Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Kulturgemeinschaften, und es wird vielleicht eine dankbare Auf- 
gabe sein, der Ursache dieser Gemeinschaften nach geographisch- 
volitischen und geschichtlich Lulturellen Urjachen nachzugehen. 
Der Stoff selbst umfaßt sozusagen alle Gebiete menschlichen 
Lebens und DVenkens. Naturgemäß nimmt die Fülle der Sprüche 
ihren Ursprung vom Haujse selbst und zwar ursprünglich in religiöser 
Form. Das Haus wird unter den Schuß und Segen Gottes gestellt, 
häufig unter Verwendung von Bibelsprüchen. Besonders häufig ist 
da der 127. Pfjalm, „Wo der Herr nicht das Haus bauet“ usw. 
Andere Bibelsprüche, meist wörtlich zitiert, Lommen, sodann ihre 
Abwandlung in Versen und Gejsangbuchliederstrophen. Manche 
Gegenden, so der Kreis Hofgeismar und Waldeck, bevorzugen 
die religiösen Sprüche, in andern treten sie zurück gegen die 
Profansprũche. Manche Gegenden zeigen reiche Erfindungsgabe in 
originellen und humorvollen Inschriften; andere beschränben sich 
auf altũüberlieferte und allgemein gebräuchliche Sprũche. 
Der Bitte um Gottes Schut schließt sich an der Dank gegen 
ihn und Gottbertrauen, Sprüche, welche nicht nur das Haus, 
sondern auch dessen Bewohner Gottes Segen anbefehlen; oft an— 
knüpfend an die Türe des Hauses, welche ja bei den Häusern 
sächsischer Bauart ein Hauptträger der Inschrift ist. Weitere 
Sprũche wenden sich an die Vorũbergehenden (und die dastehenden 
Gaffer); andere preisen das eigene Haus und den eigenen Stand 
und Beruf. Die überwiegende Sahl derartiger Sprüche befaßt 
sich natürlich mit dem Bauernstand, aber auch andere Stände 
bommen vor, zunächst die Bauhandwerber, Simmerleute und 
Waurer, aber auch Schmiede, Schuhmacher, Leinweber, Köche, 
Kaufleute, Knechte, Taglöhner, Eisenbahner, Soldaten, Jäger, 
Wirte und Gäste, Bierbrauer und Branntweinbrenner, Nachtwache, 
Angemen, Handwerker ũberhaupt, Arme und Reiche, Tod und 
Teufel. 
Eine Gruppe für sich liefert das Mühlengewerbe in einer 
Anzahl ursprünglicher Sprüche. Müller, Mahlgäste und Mühlen 
betrefsend. 
Aberaus groß und mannigfaltig sind dann die Sprüche, welche 
sich mit Haß und Neid, dem lieben (d. h. bösen) Nachbarn, guten 
und schlechten Freunden, unberufenen Kritibern befassen, auch hier 
von dem Hauséè selbst ausgehend. Dann bildet die Bauveranlassung 
ein umfangreiches Gebiet, angefangen von der bloßen Erwähnung, 
meist in hergebrachter Formel, des Bauherrn und seiner Ehefrau 
(in manchen Gegenden 3. S. bei Eschwege, wird sie auch Baufrau 
genannt) und des Simmermeisters, bis zu einer manchmal ins 
Einzelne gehenden Erwähnung von Bränden, nicht nur des eigenen 
Hofes, sondern der ganzen Nachbarschaft oder des Ortes, oder 
geschichtlicher Ereignijsse von Bedeutung; Chronogramme, Nach- 
richten von der Freigebigkeit des Landesherrn, der die Mittel 
zum Bauen gab, oder der Gemeinde; oder auch Nachrichten ũber 
die Baubosten selbst und die herrschende Teuerung. Sehr weit 
verbreitet sind dann die Klagen über das teure Bauen überhaupt, 
ein Gegenstand, der in vielen Abwandlungen eines über ganz 
Deutschland verbreiteten Spruches wiederbehrt. 
