Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

eimat· Schollen 
Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatkunst 
Nr.6, 1926 
Erscheinungsweise Amal monatlich. Sezugspreis 1,20 Me. im Vierteljahr. Frühere! 
Jahrgänge bönnen, soweit noch vorrätig, vom Heimatschollen-VDerlag eee, 6. Jahrgang 
Geschichten vom Keller 
VDon K. A. Schimmelpfeng 
Die folgenden bleinen ProsaDichtungen sind einem noch unver— 
ffentlichten Werb „Geschichten vom Keller“ (einem deutschen Menschen 
inserer Zeit) von Karl Adolj Schimmelpfeng entnommen, dessen 
Wesen und Schaffen an anderer Stelle unserer Blätter aus Anlaß seines 
0. Geburtstages gewũrdigt wird; aus diesem Grunde werden in unserer 
jeutigen Ausgabe auch einige Versdichtungen vom selben Verfaser ab⸗ 
gedruckt. Schreiftleitung. 
Der Keller lag in seinem Bett und sah in den Himmel. 
Da kam Gottes Hand aus den Wolkben, und eine Stimme 
prach: Du sollst schreiben, was Du denkbst und siehst. — 
Da schloß der Keller die Augen und sagte, ich weiß nicht, 
pas Du meinst. — Da sprach die Stimme: Du jsollst vom 
Leben erzählen. — Der Keller sprach: Das Leben ist mir 
zu groß, und ich fürchte mich, denn ich kann's nicht bezwingen, 
und es schlägt mir alle Knochen im Leibe entzwei, daß ich 
einen Finger heben kann. — And die Hand reckte sich, und 
die Stimme sprach: Du sollst das Leben schreiben, das ich 
Dir gab. — Da war der Keller bockig und verzagt, drehte 
ich herum und sah die Wand an. — Da kam die Hand 
wischen ihn und die Wand und wuchs und wuchs, und es war 
kein Platz mehr zum Weichen für den Keller, er wäre denn 
erstickt. Da mußte er sich drehen und wieder in den Himmel 
ehen. — Da stand die Hand wie das Gewalltigste, und die 
Stimme kam zu ihm und besetzte den Keller ganz. And er 
zitterte und hörte: Du sollst das Leben schreiben! Und er 
agte ja. Aber er war sehr bange. — UAnd die Stimme 
var hart und zart, und die Stimme war wie seines Vaters 
ind seiner Mutter Stimme. — And Gott sprach: Du hast 
»ie Kraft, und ich will Dir geben, daß Du das Leben 
shreibst, und ich will Dir helfen, wenn es Dich erdrücken 
uind erschlagen will. — Da machte der Keller die Augen 
uu und schlief ein. Und Gott sprach zu ihm im Traum: 
Dein Wejen soll wirken in allen Zeugungen, die geschehen 
non heute an in Deinem Volke. Da sprach der Keller im 
Traum: Dann führe mich, Du Hand Gottes. And er wachte 
uuf und war vergnügt. Und es war Sonnkag. 
Da ging der Keller zur Kirche. Der Pfarrer sagte zu 
hm: Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, 
ei mit Dir. Und der Keller freute sich sehr, daß er sich 
uücht um die VDernunft zu scheren hatte, und saß lange still 
n der Bank, bis der Mann mit den Schlüsseln Gottes blingelte. 
Da ging der Keller hinaus mit dem Frieden Gottes 
urch alle seine Tage. 
— 
In des Kellers Jugendtagen ließen ihn seine Eltern alle 
*sonntag zur Kirche gehen. Da drinnen war es ihm oft 
hläfrig zu Mute, und es schien ihm die Seit nutzlos ver— 
racht. Doch es waren Stunden der Stille, deren Segen 
er Keller fühlte, wenn er auch nichts davon wußte. — 
Ddenn wenn der Keller die Predigt nicht verstand oder wenn 
r sich absichtlich zuichloß, nahm er das Gesangbuch und sah 
ie Namen der Dichter an, und sein Herz ging auf die Keise 
nit der Lebensgeschichte der Dichter, die er bunt ausschmückte, 
oie er es wollte. Und wenn er las: Geboren in Sürich, 
jestorben in Kiga, dann waren glänzende Fäden gespannt 
ber das ganze deutsche Land, so daß er sah in die heimlichsten 
Täler und in die frohen Städte. Es war alles deutsche 
eben seinem träumenden Sehen offenbar. Er hörte alle 
Vasser fließen und alle Winde wehen, und die Herzen aller 
Nenschen lagen frei in seiner Hand, daß er fühlte ihres 
Verkes Gang. Da war alles Land Gottes Land und die 
Nenschen waren Gottes fröhliche Kinder. 
Und über das ganze Land hin hörte der Keller die 
dieder aus dem schwarzen Buch, und er gab den Bauern
	        
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