Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

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sah, gab ihm drei gewaltige Ohrfeigen und sbrach: „Meinem 
madigen Füesten darfsft du nichts nehmen, dem muß man getreu 
Lins Nun jei nur nicht bös“, sprach der Bettelmann, „ich 
abe ja noch nichts genommen.“ Darqauf gingen, sie zujammen 
ach Haus und schliefen wieder, bis der Tag anbrach; da gab der 
Soldai dem Armen erst zu esjen und zu trinken und noch etwas Geld 
dabei, sprach auch: „Wenn das all ist und du brauchst wieder, so 
somm nur getrosi zu mir; betteln sollst du nicht.“ 
Der Landgraf aber ging in sein Schloß, zog den Linnenbittel 
uus und seine fürstlichen Kleider an. Darauf ließ er den wacht 
abenden Hauptmann rufen und befahl, er solle den und den 
Spldalen — und nannte den, mit welchem er in der Nacht herum⸗ 
gegangen war — zur Wache an seine Tür beordern. „Ei,“ dachte 
er Soidat, was wird da los sein, du hast noch niemals die Wache 
Jetan; doch wenn's dein gnädiger Fürst befiehlt, ist's gut.“ Als 
r nun dastand, hieß der Landgraf ihn hereintreten und fragte 
ihn: warum er sich so schön truge, und wer ihm das Geld dazu 
Jabe? Ich und meine Frau, wir mũssen's verdienen mit Arbeiten.“ 
niworiete der Soldat und wollte weiter nichts gestehen. „Das 
xingt soviel nicht ein,“ sprach der Landgraf, „du mußt sonst was 
haben.“ Der Soldat gab aber nichts zu. Da sprach der Landgraf 
indlich: „Ich glaube gar, du gehst in meine Schatzbammer, und 
venn ich dabei bin, gibst du mir eine Ohrfeige.“ Wie das der 
Soldai hörte, erschrak er und fiel vor Schreck zur Erde hin. Der 
kandgraf aber ließ ihn von seinem Bedienten aufheben, und als 
der Soidat wieder zu sich jselber gekommen war und um gnädige 
Strase bat, so sagte der Landgraf: „Weil du nichts angerührt hast, 
as es in deiner Gewalt stand, so will ich dir alles vergeben; und 
weil ich sehe, daß du treu gegen mich bist, so will ich für dich jorgen,“ 
und gab ihm eine gute Stelle, die er versehen konnte. 
Wie der wilde Jäger aussieht. 
Den wilden Jäger jelbst hat man früher oft genug gesehen; 
o bei Zierenberg. Erst bam ein enthetzliches Toben in der Luft 
on den Gudenbergen gegen die Stadt herab, und dann jah man 
m Mondschein einen Jäger auf weißem Roß und hinter ihm her 
mehr als hundert kläffende und heulende Hunde hoch über die 
SBãume dahinfahren. Am anderen Morgen sah man den Schimmel 
des Jägers oben an den Gudenbergen bei der Goldkaule weiden; 
ein paar Männer gingen schnell hinauf, um das Tier einzujangen, 
aber als sie oben ankamen, war es spurlos verschwunden. 
Sagen aus dem Gilser Bergland. 
Aufgezeichnet von Cheistoph Opper *. 
Die Sage vom Glockenbörnchen. 
Eine Viertelstunde von Moischeid, da, wo sich die Gilja in 
charfem Bogen wendet, erhebt sich der Schloßberg mit den 
Treũmmern der Burg Schönstein. Nach drei Seiten hin hat der 
Schloßberg steilen Abfall; nur im Osten war die Burg durch 
Wall und Graben geschũützt. Eine Sugbrũcke führte auf dieser 
Seite auf einen in den Felsen gehauenen Weg, auf dem wir in 
das jũdlich gelegene Dorf Schoönau gelangen, Diesen Felsenweg 
denuhten die Keisigen, wenn sie hinauf zur Burg reiten wollten. 