Ist schon bei den einzelne Stände betreffenden Sprũchen oft 
nur ein sehr lockerer Susammenhang mit dem Bau vorhanden, so 
fehlt ein solcher ganz bei Sprüchen allgemein refleltierender philo⸗ 
ophischer Art, bei den Alke und Vexiersprüchen und den Kätseln. 
Dieses Gebiet bringt dem Sammler manchmal besondere Über⸗ 
raschungen. Da stößt man manchmal auf uralte Spruchweisheit, 
alte Volbsrätsel, Sprüche, die schon zu Luthers Seiten und im 
ausgehenden Mittelalter bekannt waren. Auf diesem Gebiete zeigt 
sich auch der meiste Humor, von welchem übrigens im allgemeinen 
ãberall Proben zu finden sind, selbst in Gegenden wie Waldeck 
ind dem Kreis Hofgeismar, die mehr ernste und viele religiöse 
Sprüche bevorzugen. Prägt sich darin eine schwerere Lebensauf- 
assung des sächsischen Volksstammes aus im Gegensatz zu der 
eichten Beweͤglichkeit des Franken? Tatsächlich ist ein Unterschied 
rsanz unverbennbar. 
AUnter den philosophischen Sprüchen spielen die über die 
zchlechtigkeit der Welt und die schlimmen Seiten eine große Rolle; 
ann die, welche die Frage behandeln, was wohl das Beste in der 
Velt sei und was sich einer gerne wünscht. Dabei kommt die 
olde Weiblichbeit zu ihrem Kecht; ob es sich nun um ein Mädchen, 
8 Jahre alt, oder ein böses altes Weib handelt, bei welchem 
nanch boshafter VDergleich, etwa mit einer Swiebel, bei der man 
veint, oder einem Esel und einer Nuß, die man schlagen muß, 
orkommt. Eine gute Hausfrau wird gepriesen; Kinderlein, Pferde, 
Zühe und Schafe, „gutgeratne Kinner und ein Stall voll Lämmer“ 
iehn in buntem Wechsel an uns vorüber. 
Ein anderes Gebiet ist das der fremdsprachigen Inschriften. 
2dateinische Inschriften sind nicht gar selten. Sehr verbreitet ist 
as Soli Deo gloria, das oft die ergötzlichsten Entstellungen erleiden 
nuß: Solo, Sola, dea, dei, die, usw., ja Solide okloria, und etle bora 
att ora et labora. Im Kreis Hofgeismar trifft man öfters auf 
xor statt Ehefrau und conductor für Bauherr. Gern wurden an 
Zathäusern, Kirchen, Schulen lateinische Distichen angebracht, 
nanchmal mit Chronogramm; auf dem Land tragen manchmal 
Narrhäuser solche, an denen wohl früher einmal ein Pfarrherr 
Vitz und Kunst geübt hat. Eigenartig sind die französijchen In— 
hriften in einigen Kolonien der Hugenotten, 3. B. des Kreises 
dofgeismar. Es zeigt sich, daß da mit der bodenständigen Bau— 
oeije auch der Brauch der Haussprüche ũübernommen worden ist, 
ind zwar so, daß etwa allgemein verbreitete Sprüche wie: „Allen, 
ie mich bennen, gebe Gott, was sie mir gönnen“ und „Wo der 
derr nicht das Haus bauet“ einfach übersetzt wurden. 
Die Art, die Inschriften anzubringen, ist verschieden. In 
einigen Gegenden, wie der von Marburg. hält der vom Weißbinder 
ingemalte mit dem vom Simmermann eingehauenen Spruch im 
dorkommen ziemlich die Wage, wenn er ihn nicht sogar an Sahl, 
esjonders aus neuerer Seit, übertrifft. Andere Gegenden, wie 
as jächsische Stammesgebiet, bennen so gut wie ausschließlich den 
ingeschnittenen Spruch; in weiten Gebieten ist das Anmalen der 
zprüũche, das frũher ũblich war, ganz außer der Ubung gelommen. 
zn der Homberger Gegend sind in Stein gehauene Inschriften, 
neist Baunachrichten, nicht sjelten, in anderen fehlen sie. 
