Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Ernst und eindringlich klang das Gebet in das Brausen des Waldes. 
Da horchs — was war das? Hundegebell und rufende Stimmen 
aãherten sich rasch. Und zwischen den Bäumen hervor trat ein 
stattlicher Jäger, sein Retter aus höchster Not. Der Kitter Georg 
Vilheim v. Waͤllenstein war's, der hier gejagt und des Knaben 
Sebet vernommen hatte. „Komm mit mirl“ sagte der Ritter, und 
der Knabe fsolgte ihm frohgemut auf seine Burg, wo er bleiben 
urfte. Baid erwarb er sich durch Geistesgaben, Fleiß und Wohl 
etragen des Ritters Gunst in hohem Maße. Dieser erfüllte auch 
einen Herzenswunsch und ließ ihn Pfarrer werden. Und mit 
ernstem Fleiß erreichte er das schöne, hohe Siel. 
Einmal wurde am Geburtstage des Burgherrn eine große 
Jagd veranstaltet, zu der sogar der hohe Landesfürst erschien. 
Nach der Jagd sammelten sich die Jäger nebst Gejolge auf 
ener HSöhe die des verirrten Knaben Todesangst gesehen hatte. 
Erinnerungen zogen durch die Seele des jungen Gottesgeleheten. 
Und von cinem schnellen Entschluß getrieben, trat er auf den 
Hũgel inmitten der Jagdgesellschasft und hielt ũber das Wort: 
Zeige mir, Herr, delnen Wegl“ eine ergreifende Predigt, in der 
er auch des Vanbes gegen jeinen Wohltäter nicht vergaß. Dem 
Landesherrn gefiel die Peedigt so wohl, daß er dem iungen Pfarrer 
ꝛine der besten Pfarr⸗ 
tellen seines Landes 
jab. Die Stelle aber, 
in der ein Altar aus 
KRasen und eine Kan⸗ 
zel errichtet wurden, 
eißt seitdem der Pre⸗ 
digerstuhl. Und auf 
den sechs Waldwegen, 
—X 
tiegen an schonen 
Sommertagen noch oft 
die Bewohner der um⸗ 
liegenden Dörfer her⸗ 
auf, um im grüunen 
Dom des Waldes die 
wrewige Weisheit zu 
yören, die schon auf 
den Bergen Galiläas 
eeblungen war. — 
VDom Prediger⸗ 
tuhl wenden wir uns 
auf stark abwärts 
ũhrenden Waldwegen 
nach Nordwesten und 
ehen bald auf das 
Dorf Appenfeld hin⸗ 
ab, das sich an der 
Stelle, wo die Efze 
den Hergetsbach auf- 
nimmt, ins Efzetal 
chmiegt. Es erscheint fast als Kuriosum, daß der kleine Ort 
eigentlich zweĩ Dörfer, d. h. zweĩ politische Gemeinwesen, darstellt; 
ꝛechts der Efze liegt Nieder⸗, links Oberappenfeld. Das VDorf tritt 
jchon 1250 als Appenfeld auf. Es wird dem Lobalpatriotismus 
der Appenfelder (und Schwarzenbörner) schmeicheln, zu erfahren, 
aß sie zu den glücklichen Orten gehören, in denen Ahnen Goethes 
ebten, wie den Ausführungen Willi Beils Goethes Beziehungen zu 
Hessen“ (Kasseler Post Nr. 31, 404. Jahrg.) zu entnehmen ist. Goethes 
Sroßvater, der Stadt- und Gexrichtsschuitheiß Johann Wolfgang 
Textor. hafte Anna Margaretha Lindheimer aus Wetzlar geheiratet. 
Die Ahnen ihrer vãterlichen Großmutter weisen in drei Generationen 
zach Schwarzenborn und in zwei nach Appenfeld bei Homberg i. H. 
Die Mutter der A. M. Lindheimer (aljo Goethes Argroßmutter 
nũtterlicherseits) stammte aus Marburg; ihre Vorfahren waren in 
Vetzlar, Marburg, Gießen, Cassel, Appenfeld, Schwarzenborn, 
Kirchhain, Amöneburg, Hersfeld u. a. O. ansössig. 
Talaufwärts, verdeckt vom Eschenberg und den umliegenden 
hõhen, liegt die Stadt Schwarzenborn, ehemals zur Grafschaft 
ziegenhain gehörig und heute noch im Hessenlande durch die 
zchwarzenbörner Streiche genugsam bebannt. 
