Schnurrpfeifereien.
Der Knochen im Hals.
Der alte Miekt in Hagendorf hatte sich von seiner Katrillies
eine schoͤne Gerstensuppe mit ein paar Schwinneknochen drin bochen
lassen. Die Knochen hatte der Aite vorher selber gehackt.
Doch als sie nun die Suppe aßen, blieb ihm ein Knöchelchen im
Hals stecken. In großter Rot rannte er über den Berg hinüber
nach Baroldshausen zum Dobtor, der zu allem Anglũck auch noch
auswarts war und nicht so bald zurückkommen würde. Da lief er
zum Posthalter, den er gut kannie; „Du, ech honn en Knoche em
Haals. V'r Dobter eß net dirheeme. Fohr mech so schweng als
möglech noch Lollsfeld ens Kraankbehuß!“ Dem Posthaͤlter schien
die Sache nicht ungefährlich, und er fuhr los, so schnell er bonnte.
Kurz vor der Stadt jpürte der Patient ganz plötzlich eine Er—
eichterung, vielleicht insolge des rumpelnden Wagens, und er meinte
zum Fuhrmann: „Du, ech glaub', der Knoche eß nob! Nu senn
me owwer so wiet. no wonn me öch hinfahren.“
„Im nassen Eckchen“ wurde ausgespannt. Der alte Miel
estellte: „Fritz, zwee Portione Kalbebrore! One Halwes !“
Zraten und Beauntwein gingen ohne Beschwerden den Weg
»rer Bestimmung. „No noch en Schoppe!“ Dann ging er ins
egenüberliegende Krankenhaus, kLam aber gleich wieder zurũck und
himpfte los: „Der eß wohl verreckt, der do ehwe (drũben)! Ech
Al'n trochene Weck essel Wanne me sonst nijcht zo ver⸗
hriewe weiß — dann, Frih, mach du ens (uns) liwwer noch zwee
zeffsteck serächtl“ Auch die verschwinden mit größtem Appetit.
risch gestärkt machte er sich zum zweitenmal auf den Weg zum
rankenhaus, um sich nun der schwierigen Operation zu unter
ehen. „Nun lassen Sie mal sehen!“ jagte der Doktor. Der Alte
ußte den Mund aufmachen, und der Arzt wollte eingreifen.
das paßte dem Patienten aber schlecht. Schleunigst rũckte er noch
inmal aus, ließ den Arzt stehen unsß bam wieder schimpfend ins
Dirtohaus: „Der soll mech em Aermel lecken Der woell mech jo
on owe her usnahm (ausnehmen) “ Sie tranken noch ein paur
dalbe und fuhren dann seelenvergnũgt nach Hause. K.
⸗⸗ —
VDom Büchertische der Heimat.
Karl Esselborn, Hessen⸗Darmstadt. Ein Heimatbuch. Verlag
Friedrich Srandstetter, Seipzig. In Ganzleinen 6.50 RM.
In der Reihe der „Heimatbücher deutscher Landjchaften“ des
HOerlages Friedrich Sranostetter, die beide Hessen berüuͤchsichtigt,
st „Hessen⸗Darmsiadt“ joeben erschienen. Nach der Einführung des
Herausgebers soli es „in erster Linie den heutigen Sustand wider⸗
piegeln und sich mit der Vergangenheit nur insoweit befassen, als
ꝛs erforderlich ist, um die Gegenwart zu verstehen“. Es muß von
vornherein gejagt werden. daß das gelungen ist. Das Buch zeichnet
das Gesicht des darmstädtijchen Hessenlandes mit sicheren Strichen.
Dessen, Sehnsucht nach dem Vogelsberg, der Wetterau, dem
historisch so bedeutsamen Winkel zwischen KRhein und Main, dem
Odenwald oder nach der Bergstraͤße geht, der vertiefe sich zuvor
in dieses echte Heimatbuch, um den rechten Gewinn der Wanderungen
zu haben. Der erste Teil des BSuches ijst den geschichtlichen, volis⸗
virtjchaftlichen und prachlichen Selangen des Volkbsstaates Hessen
m allgemeinen gewidmet. Sodann werden in ausfũhrlichen
iterarischen, voibsaunduchen und bunstgeschitichen Seisfrãgen die
Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Kheinhessen gewüũrdigt.
Fest umgrenzte Sandschaftsbilder wie „Das Junberiand⸗, Schut
und das Schlitzerlande Das Gerauer Sande u. a. fejjeln neben
liebevoll gezeschneten Städtebildern wie „Büdingen“, Wimpfen?“
u-. a. Alle Beiträge sind gewichtig und wertvoll, vielleicht
mit Ausnahme einiger Verse, die neben den Strophen eines
Karl Ernst Knodt und eines Karl Knodt kaum bestehen kbönnen.
