dicht an der Grenze zum Rheinland, fragt man: „Biste dann
ledig?“ und meint damit: „Bist Du denn fertig mit Delner
Arbeit?“ Sei dem leßzten Beispiel fällt uns die Stelle „ledig
Aler Pflicht“ aus Schillers Glocke ein. Und vielleicht denken
Sie auch mal an die Worte des Pfarrers bei der Vorbereitung
zum Abendmahl. Ich wenigstens
habe oft die Worte gehört:
Als ordentlich berufener Diener
CLhristi spreche ich Euch Eurer
Sũnden frei, ledig und los.“ Sie
jehen, die eigentliche Bedeutung
des Worktes „ledig“ ist „frei“.
Nun bann eine Stelle „ledig“
sein, wir jagen heute „erledigt“.
Ein lediges Roß braucht nicht
ein solches zu sein, das frei um—
herlãuft, es Lann auch eins ohne
Reiter sein. Eine Frau, die ledig
vird, hat einem Kinde das Leben
geschenbt. Ein lediges Haus bann
zin freistehendes, aber auch ein
ieeres sein. Ein lediger Eimer
und eine ledige Kiste sind frei
pom Inhaͤlt, ein lediges BSlatt
ist unbeschrieben und eine ledige
Bank unbesetzt. Ledig ist nicht
aur der, welcher frei von Strafe
ist, jondern auch der, welcher frei von Schulden und anderen
Herpflichtungen ist. Und endlich ist auch ledig, wer noch
nicht die Ehebũrde auf sich geladen hat. Er ist frei von
der Weiblichkeit und frei von der Verpflichtung, für eine
Lebensgefährtin zu sorgen. — Ich denke, das sind Beispiele
genug! Nun sage ich Ihnen nur noch, daß sich in der einen
Begend die eine Schattierung (3. B. los), in der zweiten die
andere (3. B. ledig), in der dritten die von „leer“ usßw. als
die gebräuchlichste eingebürgert und festgesetzt hat. So kommt
2s, daß heute das Wort „ledig“ scheinbar so verschiedene Be—
deutungen aufzuweisen hat. Die der Umgangssprache geläufigste
ijt die von „unverheiratet“. Hieran ist wahrscheinlich vor allem
Luther schuld; aber auch bei Hans Sachs, Lejsing und Goethe
kommt dieser Gebrauch häufig vor. — Mun aber auf Wiedersehen!
Bis ein andermal! L. W.
Gänse, Gänse, Gänse .1
Wenn am Weihnachtsbaum die Lichter brennen und ein
würziger Tannenduft das Simmer durchzieht, dann pflegt beĩ uns
im lieben Hessenlande, dem Eldorado der Wulle-Gaänschen, sich
meistens noch ein leckerer Bratengeruch dazwischen zu mischen,
der aus der Küchentürspalte jehr zum Arger der tüchtigen Hausfrau
hervordringt. War es sonst nur der „Pfiffi“, der mit jeiner schwarzen
Hundeschnauze so verdächtig und genießerisch in der Luft herum-
chnupperte. wenn irgend estwas in der Pfanne brutzelte, so schnuppert
diesmal die ganze Familie im Vorgefühl des Festtags-Gänsebratens
im Simmer herum, und dem bleinen Max läuft schier das Wajsser
im Munde züsammen. Wenn dann der gebratene Vogel auf der
großen Schuͤssel, die jonst in der hintersten Ecke des Kũchen ·
schranbes wenig benutzi ihren Platz hat, dampfend dasteht, ist erst
die Festesfreude vollkommen. So gehört in Hessen und drüber
inaus im lieben Vaterlande ein Gänsebraten auf den Weihnachts⸗
tijch. Das ist eine uralte Sitte, die sich bis auf den heutigen Tag
erhalten hat, denn in der „Eserel“ ist der Mensch konservativ.
Welche Sympathie der Mensch überhaupt solch einem Gãnochen
im Topf entgegenbringt, ist erstaunlich, wenn man bedenkt, wie
man jonst auf die „lieben“ Tiere
schimpft. Nicht allein, daß so ein alter
Bänjerich die bleinen — mitunter
auch die „größeren“ — Mädchen in
die Beine zwackt und bisweilen gar
einen — Hofhund ersetzt, so stehen
die weißgefiederten Mariinsvögel
vor ihrem Kochtopftod meist aller
Welt in den Landstädtchen und in
den Dörfern im Wege herum. Be—
sonders den Nutofahrern sind die
dummen Gänse ein Greuel, und
manche hat unter dem Benzinrad
ichon ihr Leben lassen müssen.
Auch vpiele Anekdoten und
wahre Geschichten gibt es von
Hänsen zu berichten. Der Name
Martinsgans entstand, weil der hei—
lige Martin, der zum Bischof be—
timmt worden war, sich in einem
Bänjestall versteckt haben soll. Der
Sextaner lernt schon, daß durch das
Seschnatter der Gänse, die in Rom heilig waren, das Kapitol
»or UÜberfall und Vernichtung gerettet wurde. Wahr dagegen
st, daß nämlich unsere Butterfrau strahlend erzählte, ihre „Stamm.
jans“ habe das 40. Ei gelegt. Wenn die Ganse so scharenweis
n Berlin herumlaufen wũrden, wie oben in Grebenstein, wie unser
Bild zeigt, jo wäre man in der Geistesmetropole sicher schon auf
en genialen Gedanken gebommen, ein Wettlegen zu veranstalten,
pobei die Gans unserer Butterfrau sicher zur „Gänjsekönigin“ er⸗
lãrt worden wäre. Allerdings behauptete mein Freund, als wir
angst einen Kegelausflug mit Gänsebratenessen nach einem —XC
arten Dörfchen veranstalteten und heißhungrig über den Martins-
»ogel herfielen, ich habe ein Gesicht gemacht, wie eine Gans,
penns donnert,“ als ich zu meinem Entsetzen merbte, daß das
Tierchen jo zah wie, Hosenleder“ war. Ob die änderen Mitesser geist
eicher dreinschauten, soil nicht verraten werden, jedenfalls mußte ich
en ganzen Abend an die Stammgans unserer Butterfrau denken.
Doß es nebenbei bleine und große Ganschen gibt, zeigt das
ette Bildchen aus der Schwalm, das so recht die Stimmung im
däandchen der „Salatkirmes“ widerspiegelt. Man bönnte beinahe
m, Sweifel darüber sein, welches Ganschen man sich einfangen
oll. Auch in dem hessischen Maͤlerddrschen Willingshausen jcheint,
vie in der Photographie festgehalten ist, die Gãnjeschar sehr zahlreich
u jein. So lange die Kochtopfaspiranten noch leicht beschwingt
ind schnatternd herumlaufen, macht man sich wenig gus dem VDieh⸗
eug. Anders ist es dagegen, wenn die Vögel auf dem —XE
Wochenmarbt, ihrer Federn beraubt, zum Verkauf ausliegen, dann
eängen sich die Hausfrauen darum. die schönste Gans zum Fest
dem Männchen zu servieren, denn die Liebe geht bekanntlich durch
den Wagen. Man hat wohl seinerzeit geschmunzelt, ais von
»er Mũnchener Obtoberwiese bebannt wurde, daß dort 20 000
dahnchen verspeist wurden. Wieviel Gänslein werden wohl zur
Deihnachtszeit im Hesenlande in den Kochtopf wandern? — Sie
Silder sind von Hofphotograph C. Eberth, Kassel. G.