VOon großem Keiz ist es, die verschiedenen Abarten der Sprüche 
u verfolgen. Falsche oder ungenaue Sitate, Umdichtungen, Er— 
veiterungen, Oerbindungen mehrerer Sprüche lassen sich feststellen; 
nan merbt zuweilen, daß das Gedächtnis zum Wiedergeben eines 
rgendwo gelejenen Spruches versagte, was zu Weglassungen oder 
igener Ergänzung führte. 
Aber wie wenig vom alten Keichtum ist uns erhalten. Es 
jt unverbennbar: Vieles, sehr vieles ist verschwunden, was noch 
or wenigen Jahren vorhanden war. Oft wissen die Bewohner 
noch aus dem Gedächtnis Sprüche, die früher angemalt oder ein— 
Jehauen waren, besonders solche, die sich durch Originalität dem 
dinn einprägten. Um so größer sei der Dank und die Anerbennung 
ür alle die Helfer, die in oft müheboller Arbeit zujsammengetragen 
aben, was noch zu finden war, die auch oft die Mühe sich nicht 
erdrießen ließen, die Inschriften jorgfältig nachzuzeichnenl Möchten 
ie für die Gebiete, die noch der Ergänzung bedürfen. noch recht 
iele Nachfolger finden. 
Die Sahl der bisher festgestellten Sprüche hat dreieinhalb 
Taufend schon überichritfen. 
Dom Pulsschlag der Heimat— 
Schnurrpfeifereien. 
Oie Wurzel steckte tief. 
Hänns, in Dingsda hatte schon eine ganze Woche lang vieh⸗ 
mäßiĩge Sahnschmerzen, ganz hinten im linken Backen saß der 
hohle „Ebel“. Er nahm Lalies und dann warmes Wasser dabei, 
er bezelte (beizte) mit Branntwein und spie den nach einiger 
Seit wieder aus, er ließ sich bei Dapps Eller brauchen. Dder 
das half alles nur eine ganz Lurze Seit. an Schlafen nachts war 
nicht zu denken, so daß Hänns fluchte und jagte: „Ich geh en die 
Staadt, das Siejt muß rüus.“ So tat er denn auch. ver Sahn⸗ 
arzt war auch gleich bei der Hand und fragte: „Soll er schmerzios 
gezogen werden oder so?“ „Was“, maulte Hänns, „wih dutt's 
immer!“ „Also ohne Einspritzung“, entschied der Sahnaͤrzt. „Ja“, 
brummte Hänns. AUnd so ging's denn ohne“ ios: die Siube“qui 
uind ab, durch die Kammer, durch den Hausecern. Hänns tat 
Krisch, als wenn er am Spieße steckte. Im schlimmsten Augen— 
lich nahm der Sahndobktor eine Spänel (Stecknadel) und siach 
hänns recht derb in den Körperteil, der unten am Räcken sitzt. 
„Hubl“ ratsch, da lag der Unflat auf den Stubendielen. Hänus 
eguckte ihn ganz verwundert, befühlte sein Hinterteil und meinte 
ehr gedehnt: „Hon dämm senge Wazzeln äwwer tief gestäacht!“ 
Haben dem seine Wurzeln aber tief gesteckt!) Schw. 
Das Ehrenamt. 
Ein Handwerksmeister trifft auf einem Geschäftsgang den 
deren Bürgermeister in der Wirtschaft des Ortes an. Nach dem 
emeinschaftlichen Genuß mehrerer Kännchen und Schoppen und 
ach Erledigung des Geschäftlichen fragt der Herr Bürgermeister: 
Wie heißen Se dann met dem Vornamen?“ — „Henner.“ — 
So. von jeßt an sprech cech Du un Henner. Prostl—“ Unser Hand-
	        
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