Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

In Freuden bönnt ihr es bezwecken, 
Keicht eu'er Vermögen nur so weit, 
So laßt die Reise euch nicht schrecken 
Und seßzet sie in Tätigkeit, 
50 werdet ihr nach langer Pein 
Doch bei uns wieder glücklich sein. 
Ja, hier in dem gelobten Lande 
Vird unser Glück durch nichts gestört. 
dier wird der Mensch von jedem Stande 
Als wahrer Bruder hoch geehrt. 
dier tanzt die Bürgermeisterin 
Selbst nebst der Bejsenbinderin. 
Hier ist der Mensch an nichts gebunden, 
Vas er erwirbt, gehört auch sein. 
Die Steuer ist noch nicht erfunden, 
Die uns das Leben macht zur Pein. 
Ver hier nur wirbt, der hat sein Brot 
Und fühlet nicht des Lebens Not. 
W wir erbennen beinen Fürsten, 
er uns bis zur Verzweiflung ˖prellt, 
Auch nicht die Gönner, die da dẽresten 
Nach eurem Gut und eurem Geld, 
Auch sind von Pfapjen-Settelei 
vir im gelobten Lande frei. 
Doch hier in dem gelobten Lande, 
Da wird der Adel ganz veracht't. 
hier ũübt der Mensch von jedem Stande 
Die freie Fischerei und Jagd, 
Und jelbst der stolze Herr Baron 
Hilt nichts mehr als der Bauernsohn. 
O Deutschland, du bist zu beblagen, 
Du hast in Dummheit angestellt 
Seaunte, die dich immer plagen 
Mit dem verdammten Brückengeld, 
Bei dem ist schon der Auditor 
Fin Sieger mit in ihrem Chor. 
Ihr mũßt euch in Europa bücken 
Oor jedem, der ein Amtchen hat, 
Der aber tut den Hut nicht rũcken, 
Veil oft ein alter Stadtsoldat 
zum Landdragoner sich erhebt, 
Oor dem das ganze Kirchspiel bebt. 
Accise braucht man nicht zu zahlen, 
Das heißt bei uns nur Prellerei. 
Vir durfen schlachten oder mahlen, 
Hier steht ein'm jeden alles frei. 
Auch gelten Leine Steuern hier 
Auf Salz, Wein, Branntewein und Bier 
Doch bleibt nur da, ihr Galgenstricke! 
Halunken seid ihr durch die Bank; 
Ddenn ihr gewinnt durch eure Tücke 
Bei uns nur Beelzebub Gestank, 
Und euer letzter Lebensrest 
Sei gelbes Fieber und die Pest! 
Euch aber, euch ihr deutschen Brũder. 
Euch rat ich, folget ihr mir nach, 
Und leget auch die Fesseln nieder, 
Die ich zu meinem Glück zerbrach, 
Und kommt dann übers weite Meer 
Zu mir ins Paradies hierher! 
Ich will euch, Brũder, nicht verleĩter 
Zum Aufruhr, nein, bei Leibe nicht. 
Könnt ihr die Kosten nur bejstreiten, 
—AXI 
Daß man bei Rebellion verliert, 
Das hat auch Hessenland gespürt. 
—X 
werk mit dem Siltat: Finis coronat Opus (Das Werk brönt den 
Meister), ohne zu bedenken, daß auch närrisches Werbk seinen 
Urheber brönt, allerdings mit einer Narrenkappe. 
Kann uns diese Überhebung über die alte Heimat nicht gerade 
erfreuen, jo wird das umjomehr der folgende Brief tun, aus dem 
wir erbennen, wie oft von wohlmeinenden deutschen Dätern und 
Müttern noch Rat, Trost und Hilfe über das Meer zu ihren 
Kindern gingen, die nicht so in der Wolle saßen wie Heerr Franz 
Zahmeher. Heinerich Arend, der uns durch seine Abschrift den 
⸗ 
Lobgesang auf das amerikanische Paradies überlieferte, ist der 
dersaßser des Briefes, der an seine beiden Töchter und Schwieger- 
õhne in Ameriba gerichtet, aus unbebannten Gründen aber nicht 
ortgeschickt worden ist. Eingang und Schluß des Briefes beweijen, 
daß der fromme Schreiber kaum einen anderen Briefsteller kannte 
us die Paulinischen Briefe; der christliche Friedensgruß in biblijcher 
Wendung fehlt weder am Anfang noch am Ende. Der sehr aus- 
jührliche Srief mag hier gebürzt folgen. 
„Körle am ... 
Vielgeliebte Töchter und Schwiegersöhne! 
Friede, Friede sei mit Euch, so sprach der große Meister, 
unser lieber Heiland, wie er zu seinen geliebten Jüngern so 
unvermutet eintrat, und so kLomme ich auch jetzt als liebevoller 
Vater zu Euch, meinen geliebten Kindern .. 
