoten bonnten noch so dick sein,
die Hände noch so verkrümmt — die Keäutern streute ein
Pulver auf das Bettlaben des Leidenden, tat sein Wasser
in eine Flasche im Ofenröhr, dann mußte der Kranke schwitzen,
Träume 5 Von
Die Säuerin geht herum mit einem Gesicht wie ein
Topf voll Mäuse, ihr hat geträumt, daß sie schmutzige
Wäsche in trübem, reißendem Wasser wäscht, das bedeutet
Böses, wie jedes Kind weiß. Und der Knecht pfeift
morgens über die Hofstatt weg, er sah im Traum rote
Kosen und bebam einen King von Gold. Da geht sie
verdrossen in den Tag und hat nichts wie Arger, und er
faßt alles heute froh an, und es läuft ihm gut von der
Hand. Ja, und warum sollte einem Traum nicht wirbklich
borahnende Bedeutung beizumessen sein? Wenn der Nachbar
todmüde unter die Decke briecht, nach einem Arbeitstag,
der um vier Ahr früh anfing und abends um neun Ahr
aufhörte, aber lange nicht Ruh findet, den Nachtwächter
die Stunden abrufen hört und sich von einer Seite auf die
andere wirft, weil irgendeine uneingestandene Sorge sein
Gemüt bedrückt und er dann im Traume sieht, daß Schlimmes
ihm zustößt: zehn gegen eins, es wird Lommen!
Ich nehme die wurmzernagte Chronik der Lorenze vom
Bord, die geht noch zwei MWenschenalter weiter zurück
als das dicke Kirchenbuch. Einer meiner Spillmagen, der
mit dem Landgrafen in die Sterne guckte, hat sie ange—
fangen. War ein Sinnierer, der Magister Jürgen wie
sein Herr, und auf den braunvergilbten Blättern trug er
mit schnörkeliger Handschrift ein, was er erlebte, dachte und
träumte. Immer wieder kehren seine Gedanken zurück zu
dem Swillingsbruder des Genius mit der umgebehrten Fackel,
zu ihm, der in den Locken den Mohnbranz trägt, von dessen
schimmernden Blüten wie Tautropfen matte Perlen nieder⸗
rinnen —, die Träume. Andere Seiten, andere Träume.
„Mir hat heinte getracumet“, schreibt der Magister, und dann
ziehen vorüber: Aussätzige Leute, Büttel, Stadtbnechte
und Gaubler, Halseisen, Galgen, Wölfe, Armbrüste, Kitter,
Harnisch, Blechhandschuhe, Schwefelkränze, beschossene
Burgen und Geiseln, er träumt von Ahrin“) Geschirr, daß
er die Bruch angelegt und Agrimonia-Wurzeln ißt. —
Hier erzählt er von der Bauern Not, von dem Bauernbrieg,
wie des Landgrafen Dater mit Georg von Sachsen und
Heinrich von Braunschweig den Thomas Münzer griff
bei Frankenhaujen, daß das „Schwert Gideonis“ hinsank
vom Richtjchwert getroffen, und fährt dann fort: — „Der
aufrührerischen Bauern Heerführer hatte einen Traum, als
ob er in einen Stall viel Macuse angetroffen und verjagt
haette: Da meynete er alsbald, GOTT habe ihn geoffen-
hahret, er solte ausziehen, und alle Fuersten, Herrn und
1irden
ind die Knoten vergingen, die steifen Finger streckten sich,
ꝛx war gesund. Aber einmal, beim Nebelbeckemüller, war
»er Ofen zu heiß, die Flasche zersprang, das Wasser lief
ischend über die Ofenplatte — und der Kranbe bekam den
anzen KRücken voll Brandblasen. Wenn der Kreisphysibus
in den Susammenhang geglaubt hätte, wäre ihr eine Klage
vegen Körperverletzung gewiß gewesen. Er glaubte nicht
aran, auch nicht an Forels Ausführung über das Entstehen
on Brandblasen durch hypnotischen Einfluß, trotzdem Forel
ĩn großer, richtiger Arzt ist, wenn auch bein bloßer
„chuldobtor.
In dem altersschwarzen Türbalken an dem Hause der
Träutern stand der Spruch geschnitten: „Gott läßt die Arznei
ius der Erde wachsen, und der VDernünftige verachtet sie
ücht.“ Sie hat seine Arznei treulich gesucht, jahrein, jahr—
ius, ihr Leben lang; deshalb war sie für uns alle nur die
„FKräutern“.
Conrad Güuünther.
Fdelleute als Maeuse verjagen. Hat auch bald Schloesser
ind Kirchen gepluendert und viel vom Ndel verjaget und
gefangen genommen; Allein es ist ihm und seinem Anhange
o bekommen, daß in die hundert und funffzigtausend ge—
lieben sind.“ Wie mit dem letzten der Söhne von Heinrich II.
»as Haus VBalois eerlischt, berichtet Jürgen folgendes: —
Da des Koenigs in Franbkreich Vater seine Tochter
Flisabeth an Philipp vermaechlet, that er etliche scharffe
Zennen. Als er des anderen Tages wieder daran wollte,
raeumete Katharina, sie sehe ihn gar blutig niederfallen und
zine Krone dreimal springen bis sie brach, bat derowegen
lehentlich, er moechte das Kennen nachlassen. Aber er
erharrete auf seinen Sinn und ward selben Tages vom
Hrafen Montgomerh, der seine Lantze am Helmsturtßz des
ckoenigs brach, durch ein Auge in den Kopf gerennet, daß
r mit großen Schmerzen Leben und Koenigreich verlieren
nußte.“ — Da hätte nun Heinrich glauben sollen und der
Nünzer nicht? Ehren Jürgen erblärt es so; Wie GOTT
„hne Sweifel im Traume Glueck und Anglueck zeiget, so
ejchieht auch wohl, daß Satan durch ebensolch Mittel sein
ßaukelwerk veruebet, wobey man sich wohl fuerzusehen hat,
zaß man Boeses und Gutes wohl unterscheide, und ver—
uuenftig in allen Stuecken nachsinne. Waere auch manchen
deuten besser gewesen, wenn sie nicht liederlich der Traueme
Varnungen in den Wind geschlagen, haben mehr denn zu
fft eingetroffen. Haette sich Pilatus durch seines Weibes
raum bewegen lassen, er wuerde den boshafftigen Jueden
icht gewillfahret und den unschuldigen GOTTES Sohn
um Tode verurtheilet haben. Calapina, Juliü-Caecsars
Zemahlin, tracumete, daß sie ihren Herrn blutig in ihren
5chooß fallen sehe, warnete ihn derohalben, und bat, des-
elben Tages nicht auszugehen. Als er aber nicht folgen
vollte, und dennoch auf's Rath-Haus ging, ward er
immerlich erstochen. Oeffters deuten Traeume gewiß Straff
on GOTXT. Nicephorus berichtet, daß das Creutz Christi
em Kayser Mauritio ein Sornzeichen gewesen, denn da er
uf eine Seit zweytausend Kriegsgefangene um einen
ßuelden nicht rantzioniren wollen und selbige alle der Feind
rmordet, siehet er hierauf im Traum Christum an einem
ohen Creutze, und daneben die gantze Schaar der erwuergeten
Zriegsleute, welche ihn angellaget. Und als er gefraget
vorden, ob er seine Straffe lieber in dieser oder jener Welt
eiden wolte, er auch geantwortet: In dieser, hat er ver—
ommen, daß er von Phoba mit seinem gantzen Geschlecht
vürde erwuerget werden. Welches,. da es erfolget, hat er