An der Westseite dagegen führte ein steiler, steiniger Pfad hinab 
ins Tal der Gilsa, den Eselsweg genannt, weil ein Esel auf diesem 
Pfade die Burg mit Wasser versorgte. Im Angesichte der Burg 
ag die bleine Schloßpmũhle, deren Räder von der Gilsa getrieben 
vpurden. Unweit der Mũhle quillt im Wiejengrunde, geheimnis- 
‚oll unter dichten Erlen versteckt, ein kleines Börnchen. Am 
Kande mit einer Mauer eingefaßt, nicht allzu groß, war es doch 
o tief, daß man zehn Heubäume, aneinander binden bonnte, um 
endlich Grund zu finden. Eine bleine Steintreppe fũhrte hinab zur 
Quelle. Dieses Bornchen heißt das Glockenbörnchen. Als im 
Jahre 1484 Junber Kunzmann von, Falbenberg die Burg Schön⸗ 
Jein zerstörte, ließ er, jo erzählt dile Sage, das silberne Turm- 
zockchen der Burg in den genannten Brunnen werfen. Dieses 
Slöckchen ertönt manchmal aus der Tiefe um Witternacht durch 
das stiile Tälchen, als wollte es die zerstörte Burg betrauern. 
Mancher Wanderer, der zur Geisterstunde einsam die nahe Hrer⸗ 
sraße zog, horte erjchauernd von ferne das Glöckchen wimmern, 
ohne zu ahnen, woher die geheimnisvollen Töne Lamen. Später 
ging in der Gegend die Sage um, wer das Glöckchen habe, der 
verde durch den Besitß desselben steinreich. Doch so leicht war 
Res nicht auszuführen, Es bonnte nur in einer dunklen, stũrmischen 
Herbstnacht geschehen; auch durfte der Schatzgräber die Wünschel⸗ 
ute nicht vergesjen. Obendrein mußte alles stilljchweigend ge— 
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In dem nahen Dorfe Moischeid lebten einst drei Manner, die 
durch Geiz und Habgier berüchtigt waren. Diese beschlossen, ge⸗ 
meinsjam das Glockhen zu heben. Ihr Anführer, ein älterer 
Mann, war nicht mir im Besitze einer Wünschelrute, sondern be⸗ 
sap auch die Saͤubersormel, mit der man allein verborgene Schätze 
eben bonnte. Nachdem die drel lange beraten hatten, wurde eĩn 
7ag zur Ausführung ihres Vorhabens bestimmt. Es war an einem 
beraus stũrmischen, rauhen Herbsttage. Schon war die zehnte 
Abendstunde längst vorüber, da sah man deei dunble Gestalten den 
Veg zum Börnchen einschlagen. Es war stockdunbel; man sah 
eine Hand vor den Augen. Spärlich beleuchtete das flackernde 
zicht einer Laterne den Weg. Der Sturm tobte und bog Aste 
ind Sweige der Bäume, als wären es Gerten. Dazu strömte der 
Zegen rauschend hernieder. Den Schatzgräbern aber grauste es 
el diesem Wetter. Eben langten sie in dem engen Gilsatãalchen 
in, als die Turmuhr des nahen Dorfes Moischeid die Geisterstunde 
erlũndete. Gleich darauf ertönte auch das Horn des Nachtwächters, 
er die Stunde abblies. Schweigend nahten die deei Gesellen dem 
erhãngnisvollen Börnchen. Der Kegen hatte etwas nachgelassen, 
ur der Sturm wütete in unverminderter Stärke fort. Von der 
ahen Kuine ertönte der grelle Schrei des Steinbauzes, als die 
rei Manner am Bornchen anlangten. Nun begannen sie in aller 
zfille ihre Vorbereitungen. Als dies geschehen war, umstanden 
e den Brunnen. Ihr Fuhrer trat mit der Wünschelrute in der 
dand vor und murmelte dreimal die Sauberformel. Als er sie 
Am dritten Male gesprochen halte, hörte man ein dumpfes Rollen 
a der Tiefe des Brunnens. Die Oberfläche des Massers bewegte 
ch, das Glockchen kam zum Vorschein, und jeln heller Silberschein 
laͤnzte in den Strahlen der Laterne. Alle drei griffen danach 
ind hoben aus Leibesbrãffen. Schon hatten sie das Glockchen 
im oberen Kunde des Brunnens, schon wähnten sie sich im sichern 
Sesitz des silbernen Kleinods. Da wollte einer noch einmal brãäftig 
n die Hande spucken, um besser heben zu bönnen und sagte zum 
Nachbar: Hait festl“ In dem Augenbiscke ertönte ein jurchtbarer 
zchlag, ein Plätjchern wurde hörbar und verjchwunden war das 
Slockchen. Ansere drei Schatzgräber aber lagen betãubt auf der 
Viese. Nach einer Weile rafften sie sich wieder auf. Tiefe Finsternis 
imfing sie; denn der Träger der Laterne hatte sie im ersten Schrecken 
n den Srunnen fallen lassen. Keiner wagte, an dieser Stätte 
in Wort zu sprechen. Erst in der Nähe des Dorfes, nicht weit 
om Teiche, dffnete der Alte seinen Mund und ũberschũttete den 
dachbar mit Vorwũrfen, weil er durch sein unzeitiges Sprechen 
vpahrend des Hebens alles verdorben hatte. Dieser schwieg auch 
ucht stille, und bald lagen sich alle drei in den Haaren, sich gegen⸗ 
eitig verprũgelrd. Niemand hätte etwas von dem Vorfall ersahren, 
penn die drei sich nicht selbsi verraten hätten. Von der Seit an 
hießen sie im ganzen Dorfe „Die Schatzgräber“. 