Liebe Tochter Katarina Elijabeth, Deinen Brief erhielten 
wir am 18. April. Es hat uns sehr leid getan, absonderlich mir, 
Deinem VDater ... Ach, wäre ich bei Euch, es sollte doch beĩ 
weitem besser um Euch stehen, aber Ihr müßtet mir hören. 
Denn, wo Ihr jetzt seid, da käte ich nicht bleiben; denn da ist es 
noch schlechter als hier in Hessen-Cassel. Es gibt jg noch bessere 
Segenden in Amerika, wo es noch mangelt an Menschenbraft, 
wo Ihr angenehmer seid als bei Newyorb, wo sich alles nieder- 
seht. Ihr mußtet nicht auf dem halben Wege stehen bleiben. 
Da könnte man wohl das Sprichwort anwenden: Du bist zu 
Kom gewoesen und hast den Papfi nicht gesehen. Ich rate Euch, 
daß es besser wäre, wenn Ihr Euch selbst ein bleines Landgut 
laufen oder pachten tätet; das wäre doch viel vorteilhafter als in 
dem Stande, darin Ihr Euch jetzt befindet. So bald Ihr nun 
Mittel dazu habt, so folget mir, sonst würde es mich reuen, daß 
ich Euch Erlaubnis gegeben habe, nach Amerika zu wandern. 
Nur von Dir, Katarina Elisabeth, bonnt ich's in der burzen 
Zeit noch nicht verlangen, weil Du in der englischen Sprache 
sertig werden bannst, aber hingegen Deine Schwester Helena 
hatte erst die Gelegenheit, weil sie die Sprache leichter gelernt 
hat, wie wir aus jseinem“) Schreiben gesehen haben. Aber sie 
hat es nicht angewandt; denn bei Newyork, wo der, Luxus so 
sehr betrieben wird, da Lann man nichts vor sich bringen ... 
Meine Hoffnung und Sehnsucht stand immer zu Deiner Schwoester 
Helena, weil ich mich mit ihr verabredet hatte, wie ich ihr so 
manchen Wink im Brief gegeben habe; aber sein“) Herz hat nicht 
ür mich geschlagen, und nun scheint es, als ob sie unser gänzlich 
bergessen wollte. Ich will Bir auch schreiben, warum Du so 
lange warten mußt auf Antwort. Weil Du doch gemeldet hast, 
Deiner Schwester wäre ihr Töchterchen gestorben, woran wir 
eũhrenden Anieil nahmen, und sie würde in der Kürze schreiben, 
— 
bergebens gewartet. Ach, liebe Tochter Katarind Elisabeth, Du 
berstehst ja doch die Bauersarbeit. Wenn Deine Schwoster 
Helena nicht mit will, erkundige Dich da, wo Dein Detter 
Heinrich Wenzel sich aufhält; der ist ja doch auch von Deiner 
Freundschaft. Wie er den letzten Brief geschrieben hat, da hat 
er es so grausam gerũhmt und verlangt nie wieder nach Deutsch- 
sand, betreibt auch den Ackerbau. Da könnte es für, Dich und 
Deinen Mann auch wohl besser sein. Du mußt aber erst schreiben 
an ihn. Von Engeihard Dippel ist auch ein Brief auf die Ostern 
angeommen. So wie er geschrieben hat, ist er willens, nach 
dem Heinrich Wenzel zu reisen. Da könnt Ihr doch jelbst Eure 
Lebensmittel ziehen. Hört, liebe Töchter und Schwiegersöhne. 
vas ein gemůuͤtlicher Dichter jagt: 
Hier, Freunde, laßt uns Hütten bauen im Kreise der Natur! 
Auf dieser ländlich schönen Auen wirkt reine Freude nur. 
Man lebt doch froher auf dem Lande als im Gewühl der, Stadt. 
Vo jselbjt der Mann im Ordensbande doch seine Plage hat. 
Dort gibt es, Freuden zu vergiften, Despoten groß und bklein. 
Hier haucht man mit den freien Luften Gefühl der Freiheit ein. 
Vas auf dem Lande wohnt, soll leben! Es lebe die Natur! 
Sie gibt uns Korn und Kraut und Reben und gab uns diese Flur. 
Und nun, was ich da geschrieben habe, das prüft und nehmt 
das Seste raus. Auch schreibt St. Paulus; Prüfet alles und 
das Sejste behaltetl Meinen jeligen Dater hörte ich manchmal 
sjagen, wenn man alles mit der Hand verdienen sollte, das fiele 
zu schwer. Ihr habt doch wohl von mir manchmal gehört, wie 
ch alles durcheinander geschmissen habe. Wären nur ich und 
fuer Großvater von der Seit an, da ich arbeiten bonnte, in 
Amerika gewesen, ja, jetzt wollte ich ein Millionär sein, das 
önnt Ihr sicherlich glauben; denn das hat der Weidlings 
Heinrich geschrieben und hat mich lassen grüßen; so wie ich in 
der Arbeit wäre, wenn ich so lange in Amerika wäre gewesen. 
des Schwiegersohnes
	        
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