—R beeintrãchtigt das den Wert des Buches beinesfalls. Druck
und Ausstattung sind gut. Vas Such it zu empfehlen.
echs Romane (Ingo und Ingraban — Das Nest der Saunkönige
Die Brũder vom deutschen Hause — Marcus König — Die
beschwister — Aus einer Lbleinen Stadt) sind spannend und in
jutem Deutsch erzählt und wiegen die gesammelten „Werke“
nanch eines modernen und modernsten Gehirnakrobaten. der sich
ils Dichter ausgibt, zweimal auf. Aber die bũnstlerischen Quali⸗
ãten und den bulturhistorischen Wert der „Ahnen“, die im deutschen
zchrifttum immer einen Ehrenplatz haben werden, zu reden. hieße
zulen nach Athen tragen. Leide⸗ war bisher vielen Bũcher⸗
reunden der Wunsch nach dem Eigenbesitz des Werbes unerfülibar.
dunmehr ist durch die KReclamsche Helios⸗Ausgabe, die in zweĩ
andlichen Banden je drei RKomane enthalt, jedem Liebhaber eines
hönen und guten Buches die Anschaffung ermõöglicht. Die ge⸗
hmackvollen Ganzleinenbãnde weisen sauberen Bruck auf holz-
ꝛeiem Papier auf und gereichen jeder Büchereĩ zur Sierde. Einer
esonderen Empfehlung bedũrsen „Die Ahnen“ raum; vor ihnen
t schon mehr ais ein vielbeschrieenes modernes Buch als ephemer
langlos im Orkus versunben, wãhrend sie jelbst und die Liebe zu
znen sich von Geschlecht zu Geschlecht vererben. Ihrer gediegenen
Ausstattung und des wirklich billigen Preises wegen seien Die
Ahnen“ in der Ausgabe der Helios· Buͤcher des Verlages Reclam
iachdrũchlichst empfohlen. 8
Hesjenland. Illustrierte Monatsblätter für Heimatforschung,
dunst und Literatur. 38 Jahrgang. Heft 2: Ameln, —W
Aufenthalt F S. Bachs in Cassel im Jahre 1732 Klibansby, Dr.
krich, Sur Kritik der kurhessischen Geschichtsschreibung; Surger,
Christian. Am Lutherpiaß in Cassel; Schãfer, Dr. B. über
Jaturdenbmalpflege; Neuhaus. Wilhelm, Die Spottlust der Hessen;
deinweber, Serthold. Gasse; Mäller, Christoph, Jugenderinnerungen
ines Casselaners II; Erbach im Odenwald; ANus Heimat und
fremde.
Ooll und Scholle. Heimatblätter für beide Hessen, Nassau
ind Frankfurt am Main. I. Jahrgang, Heft 3: Köbrich, Cari,
die Säuerlinge der Wetterau; Hundt, Gerhard, Der Eisenerz⸗
ergbau im Vogelsberg; Sauer, Fritz, Von Bergbau und Serg
zuten im Niddertal; Brehm, Helene Von Wihjener und Hollentai;
zchweter, Walter, Feriedrichssegen, Ein untergegangenes Blei—
ind Silberbergwerk: Jacob, Sruno. Die niederbesische Sraunbohle.
K.
Gustav Freytag, Die Ahnen. Swei Sände in Ganzleinen
u je 5.00 Rm. Veriag von Phil. Keclam jun., Leipzig.
Der tũchtige und kerndeutsche Gustav Freytag führt uns in
iner kbulturhistorijschen Romanreihe Die Ahnen“ durch die
Hauptzeiten und auf die Hauptschauplahe der geschichtlichen Ent
vicklung unseres Volles. Boarum jollte das Werk zum eisernen
Sestand, jeder deuischen Hausbucherei gehören, die einigermaßen
Anspruch auf Bedeutung erhebt. Kein Deutscher, der es als
Jũngling begeistert gelesen, wird den tiefen Eindruch vergessen,
ind auch als WMann dird er noch gerne danach greifen. Denn die
Auf der Hoe
imafwarfe.
Ein hessischer Dichter.
Am 1. Dpril wird Karl Adolf Schimmelpfeng in
Sooden a. d. Werra v0 Jahre alt — einer von jenen Schreibenden.
deren schöpferijche Kraft und Sonderget im Verborgenen sich
entfaltet, uͤm in solcher Anversehrtheit einer vielleich reineren
Wirkbung auf die Umwelt zu harren, als denen vergönnt zu sein
oflegt, die den Kontart miß den Seitgenossen schon in der Fruhzeii
hres Schaffens finden. Schimmelpfeng darf indessen nicht jo sehr
ein verkannter als ein jpäter Dichker genannt werden Erst
nach dem Krieg und inmuten der ihm folgenden Erschũtterungen
—V Daseins hat er begomnen, niederzuschreiben, was
hn bewegte; bewupt zu formen, was vordem allenfalis unbewußt
n privaten Außerungen laut geworden sein mag. OEb nun die
gewaltigen Erlebniße des deutschen Volbes in den leßten andert.
alb Jahrzehnten den Dichter in Schimmelpfeng wachgerufen haben,
der ob es in dessen Wesensart begrũndet lag, erst nach einer ver⸗
ãltnismãßig langen Entwicklung sich kundzutun, ist schwer zu ent⸗
heiden. Sicher ist, daß der Gehalt dessen, was Schimmelpfeng
erlautbart, ebensosehr wie die Form, worin das geschieht, von
iner sehr eigen gearieten Willensrichtung, einem höchst ursprũng⸗
ichen Daseinsgefuͤhl und einer ausnehmend selbstãndigen Eriebnis
heise Seugnis geben.
K. A. Schimmelpfeng ist im wesentlichen Lyriber; aber
rine Stimmungsgedichte, die, wie die Beiträge des Dichters in
mnfrer heutigen Ausgabe darlun, teils in freien, mitunter an
Valt Whitman gemahnenden Khythmen sich aussirömen, tells in
iner Art erzahlender Prosa prachlich fixiert werden, gehen über
en herbömmlichen Begriff des Lyrischen hinaus. um mannigfaltige