Die Lust. das Glöckchen zu heben, war ihnen für immer ver⸗ 
jangen. Die Burgfee aber nahm das Glockchen in ihre Hut und 
erbarg es. Niemand weiß bis auf den heutigen Tag jein Versteck. 
Auch das Bornchen ist versumpft und nur noch teilwelse vorhanden, 
ie gite Schlohmñhle aber seit Jahren abgebrochen und verschwunden. 
Die weiße Dame und der Schäfer. 
Der Schaͤfer von Moischeld hũtete an einem schöͤnen Sommer⸗ 
age die Schase in der Nähe der Burg Schönstein. Er lag unter 
ner alten Eiche und dachte darũber nach, wie gut es die Leute 
iuf dem Schloßberg hatten. Als er noch so dachte, stand ploötzlich 
ine weiße Dame vor ihm, jagte freundlich: „Guten Tag“ und 
ud ihn ein, mit auf das Schloß zu gehen. Der Schaͤfer folgte 
yr, ohne sich lange zu besinnen. Als sie ũber die prächtigen 
Viesenfluren schritien, schenkͤte ihm die Dame drei gelbe Schlũsel⸗ 
lumen, die sich der Schäfer an jeinen Hut steckte. Sie stiegen 
uf die Burg. Als sie vor einem Gewöibe ankbamen, tat sich die 
üre von jelbst auf, und sie traten hinein. Hier aber waren alle 
Zeichtũmer des Schlosses aufgehäuft. Der Schaäfer bonnte sich 
icht sattsehen. Die weiße Dame forderte ihn auf, sich elwas von 
en Sachen auszusuchen. Der Schäfer wußte Laum, was er wãhlen 
ollte. Endlich griff er in eine Truhe mit Edelsteinen, wãhlte sich 
inige davon aus und steckte sie in die Tasche. Eben wollten sie 
as Gewölbe verlassen, da sprach das Fräulein: „VDergiß das 
Zeste nicht!“ Als der Schafer ins Freie frat, schloß sich die Tũre 
nit lautem Krachen. Der Schäfer eilte nach seiner Herde, fand 
e aber nirgends. Nun wollte er einmal seine Edelsteine besehen, 
and, aber nur ein paar gewöhnliche Steine in seiner Tasche. Als 
r aber zufällig an seinen Hut faßte, gewahrte er, daß die Schlühsel- 
lumen zu Gold geworden waren. Froh eilte er nun nach Hause. 
dort fand er alles so verändert, daß er sich gar nicht mehr ein 
der aus kannte. Niemand, wollte ihn Lennen; denn der Schãfer 
har steinalt geworden und hatte einen eisgrauen Bart bekbommen. 
dundert Jahre hatte ihn die weiße Dame im Burggewoölbe zu⸗ 
ũckbehalten. Alle Leute lachten, als der Schãfer immer wieder 
ach jeiner verlorenen Herde fragte. Endlich erinnerten sich die 
ltesten Dorsbewohner, von ihren Eltern gehört zu haben, daß 
amals der Schäfer samt der Schafherde spurlos verschwunden sei. 
der Schäfer aber war ein reicher Mann geworden und bonnte 
einen Lebensabend ohne Sorgen verbringen.
	        
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