jeit ich ein Mann bin, wäre ich ein grundreicher Mann. Ich
arbeite jetzt noch wie vorher; den Herbst beim Dreschen muß
ich noch immer den Ausschlag geben.
Liebe Tochter Katarina Elisabeth, daß es dort bei Euch so
ein gelinder Winter gewesen ist, so ist er bei uns auch gewesen.
Ich habe diesen ganzen Winter wegen dem Futtermangel Deines
SBruders Schafe gehütet an der Eijenbahn, nicht einen Tag bin
ich zu Hause geblieben, ausgenommen die zwei Tage, da wir
geschlachtet haben. und so haben sie ihn beine Furage gebostet.
Swar habe ich mir manchen balten Fuß geholt; denn es lag
doch auch manchmal so dünner Schnee und Keif. Und dabei
sprangen sie links und rechts, das war ein Anzeichen, daß sie
beine Not litten. In Ameriba wollte ich eine Herde von mehreren
Hundert haben. Liebe Tochter, Du schreibst, ob die Kartoffeln
noch so schlecht seien als früher; sie sind mit Anterschied, viel
besser, zwar gibt es noch kranke darunter. Es bommt auf die
Art Kartoffeln und auf das Land an. Wir haben 140 Säcke
gezogen, worunter auch noch etwas branke waren. Das Weizen⸗
jstroh war so burz, wie wir sonst den langen Flachs hatten, und
wenig Heu hat es gegeben wegen der langen Trockenheit.
Aber um die Kermesse stellte sich so ein harter Frost ein, und
burz darauf schneite es, und die Schafe bamen nach Hause, und
wir hatten ˖ unjere Dickwurzeln noch nicht alle nach Hause, und sie
hatten viel vom Frost gelitten, und kein Streuzeug hatten wir auch
noch nicht. Darnach ging der Schnee wieder weg, da habe ich
noch fünf Fuder Streuzeug gemacht bei alle den burzen Tagen,
bei der Druselhecke über Empfershausen, und das habe ich allein
gemacht, da bönnt Ihr denben, daß ich gewiß noch arbeite
Seit dem 30. August bin ich nun in meinem 65. Jahre, von
Gottes Gnaden bin ich, der ich bin, und dabei frisch und gesund.
And Du schreibst von den langen Wintertagen wegen dem
Schreiben, ich bin noch nicht den Sonntag zu Hause gewesen
wegen dem Schafehüten. Und nun bomme ich auf den Gedanken
wegen der Kirchenzeitung; es hat uns große Freude verursacht,
daß Ihr Euch doch noch um Gott und sein Wort bebümmert.
Bleibt auf diesem Wege und laßt Euch nicht von den Irrgeistern
jereführen, die doch jetzt so viel auf der Welt herumschwadronieren.
Habt immer Gott vor Augen und im Herzen ...
Schließlich noch folgendes, daß sich ein starker Krieg ent⸗
wickeln bann mit Deuischland gegen Franbreich und Ilalien.
Die Kriegsrũstungen sind jchon getroffen, alles ist einberufen....
Ja, Oesterreicher und Franzosen haben schon im Gefecht gestanden
im Königreich Sardinien. Man hat es in der Seitung gelesen.
Voch mehr wollte ich Euch wohl schreiben von diesem Kapitel,
aber Ihr werdet es ja wohl in den Seitungen besser lesen, als
ich es Euch auseinandersetzen bann.
Wollte Gott, unser Schreiben träfe Euch bei so guter
Besundheit an, wie es uns veelassen hat.
Beherziget dieses mein Schreiben. Vielleicht bann ich Euch
nicht mehr schreiben. Die Augen sind doch schon dunkel; es ist
auch gar nicht schön geworden; denn die Hände sind mir so steiß
geworden von der schweren Arbeit; zwar ohne Brill habe ich
2s noch geschrieben. And wenn ich so an die Abschiedsstunden
denbe, um Euch hier in dieser Weit nicht mehr wiederzusehen,
da schauete ich hinter dem Suge her so lange, bis Euch die Ferne
verschlang. Ja, so jedesmal tauen meine Augen mit Tränen.
Und nun, meine geliebten Kinder, lebet wohl! Lebet so,
daß Ihr Friede mit Gott behaltet!
Ich bin und bleibe Euer getreuer Dater
Heinrich Arend.
Fertig gejchrieben am Tage der Himmelfahrt Jesu Christi.“
Diesem Brief ist von der Hand des Enbels erläuternd hinzu⸗
gefügt, daß der Großvater sein Schreiben nicht abgeschickt habe.
Das fehlende Datum läßt sich, wenigstens auf das Jahr, errechnen.
der Schreiber ist am 30. 8. 1794 geboren. Er hat den Brief in
einem 65. Lebensjahre geschrieben, also nach dem 80. August 1858,
ind wie weiter aus seinen Mitteilungen hervorgeht, im Winter
858/59, um ihn Himmelfahrt 1859 zu beschließen.
In diesem Briefe tritt uns ein schlichter, fleißiger und nach-
enkblicher hessijscher Bauersmann entgegen, bibelfest und belesen,
in ganz andrer Mensch als Herr Franz Lahmeyer in Baltimore.
diese zwei Stimmen sind mit voller Absicht nebeneinander gestellt:
ier die Stimme der Heimat, die in die Neue Welt ergeht, dort
ie Stimme der Fremde, die gerne die Heimat betören möchte.
