Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

In dem Augenblicke, als ihm Hagemann die Abschrift zu lesen 
gegeben, jei der Kreisbereiter (Landjäger) erschienen und habe 
den Brief bonfisziert. Die Folge davon war Anzeige beim Kreis- 
uimt und Vorladung vor dasselbe. 
Am 20. April führt der Polizeisergeant Kinsbh auch den 
Andreas Hagemann vor, der auf Befragen erklärt, wenige Tage 
bor dem Susammentreffen mit Reinberger und dem Landjäger sei 
er bei dem Johann Adam Schwab in der Untermühle zu Michel- 
ombach gewesen, der ihm den Brief gezeigt und auf seinen 
Wunsch eine Abschrift davon verschafft habe. Diese habe ihm bei 
der Begegnung mit Reinberger der Kreisbereiter abgenommen. 
Es wird nun auch der Johann Adam Schwab zitiert und am 
4. Juli polizeilich vernommen. Dieser berichtet, daß er durch einen 
gewissen Diez zu Rimbach bei Schlitz von dem Briefe vernommen, 
en der dortige Hosenschneider in Besitz habe; durch Diez habe er 
eine Abschrift davon erlangt, die er der Behörde hiermit vorlege. 
Hierauf ergeht von Hünfeld aus ein dienstliches Schreiben, 
„an Großherzogl. Herrn Landrat Hofmann, Wohlgeb. zu Schlitz“ 
olgenden Inhaͤlts: 
„Seit einiger Seit ziebulieren in hiesiger Gegend Abschriften eines 
angeblichen Briefes aus Brasilien, durch welche die Verleitung Leicht⸗ 
glãubiger zur Auswanderung in besagtes Land beabsichtigt werden soll. 
Durch angestellte Untersuchung hat sich ergeben, daß ein 
Hosenschneider zu Rimbach, dessen Name nicht angegeben werden 
onnte, eine Abschrift des angeblichen Briefs besitzt, von welchem 
die weiteren hier vorkommenden Abschrijten herrühren. 
Indem ich Ew. Wohlgeb. hiervon zur weiteren Maßnahme benach⸗ 
ichtige, jũge ich eine der eingegangenen Abschriften hier bei und habe 
die Ehre, mit Hochachtung unter Versicherung nachbarlicher Freund⸗ 
chaft zu unterzeichnen. Hũnfeld, J. J. 25. Maioer.“ 
Ob der Brief wieblich, wie der Beamte zu glauben scheint, 
nur eine Lockspeije für Gimpel sein soll und in der Absicht ge— 
schrieben ist, durch betrũügerische Vorspiegelungen leichtgläubige 
Menschen zur Auswanderung zu veranlassen, oder ob wir den 
ĩbertreiebenen Ausdruck ehrlicher Freude eines einfachen Menschen 
»or uns haben, den die Lust an der neuen Heimat zum Kenom⸗ 
nieren treibt, das möge der Lejer jelbst beurtellen. Aber daß ein 
olches Polizeiregiment, wie es im Vorstehenden beschrieben wird, 
oei manchem die Lust zur Auswanderung geweckt, und daß um— 
gebehrt die Freiheit von dieser Bevormundung ihm die Herrlich- 
seit der neuen Welt in einem allzu strahlenden Lichte gezeigt hat. 
wollen wir gern glauben. 
Der Brief lautet in der Schreibweise der uns vorliegenden 
Abichrift: „d. Loten Juni 1824. 
Liebe Schwäger und Geschwistern. 
