Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Henner Schũßler geriff nach dem spitzen Horn, das da neben 
ihm aäͤustauchte, aber da war es schon zu spät, da stak es ihm schon 
handlang in Leib, und er hatte da einen entsehßlichen Schmerz, 
dann sank er um. 
VDer rasende Bulle rannte um die Huteciche, schoß nochmals 
heran, riß mit den Hornspitzen den Hirten hoch und drückte ihm 
die Seele aus dem Leibe, zertrampelte ihn, riß zwei Kühen die 
Eingeweide heraus und schoß in der Herde hin und her, wũtend, 
blutgierig. Der Grimmüller schoß ihn tot, weil er nicht mehr zu 
hãndĩgen war. 
h De Mahlbnechte nahmen den toten Hirten auf und trugen 
ihn fort. 
And um den toten Hirten jubilierte der Frühling“). 
Im Eppenhain— 
Wo die Straße von Seigertshaujen nach Schwarzenborn am 
Eppenhain bergauf führt, wanderte im Mondenschein einer linden 
Maiennacht ein junger Mann aus Schwarzenborn. Er gedachte, 
kurz nach Mitternacht daheim zu sein. Da jah er in den Eppen⸗ 
hainer Wiesen ein großes „Klengetuch“ ausgebreitet, darauf lag 
Meizen, der sollte getrocknet werden. Eine schneeweiß gebleidete 
Jungfrau, einen Rechen in den Händen, wendete den goldgelben 
Veñßen. Sie winbte den Jüngling heran und machte ihm begreif. 
lich er möge sich eine Gabe nehmen. Der folgte und füllte sich 
die Taschen und den Ranzen. Dann setzte er seine Reise fort 
Als er am Wildsberg bergauf schritt, wurde der Weizen in seinen 
Taschen und in seinem Ranzen immer schwerer. Fast —XEXC 
er die Last von sich und bam dann nach Hause. Am andern 
Morgen erzählte er seinen Eltern das Erlebnis der Nacht; zum 
Seweis griff er in die Taschen, ihnen die vielleicht darin zurũck · 
gebliebenen Weizenkörner zu zeigen. Wie lief's ihm aber über 
den KRucken, als er beine Körner, wohl aber einige Goldstũcke 
fand. Niemals wieder hat er die Jungfrau im Eppenhain erblickt, 
obwohl er noch viele Nächte dorthin gegangen ist. 
Seit jener Seit hieß es in Schwarzenborn und in seiner 
nächsten Umgegend: „Im Eppenhain ist's nicht geheuer, dort spubt's.“ 
Var da ein Mann aus Seigertshausen in Schwarzenborn gewesen 
und erst spät abends aus dem Staͤdtchen fortgegangen. Als er 
in die Gegend kam, wo die „Ochsenwiesen“ neben dem Eppenhain 
liegen, dachte er: deine Pfeife ist ausgegangen, willjt dir eine 
neue stopfen und anzünden. Dies zu besorgen, ging er neben eine 
windstille Hecke an der Straße. Indem höͤrt er einen Wagen 
„geruͤmpelt“ Lommen. Jetzt flammt das Streichhölzchen auf, in dem⸗ 
Aben Augenblicke vernimint er die Anterhaitung der Fuhrleute: 
Du. Hannes, hast du's gesahn? Spann us!“ And das taten die 
heiden dann sjofort, üeßen den Wagen stehen, warfen sich auf die 
beiden Pferde und sausten im Galopp davon. Schw. 
Handwerkersprüche aus Hossen⸗ 
Schneider: Keiches Kleid 
Ist oft gefũttert mit Herzeleid. 
Schuhmacher: Ich harr' des Glũcks und laß Gott walten, 
Mach neue Schuhe und flick' die alten. 
Schlosser: Wenn an jedes lose Maul 
Ein Schloß gelegt mũßt werden, 
Dann wär die edle Schlosserkunst 
Die erste Kunst auf Erden. 
Schornsteinfeger: Kauch und Husten, Lieb' und Sorgen 
Halten sich nicht lang verborgen. 
Schreiner: Was prahlst du stolz und dũnkst dich reich? 
Das Sichickjal hobelt alle gleich. 
Glaßser: Vorm Hagel schũßz Gott Korn und Wein; 
Meinthaͤlb schlag er die Fenster ein. 
Dreechsler: Du mußt nicht alles zu Bolzen drehen, 
Sisweiien auch durch die Finger sehn! 
Metzger: Der Ochs hat Fleisch und Bein 
Und braucht sie beid' zum Laufen; 
Darum bhann ich das Fleisch 
Ohn' Knochen nicht verkaufen. 
Ich achte meine Hasser 
Gleich wie das Kegenwasser, 
Das durch die Rinne rinnt 
VODom Dach herab geschwind. 
Suchbinder: Viel, was man schreibt und druckt, vergeht; 
Schweinsleder und Pergament besteht. 
Stellmacher: In Sommertagen rüste den Schlitten 
Und deinen Wagen in Winters Mitten! 
