Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

VDom Pulsschlag der Heimat. 
Bullen hoch, beißen ihn in die Flanben und zerren ihn an den 
Fußgelenken. 
Der,, dreht nur langsam den Kopf, peitscht mit dem Schwanz 
ie Flanken und stößt die Luft aus, daß der Staub um ihn wirbelt. 
Dann — ein kurzer Ruck mit dem linken Horn und Max fllegt 
eulend in die nächste Haustür. Ein Tritt mit dem Hinterfuß — 
Widu wãlzt sich zappelnd im Straßenstaub. 
Nun reckt er das wilde Haupt, die 
Augen glũhen, die Sehnen und Muobeln 
»es gewaltigen Leibes ziehen sich zu⸗ 
ammen, und mit scharfem, hohlen 
Schnauben schießt. er auf Henner 
Schũßler zZu. 
Die Weiber breischen auf, zerren 
ihre Kinder an den Händen und flüchten 
hinter die nächsten Haustüren. 
Der Hirte nimmt abermals die 
Pfeije aus dem Mund, schneller, heftiger, 
die Augen ziehen blank, die Peitjsche 
ↄfeift durch die Luft, daß die Ringe 
ind Bleiknoten in der Sonne blitzen, 
uind saust dem Bullen um das blanke 
Hehörn. 
Mit hartem Schlag fällt der schwere 
fFisenring auf seinen Nasenrücken, ein- 
nal, und noch einmal, zwischen die 
Ohren und über die gloßenden Augen 
uind dann auf die Schnauze, hart und 
latjchend. 
Der Arian steht wie lauschend, 
iauernd, und kneift die großen Augen 
zu, dieweil ihm die Knoten und Ringe 
im den Kopf schlagen und der Peitsche 
charfe Schlãge ihm in die Ohren gellen. 
Aber dann dreht er sich um und 
chaubelt mit der Herde den Weideplätzen 
hinter der Grimmũhle zu. J 
Seine großen Augen aber glühen 
ũckisch. 
Breit und flach, vom Wasser der 
Geis durchzogen, liegen die Hutewiesen 
im Geistal. Mitten daein steht ein alter, 
gewaltiger Baum — die Huteeiche. 
Kauh und rissig ihr Stamm, breit und dunkbelgrũn ihre Krone. 
„An ihren alten starben Leib gelehnt steht Henner Schũßler und 
sieht hinaus in den Sonnenglanz, der ũber den Wiesen steht, und sieht 
Hirtenschicksjal. 
Von Heinrich Allendorf, Heesfeld. 
Langsjam zieht die Herde die Untere Frauenstraße hinauf. 
Horn zwei Siegen, eine rehbraune und eine schwarzweiße in 
hastigem Getrippel, dahinter ein paar Stũücke rokgelbes Kindvieh 
n behäbigem wiegenden Gang und 
danach in buntem lebhaften Durch- 
und Nebeneinander Kühe, Kälber und 
Ziegen. 
Dahinter geht mit langen Schritten 
henner Schüßler, der Hirte, im Leinen- 
Attel, auf dem grauen Kopf den grũünen 
Strohhut, um den Leib Stricke mit 
Kingen und Ketten, unter dem Arme 
das verbeulte Horn, in der Hand die 
chwere, mit Eisenringen durchflochtene 
Neitsche. 
Kechts und links neben ihm Max 
ind Widu, seine beiden Herdhunde, ein 
veißer Spitß der eine, ein schwarzer 
HPudel der andere. 
In der Herde räbeln sich zweĩ Kinder. 
Henner Schüßler nimmt mit der Linken 
die Lurze Hängepfeife mit dem Kur— 
ürstenkopfe aus der Sahnlũcke, spuckt 
dräftig aus und wirft dann mit der 
Kechten zwei grelle Peitschenhiebe in 
den Dunst von Staub und Mücken, der 
iber der Herde steht. Dann setzt er die 
Pfeife wieder in die Zahnlücke, tut ein 
aar paffende Sũge und läßt sich den 
Rauch um die Ohren streichen. 
Aus der niedrigen Tür des Eck- 
hauses am Anteren Steingraben kritt 
der braunrote, breitgehörnte, gewaltige 
——A 
dinab, laßi die großen biutunterlaufenen 
Augen unter der zottigen Stirn herum 
gehen, zieht die Lust und die Mäücken 
zin, die ihm um das Maul spielen, und 
yustet sie wieder aus. 
Dann senkt er den Kopf, schnaubt 
aut, brummt dumpf und setzt sich in Sewegung, Schritt für Schritt 
der Herde entgegen. 
Hell und heiß brennt die Sonne, die Menschen sind müde 
Mähle bei Appenfeld 
Hofphotograph Eberth, Cassel 
Schwarzenborn 
Hofphotograph Eberth. Cassel 
und matt, nur die Bremsen und Mücken fühlen sich wohl und 
ühren die Herrschaft. Sogar Max und Widu lassen die Najen 
und die roten Sungen bis auf die Erde hängen und schleichen 
lrübselig einher. 
Dumpf und gewaltig brũllt der Bulle die Leitbuh an, schlãgt 
mit der Schwanzquaste nach dem Ungeziefer, das in seinen Weichen 
sticht, und jperri der Herde breit und drohend den Weg. 
Zenner Schüßler winkt mit der Hand. Von der einen Seite 
segt Widu. von der anderen saust Maß heran, sie springen an dem 
er Herde zu, die über den Plan weidet, den Schwalben, die wie blaue 
SBlitze in der Luft hãngen, hört dem Summen der Fliegen und Mücken 
u und läßt seine Seele klingen wie der Glocken Frühlingsgeläut. 
Den Bullen haͤtte er vergessen. Der stand hinter dem Weide⸗ 
usch, rupfte die sjaftigen Blätter ab und glotzte mit glühenden 
Augen hinüber, wo der Hiete lehnte und ũber den Frühling sann. 
Schritt für Schritt schob er sich näher heran. Fpt stand er 
janz still, schielte noch einmal tückisch hinüber, nahm dann den 
gewaltigen Kopf ganz kief, schnaubte leise und schoß vorwärts. —
	        
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