Von der Hohe ũber Appenseld schweift der Slick das grũne 
deimattal hinauf und hinab. Lenzesahnung liegt in der Luft. 
dsterhoffnung keimt verborgen. Da blingt ein Auferstehungswort 
es Dichters, desjsen Ahnen in diesem Dörfchen als Bauern oder 
Valdarbeiter lebten und starben, wie aus der Tiefe vergangener 
zeiten auf und beschließt den Wandertag mit holdem Wohllaut: 
Im Tale grũnet Hoffnungsglück.“ 
Heimatsforschung. 
In den Heimat ˖Schollen 1925, Ne. 2 (Wũste Ortschaften und 
flurnamen) erwähnte ich das im Erscheinen begriffene Historische 
detslexitkon für Kurhejsen von Heinrich Keimer (Oerlag 
zẽlwert, Marburg a. Lahn). Seit Januar 1026 liegt das fertige Buch 
or, das gebunden etwa 35. — RM. kostet. Wenn es mir nachginge, 
vũrden sämtliche Bürgermeister aufgefordert, das Werk für die 
zchule anzuschaffen. So wichtig erscheint es mir. Ich habe mir die 
kleine Muͤhe gemacht, 
alle Ortsnamen — 
jelbstverstãndlich vor 
allem die der im Laufe 
des 14. und 15. Jahrh. 
eingegangenen — aus 
der Nähe meiner Hei⸗ 
mat herauszuschreiben, 
und nun sitze ich, wenn 
ich nichts anderes zu 
tun habe, vor diesen 
Notizen sowie einigen 
Moßtischblättern der 
Umgegend (in Erman- 
gelung von Flurna⸗ 
mensammlungen) und 
stelle meine Beobach⸗ 
tungen an. So liest 
man 3. B. bei Keimer, 
Seite 169: „Geudel⸗ 
bach. wũst im Amt 
Spangenberg ö. Eu⸗ 
bach. Besitz zu Goi⸗ 
delbach war 1316 
hejsijsch. Lehen der 
b. Rotenburg (Ke 
vers). Godelbach 1382 
(A. A. Heydau). Die 
— gehoörte 1540 
dem Landgrafen und 
wurde von Altmorschen 
ind Heinebach bearbeitet (Spangenb. Salbuch).“ Geudelbach erscheint 
iuf dem Meßtischbiatt 2850 (Altmorschen) als Geidelbach und zwar 
is Rame eines Sachleins, das nördlich und westlich von Heinebach 
ließt. Nordwestlich von Heinebach und dltlich Altmorschen liegt 
icht am Geidelbach eine Höhe, der Kirchberg genannt. Dagß hier 
as Dorf gleichen Namens lag — das alte Goldelbach — ist mir 
einen Augenblick zweifelhaft. Dabei möchte ich allerdings nicht 
merwãhnt iassen, daß die Festlegung eines Ortes in den seltensten 
fallen so einjach wie in dem angeführten Beijpiel ist. ⸗ 
Wer von den Lesern dieser Zeitschrift Winke für die Heimat- 
orjchung sucht, sei auf folgende Schristen aufmerksam gemacht: 
defer Ingwersen, Wie verfasse ich die Geschichte meiner 
deimat? Verlag Hirt, Breslau o22. M. Walter, Kleiner 
zuhrer jũr Heimatsorscher, Verlag J. Boltze, Karlsruhe i. Saden 
23. Arthür Hübner, Die Mundart der Heimat. Verlag Hirt, 
Breslau 1925. —X 
Stimmen der Scholle. Lieder eines Bauersmanns õ Von Heinrich Horst. 
Das erste Lerchenlied. Die schwarze Krähe. 
Noch schläft das Korn, noch träumt das Feld Ihr erstes Lied, ein Jeuhlingolied Seh' oft eine nachtschwarze Krähe; 
Im wintergrauen Duft. Im wintergrauen Duft. Und jei es die schwärzeste immer, 
Fin Sonnenhauch bũßt wach die Welt, Dann Stille ihre Kreijse zieht, Hebt sie sich in Sonnennãhe, 
Ein leijes Raunen ruft. Nur leises Kaunen ruft. Herblärt sie ein silberner Schimmer. 
Und eine erste Lerche strebt der ersten Lerche Frühlingslied, At rũhrt sich ein trũber Gedanke, 
Mit frohem Schwung empor, Seiĩ still, wie war es nur? — — Vill dir die Seele verdunbeln: 
Die Freude zag verhaltend, jchwebt jungseliges Erinnern blũht Lenb' sonnwärts sein wirres Geranbe. 
Ihr erstes Lied hervor. Und Hoffen auf der Flur. So wird es im Sichte funkbeln! 
Hofphotograph Eberth, Cassel
	        
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