BSöttcher: Je voller das Faß. 
Je linder der Klang; 
edler das Naß 
Je heller der Sang. 
Sollen die Frũchte wohl gedeih'n, 
Muß Kegen wechseln mit Sonnenschein. 
Der sũße Teig gibt noch bein Brot, 
Es ist auch Hefe dazu not. 
F. 
Schnurrpfeifereien. 
Knappe Tallje. 
In Stichelhausen ließ sich eine Frau von einer Meisterin aus 
er Stadi Maß zu eineim Kleide nehmen. Während des Maß- 
ehmens fragte sie: „Wie decke ben ech dann em de Mette?“ — 
Sechsundneunzig Sentimeter“, ist die Antwort. „Nu heren Se 
no, Se honn jo der Kinbelschen, der Nachbarschen drüben, õ en 
Zleed gemacht. Wie decke eß dann die?“ — „Die hat jünfund- 
ichtzig Talljenweite.“ „So! Dann machen Se mings gerade so 
vitt! Ech komm schon ninn.“ 
Der neumodische Schneider. 
Wo sich die Geschichte eigentlich zugetragen hat, das mag 
iebeboil verschwiegen bleiben. Wurde da eines Tages ein Krebs 
efunden, so ein recht großer, alter. Niemand bannte das seltjame 
ier. Nur ein Pfiffikus meinte: „Da braucht ihr mal zu fragen, 
as ist einer von den neumodischen Schneidern, ihr jeht's doch an 
einen zwei allmächtig großen Scheerenl“ — „Neumodischer 
zchneider? Neumodischer Schneider?“ Das klang zwar den Dorf⸗ 
etwohnern im ersten Augenblick ein wenig sonderbar. Weil aber 
emand eine andere Erblärung fand, so fiel alles dieser Meinung 
ei. Der Neumodische“ wurde auf ein Tuch gesetzt und machte 
a, rũckwãrts schreitend, wie das aller Krebse Art ist, die gewag- 
esten Kreuz· und Ouerwege. So wahr, er hinterließ jogar seine 
rackelige Spur. Das Schneiderlein des Dorfes mußte herbei, 
ↄ sollte der Spur nachschneiden. Da kbamen aber die seltsamsten 
dappen heraus, mit denen es nichts anzufangen, woßte. Alsbald 
egte sich der Volksunwille: „Was“, riefen alle, „das will ein 
eumodischer Schneider jein, ein Lump ist's, da ist doch unjer alter 
Schneider ein ganz anderer Kerll!“ Sie warfen den Krebs in 
den Dorfteich, und als es dabei einen großen Plumps gab, da 
achten sie aus vollem Halje über ihre Heldentat. Schw. 
Stãdtijche Ware. 
Der Schustermichel in Mochhausen bedauert seinem Pfarrer 
jegenüber, daß er ihm nur die alten Schuhe zum Flicken anver⸗ 
sraue, während er sich die neuen auswärts besorge. „Ja, sehen 
Sie“, sagte der Pfarrer, „wenn ich ein Paar gute neue Schuhe 
haben will, dann laß ich sie mir in der Stadt machen.“ Da meinte 
ber Michei: „So well ech's d machen. Wann ech mo ne gute 
Predigt hören well, dann geh ech d in de Stadt.“ 
Sie Lennt ihn von ihrer Taufe her. 
Der Mochhäuser Pfarrer macht einen Spaziergang. Da 
lãuft ihm ein großes, hübsches Mädel in den Weg, das er seit 
bieien Jahren nicht gesehen hat, und das ihm doch bebannt vor⸗ 
sommt.“ Er hält das Mädel an mit den Worten: „Bist du nicht 
Seckers Anna?“ — „Ja, Herr Pfarr, die bin ich.“ — „Sieh mal 
ins Und ich hab dich getauft, Anna!“ — „Kichtig, Herr Pfarr! 
Aber, ach Gott, ich häit' Sie bale net wedder erbannt!“ 
Vom Büchertische der Heimat. 
Karl Münch, Heimatbuch des Dorfes Philippstal. 
Selbjtverlag des Verfassers, Philippstal. Preis geheftet 2.8 RM. 
Die Geschichte des Kloͤsters Kreuzberg und des syäteren 
Dorfes Philippstal ist ein wohlgewachsener Sweig am Baume 
) Tatsächlich fiel um die Mitte des vorigen Jahrhunderts an der Eiche in den 
Viesen an der Geimmühle ein Hirte einem wütenden Bullen zum Opfer. 
ejsischer und deutscher Geschichte. Die Entstehung und das Wachs 
um des Dorfes bis hinein in die Gegenwart ist das getreue 
Niniaturbild der sich wandelnden Verhältnisse und Lebensbedingungen 
es deutschen Volkbes. Das NMizza Hessens“ sieht die Epochen der 
ʒeutschen und hessischen Geschichle — manchmal schon ins Idyllijche 
erklärt — sich in den Grenzen seiner Gemarkung auswirken: die
	        
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