Vo das Echte, Tüchtige und Wahre steckt, das zu entscheiden wird
cht schwer sein.
Udenborn, ein alter Kultort.
VDon Amtsgerichtsrat Kabe in Borken, Bez., Cassel.
In unseren Ortsnamen findet man häufig noch einen Anklang
in den alten chattischen Götterglauben. Insbesondere ist es der
ßõttervater Wodan, der in solchen Ortsbezeichnungen forflebt.
5o ist der belannteste derartige Ort Gudensberg mit dem Odenberg,
essen Namen unzweifelhaft mit Wodan zusammenhängt. Noch im
Nittelalter heißt die Stadt Wudenesberg.
Auch das Dorf Udenborn darf den Anspruch machen, seinen
samen von einem dem Wodan geheiligten Born herzuleiten.
Ddie am Abhang des Berges ganz in der Nähe des Ortes ent-
pringende Quelle erscheint durchaus geeignet zu einer Kultstätte,
nsbesondere, da man von hier aus den Mittelpunkt des alten
hattischen Landes, Gudensberg mit Metze und der Altenburg,
sor sich liegen sieht.
Mit der Einführung des Christentums wandelten sich unter
em Einflusse der Priester die alten Götter zu Spulbgestalten um.
Man kbann aus solchen Sagen, die man sich im Volbe erzählt,
Küchschlüsse machen auf die einstige Bedeutung solcher geheiligten
Stätten. Wodan wird in der christlichen Seit zum wilden Jäger,
er namentlich im Winter mit seinem Heere die Lüfte durchbraust
ind ab und zu sich den Menschen zeigt. Diese Sage ist auch der
ßegend von Udenborn eigen.
So erzählt Hermann von Pfister, Sagen und Aberglauben
ruus Hessen und Nassau, Seite 109, folgendes:
Jagender Spub.
Jahres 1651 kLam des Rentmeisters von Borben Landknecht,
Johann, zubenannt der Räühling, des Weges von Cassel zurück,
pohin er seinem Herrn etliche Kechnungen getragen. Da er hinter
fritzlar in die Hecke neben die Kalbsburg bommt, hört er Je—
nanden jagen und ins Horn blajen, auch viele Hunde bellen und
hm näher bommen.
Johann, der zu Fritzlar einen guten Rausch getrunben, schreitet
em Jäger nach; und alsobalde streichet ein gewaltiger starker
dirsch mit etlichen Hunden vor ihm her. Darauf Lömmt ein Mann,
n ledernem Wambejse, mit einer Ackes, den jener für einen Simmer⸗
nann aus Borben ansiehet. Da er ihn nun anredet, hat der doch
Johannen beine Rede gestanden, sondern ist eilends vorũber⸗
jegangen. Da kömmt ein Jäger, dem Landknechte unbebannt,
iuf diesen zu, greifet mit einer Hand, so balt wie Eis, dem Rühling
on der Stirne durch den Bart herab, sodaß der schwer erschrocken
chnellen Ganges nach Borben läuft; der er sich dann alsogleich,
veil es schon spät nachts geworden, zu Bette leget.
Am Morgen aber sah jedermann, wie die Jägersfinger ũbers
janze Gesichte rote Striche gegriffen hatten; und wo die Finger
urch den Bart gegangen, war es glatt und nicht ein Härlein zu
chauen; ist auch keines wieder daselbst gewachsen. Der Rühling
iber war ein recht Weltkind, so nach niemanden frug; und starb
iber etliche Jahre danach.
v⸗ 4 9⸗
Dom Büchertische der Heimat.
Um den Heimathof. Novelle von Paul Berglar⸗Schröer.
1926. Verlag Am Kamin,“ Varel i. G.
Wenn der Autor dieser Erzählung sein Werb bescheidentlich
als Novelle bezeichnet, so unterschäht er seine eigene Arbeit, die
inhaltlich und mithin ihrer gangen Anlage nach der Form' des
Komans zugewandt ist. Daß sie dieser Wendung jfeibst Grenzen
gesetzt hat, gereicht ihr freilich zum Vorteil, denn auf die Weise
Lommt das Geschehen der nun unvermeidlichen Konzentration
zufolge mit besonderer Kraft zum NRusdruck. Es handelt sich dabei
um den Kampf zwischen der landfressenden Montan Indusirie und
dem bodenstandigen Sauerntum, das zum Teil der Lockung des
Boldes unlerliege zum Teil schärfsten Widerstand leistet. Neben
ziejem zeitlichen und allgemeinen Problem, das in knappen, aber
inprägsamen Bildern sich entrollt, wird, zumal im Schichsal des
ßeneraldirettors, das überzeitliche und besondere Problem des
nnenmenschlichen Bejsessenseins durch wirtschaftliche Herrschafts—
elũste, durch den Rausch der Arbeifsmacht, behandelt, das aller—
ings gerade für die Gegenwart höchst charabteristisch ist. Die
iebe, die sich zwischen der Tochter des Industriekapitäns und dem
eeiheitsstolzen Bauernfũhrer anspinnt, auf der einen, und das
krlebnis eines großstädtischen Aufruhrs auf der anderen Seite,
icht zuleßzt aber auch die — vorübergehende — Trennung von
einer sich vernachläjsigt fühlenden Frau bringen den Starrsinn des
zechenbesißers zur Auflõsung, jodaß ein alle Teile befriedigender