Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

roth, Conrady, Blum, Neuschäfer, Kenner, Garthe und des Keuß⸗ 
erhebers Schmnidtmann, ... wird hiermit dem Herrn Stadtkämmerer 
und Keußerheber Joh. Casp. Loderhose zugefertigt und hiernach 
ofort die BSeitreibung und Erhebung zu vollziehen“. 
Noch 1818 fordert das Kurf. Hess. Steuer⸗Kollegium in Cajssel, 
daß „nicht nur der .. beträchtliche Reuß!e) des gewesenen Kämmerers 
Gaͤrlhe, sondern auch die aufgeführten Keusse und Liquidationen 
der vorhinnigen Kämmerer nebst der Gartheschen Liquidation ... 
beigetrieben und ... erhoben werden“. Gaͤrthe, von dem 1818 
der Kaͤmmerer Loderhose den „verbliebenen propren Reuß mit 
5243 Kti. 20 alb. 7 Sll. fordersamst einzukassieren“ hat, war nach 
seiner Dienstentsetzung (T. 1. 1807) zum SBetrieb des Dachdecker⸗ 
handwerbs zurũckgebehrt und hat durch Arbeiten im Auftrage 
her Stadt die schier uͤngeheuerliche (ielleicht durch Entwertung 
gesteigerte) Schuldsumme abzutragen versucht. 
Auch der vormalige Steuererheber, Suũrgermeister Baltz, wird 
aufgefordert. die „in seiner Steuerrechnung von 1801 verbliebenen 
j38 Ktl. 5 alb. 17. Hll. ... zu bezahlen, oder aber die Liquidation 
gerichtlich untersuchen zu lahen und zu zeigen, daß er allen Fleiß 
in Seitreibung der Ausstände angewendet habe oder dieselben 
mexigibes jeien. Gegenteiligen Falles gegen ihn mit Execution 
vorgeschritiken werden muß.“ 
In ähnlicher Weise wird „der vormalige Steuer⸗Erheber Theuer 
hei Vermeidung der Exebution und in Gemößheit Kf. Steu.Coll. 
Kescript d. d. Cassel d. 30. 5. 1820 aufgefordert, die ihm zur Last ge⸗ 
seßien 61 Rtl. 8 g. Gr. ꝰ HlIl. zu bezahlen, oder hinlänglich zu 
eigen, daß er gegen die Liquidation die äußersten gerichtlichen 
zwangsmittel versucht habe oder dieselben zahlungsunsfähig seien“. 
BZu solchem Vorgehen waren die Stadtkämmerer zweifellos 
n der Lage, da dem Kanton-Einnehmer der Huissier, der Gerichts⸗ 
ote, durch exebutive Beitreibung rückständiger Abgaben fleißig 
ur Hand ging!). 1811 hören wir von dem Hujjsier Emanuel 
Kaßner in Franbenberg. Auch der dem Maire zur Ver— 
ãgung stehende Kantons- oder Kreisbote wird erwähnt. Denn 
en stadtischen Grasplatz bei Schreufa pachtet 1812 der Kantons- 
vte Horchmann für 23. Gr., und für Senutzung des Rathaus- 
dales anlaßlich seiner Hochzeitsfeier (1818) entrichtet der Kantons⸗ 
ote Joh. Hch. Bohl 26 alb. in die Stadtbasse. Noch 1808 erhielten 
ie Ssodidiener Srunst und Höhmann das ‚„Gehalt“ von 1 Gulden 
der 30 alb, aus der Weinrechnung von 1801. In der Franzosen- 
zeit treffen wir sie nicht mehr an, 1817 aber tauchen die Polizei- 
ziener Pfeil und Balzer auf, denen der Schuhmacher Daniel 
Kiedel für 12 Rtl. 11 alb. O. Hll. zwei Paar Stiefel anfertigt, 
Pber deren Bezahlung uns solgendes Schreiben belehrt: 
„Wenn die übrigen Herren der Polizey · Commission den Preis 
der Stiefel für die Polizeidiener genehmigen, wird der Herr 
Bürgermeister den nötigen Auszahlungsbefehl an die Kämmerei 
ꝛeteilen. Frankenberg, 12. 6. 1811. SGiesler, Amtmann. Genehmigt 
Sallinger (Kentmeister). Ich habe nichts dagegen. Schönfeld 
Büurgermeister).“ 
So ijt also, wenn auch auf immerhin umstãndlichem Wege, den 
Doligeidienern gewiß eine große Freude bereitet worden. 
A i 
uf Heimatwegen. 
Frühling im Hessenland. 
(Zu unseren Bildern.) 
Heuer ist er sehr zeitig gekommen, der liebe Frũhling, dem 
groß und klein voll Sehnsucht entgegensah. Erwartungsvoll lagen 
die falben Felder und Fluren, peelangend nach Licht und Leben 
standen die braunen Buchenwälder. Schon wob sich hier und da 
ein feiner lichtgrüner Schleier um einen hochgereckten Gipfel, 
einen Boten des Frühlings, und das Auge erjättigte sich an dem 
hoffnungshellen Schein und Schimmer. 
And dann kam er selbst, der Frühling, und erstieg den baum · 
bestandenen Berghang, wo dunkle Fohren sich mit kahlen Lärchen 
mischen und knospenreiche Kirschbäume wegentlang stehen und auf 
die iduliche Lenzluft warten, darin sie ihre aufgebluͤhten Knospen 
haden konnen. Schon schweilen die Knospen, bald brechen sie auf 
und entfalten ihr ieuchtendes Weiß. Sahllose Sienen läuten als 
zleine Glockner in den Blütenkelchen, und aus jedem einzelnen 
BSlũtenbaum summt es wie aus tiefgestimmter, feierlicher Glocke 
hurch die lauschende Stille. Die Lärchen legen ihr gelbgrünes 
Nadelbleid wieder an, stehen in lichter Sier und brauchen sich nun 
bor den dunkelgrünen Föhren nicht mehr zu jchämen. Sonne 
jegnet den traumhaft stillen Waldwinkel und weckt Wünsche nach 
einsamen Wegen in Waldestiefe. Waldfrũhling der Heimat, laß 
auch die Herzen aufblũhen und das Dichterwort des Cherubinischen 
Vandersnannes Wahrheit werden: „Blüh! auf, gefrorner Christ! Der 
Mai ist vor der Tür. ¶ Dubleibest ewig tot, biũhst du nicht jetzt und hier.“ 
Auch über die braunen Ackerschollen schreitet der Frũhling. 
Die Saai ergrünt, die Lerche jauchzt, Slũtengold leuchtet auf, erst 
spärlich nur und Kinderaugen froh entzückend, dann in verschwen- 
derischer Fülle. Die Kohlmeise in den Gärten lockt: „Spitz' die Schar! 
Spiß die Schar!“ Der Bauer hört den Kuf, spannt an und zieht 
hinaus mit Pflugschar, Egge, Walze, Kultivator. Der Boden will 
bestellt sein, will das Saatborn bergen und das heilige Geheimnis 
des Wächsens und Werdens wiederum erleben. Nun, Sämann, 
A den Kornerwurf und sei gewiß: „Es fällt bein Kornlein aus 
der Welt; denn jedes fällt, wie's Gott gefällt.“ — 
Nun bommt er auch ins Städtchen, der sonnige Frühling, und 
eichtet da ein lustiges Burcheinander, eine drollige Verwirrung an. 
Dér Sauhirt, dem die Odyssee das jchmückende Beiwort „der 
gottliche“ gibt, tutet durch die Gassen. Die Stallriegel blirren 
urũck, die großen und bleinen Sorstentiere entstürzen der Haft 
and enteilen mit fröhlichem Quieben auf den Anger vor dem 
Stãdichen, um sich mit grunzendem Wohlbehagen zu suhlen. Ge— 
maãhlich schreitet der Hirt hinterdrein. Seiten geworden ist solch 
in Straßenidyll in unseren hessischen Stãädtchen. Vor einigen 
Jahren erlebte ich's einmal in dem waldeckischen Stãdtchen Alt⸗ 
VBüdungen. Der Photograph, dem sich unser Straßenidyll in 
Schlüchtern darbot, schreibt dazu sehr richtig, daß sich ähnliche 
Siider auch unjeren VDichterfürsten Goethe und Schiller in den 
16) spre. Re⸗uß 
Straßen Alt.Weimars boten. (Hergl. Diezmann, Goethe und die 
ustige Seit in Weimar, Seite 19.) 
Es ist gewiß nicht ohne Reiz, einmal den Frühling auf der 
Scholle mit dem Fruhling im Städtchen oder am Berghang zu 
ergleichen. Wie eigenartig und grundverschieden ist er je nach 
er Grtiichkeit in seiner Wirkung, die unsere SBilder dartun. Und 
doch ist es überall derselbe braftvoll treibende, Leben schaffende 
Heimaffrühling. K. 
Die Sammlung 
der hessijchen Hausinschrijten. 
VDon Kaerl von Baumbach, Fronhausen. 
Seit Studienrat Bender in den Heimatblättern „Lolk und 
ʒcholle“ (Jahrgang 1928, Nr⸗· 5) ũber den Plan einer umfassenden 
zammung aller hessischen Hausinschriften berichtete, hat diese 
chon gute Fortschritte gemacht. Der Kreis Marburg, welchen ja 
chon Sender und Freund (1801) grũndlich durchforscht haben, bann 
etzt als abgeschlossen gelten; dasselbe ist der Fall mit den Kreijen 
caͤßel und Melsungen auf Grund der Sammlungen des Lehrers 
dippel in Cassel und der (noch nicht veröffentlichten) Sammlung 
es verstorbenen Oberstaatsanwalts v. Wille, zuletzt in Nord- 
ausen, eines treuen Hessen, der jein Heimatland breuz und quer 
urchwandert und allerlei, nicht nur Haussprũche, gesammelt hat. 
Abgeschlohsen sind auch die Kreise Hofgeismar, Gelnhausen, 
Kotenburg, Hünfeld, Eschwege, Schlüchtern und Homberg a. E., 
adenen“ die Landrafsamter teils durch VODermittlung der 
„chulen und Bürgermeister, teüis (Homberg) durch die Land- 
iger in danbenswertester Weise die Sammlung betrieben 
ind gesördert haben. Besonders für den Kreis Hofgeismar, 
efsen Häuser sächsischer Bauart fast durchweg Inschriften in Holz 
eschnitzt tragen, ergab sich ein Stoff von ungeahnter Fülle; wert—- 
oll auch deshalb, weil vielfach eine Nachbildung der Schrijtart, 
elbst mit den dabei befindlichen Zieraten, beigegeben wurde. 
Andere Landratsämter haben sich ebenfalls der Sache angenommen, 
d daß weitere gute Fortschritte erwartet werden bkönnen. Selbst- 
erständlich ist alle Siteratur, in Kalendern, Heimatblättern und 
— —— Die Sammlung be— 
hrankt sich zwar noch auf das ehemalige Kurhessen und das 
—0—— Sammlung von Curtze aus 
811 schon vollständig erfaßt — bedarf auch noch wosentlicher 
krgänzungen aus den Kreisen Hanau, Gelnhausen, Schlüũchteen, 
ßeesfeld und Fulda, gewähet aber jetzt schon einen guten 
Werblick und beingt in der Fülle ihres Stoffes schon oft ganz 
berraschende Ergebnisse. Es läßt sich nicht nur verfolgen, wie 
nanche ũber ganz Deutschland verbreiteten Sprũche auch in 
dessen vorkommen, sondern es lassen sich auch einzelne Gebiete 
eststellen, in denen gewisse Sprũche fast ausschließlich, mit geringem 
Streu“ VDorbommen außerhalb, sich finden. Es sind gewissermaßen 
17) Isisld. 383/ 1914
	        
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