Der Himmel hat uns glübklich hieher gebracht es ist alles zum 
besten wunsch hier, Wir sind alle recht gesund hier, Es eeiet mich 
gar nũcht, das ich aus Gedern und von Eirem Land bin. auf der 
See sind wir glũcklich gefahren, was uns anbelangt wegen der 
Seebrankheit, Schadet gar beinem Menschen nichts, ob ich auf der 
See fahre, oder bin in einer Stube, man muß es erstlich gewohnt 
sein, ich habe einen kamrathen gehabt aus Biedingen, derselbe 
hat mire alle möglichkeit gethan, auch das Babier albo ich Eich 
Schreibe, hat derselbe noch mitgebracht aus dem Deutschenreich, 
Wir haben gar kbeine unglicksfelle gehabt, lieb Schwäger und 
gejchwister, mein schreiben ist hier zu wenig und mein Papier zu 
blein, alles zu bemelden, hir ist mehr wein als bei Eich Wasser 
zu trünken, Von dem Land ban ich die Schönheit nicht beschreiben, 
durz melde ich, Wir sind im Himmel, auf dem Weg aus Gedern 
wvar es mir angst aber Gott hat mich gesegnet, und glücklich hir⸗ 
her gebracht. Hir ist gar kein Winter, sondern nur Sommer und 
Frũlings Tage, dile Hiße ban jeder Mann vertragen, ich und meine 
familie nehmen nicht aus Gedern dem Hern BürgenWeister 
Landmann sein Dermegen und kauschen mit ihm, bei eich wünscht 
man sich Geld, aber hier wünscht man lang zu leben, wer hir in 
diejem Himmel ist, geht nicht wieder zu Eich, liebe Schwäger und Ge⸗ 
schwister, Komt hirher in diesen Himmel, und lasset eich nicht ab⸗ 
eden, alles was von meiner Damilie ist, Jedoch hette ich meinem 
Bruder Jabob nicht schreiben sollen, dieweil er ein jeint von mir 
vahr, ich kan es aber nicht über sehen, dieweil er doch mein 
Bruder ist, liebe Geschwister, und Schwäger, benebst allen Guten 
Freunden, wir sind im Himmel, wold ihr es so gut haben, als wie 
dier, so komt zu uns, wäs anbelangt, bei dem Glauben zu bleiben, 
Wir haben hir Röfermirten, Luderaner, Kadoliken, und Juden, 
lurz von allen Keligionen Menschen, Es hat jeder Glauben seinen 
Pfarrer, als wie bei euch, ich habe ein Land angewiesen Krigt, 
welches sehr Schön ist und Guth, ich habe DViehl Pferde, Maul⸗ 
hire, Kind Vieh, Wälsche Hinner, Gänze, Enden, welches alles 
nuf dem freien selde geht, Boͤffel, Schafe, ich kan hier mit meiner 
Kraut Hacken mehr Arbeiten, als wie bel eich ein Pflug mit 
HPferden, Liebe Schwäger und Geschwister. Komt hir her in 
iesen Himmel, den ihr seit in der Helle, sobald als einer hirher 
somt, so muß er bei der RKegirung seinen Paß abgeben, und der⸗ 
elbe bekomt einen andren Paß, von dem Keußer, es ist hir ein 
Zuch, wo jeder fremde sehen kann, wo man ist und in welcher 
zegend, auf Deuzsch genand ein Scharnal, der Keußer ist sehr 
znädig und Güuütig, und bann ein bleines Kind mit ihm Reden, 
ebe Schwäger und Geschwister, ich schreibe eich weiter nichts als 
ieses, last eich nicht einreden und komt hirher, wan ihr nur zehr 
zeld habt bis nach Hamburch, hir braucht Man bein Geld, wen 
»r nur erst hir seit, dan jeit ihr Keich und Glicklich genuch, hir 
at man von allen möchlichsten Geflänhen, sie mögen heißen wie 
e wollen, Was wir unserer Kũhe geben, ist besser als was ihr 
lbst Essen thut, wir bekommen 1/2 Jahr lank den Tag?24 xv, Klein 
zie Groß. Kopf vor Kopf, von dem Keußer, der Keußer hat mehr 
zecke voll Geld, als wie bei eich Kardoffel Secke, wie ich aus 
dedern gezogen bin, habe ich von dem Juden Wolf Schimmel 
zeld erhalden, worunter 4 Goldsticker wahren und diese habe ich 
eute noch, und noch viel mehr Geld dazu, ihr bönnet es den 
hderrn Bürgermeister fragen, ob es nicht alles wahr ist, hir in 
Zrasilien hat ein jeder erhalten sopiel Kindtvih, Pferde, Maul- 
hieren, Welsche Hinner, Gänze und Enden, von jedem Fiehe ban 
iner jo viel haben als er will, bei uns ist beine Unordnung, 
o»ndern große Ortnung, meine lieben Freinde, geht hir her, ich 
zill nicht Seelich sterben, wen ein Wort in diesem Briefe nicht die 
Vahrheit ist, gebt Eier Häußer, Gũter alles dahin, was ihr davor 
ekbomt, lieber Schwager Adam Heuer, du wierst auch mit kommen, 
»as Handwerkbs Leite sind, sie megen heißen wie sie wollen, 
ennen sich jo viel verdienen, daß sie mit Geld jpielen bennen, 
omt nur hie her, ihr seid Erlöst, hir hat es jeder Mann Guth, 
iebe Freinde, bringet doch den Georg Weber auch mit, daß er 
uch einmal erlöst wird in jseinem Leben, wan er nur Geld hat 
is nach Hamburg, hat er beines, so gebt ihm so viel als er 
raucht, ich will es eich wieder geben, laßt nur beinen zurũck oder 
u Haus, bringet Frau und Kinder, alles mit. — Ich beschließe 
iermit meinen Brief und bin in der Hofnung eich bald zu sehen. 
ch und meine Frau lassen eich alle Grũßen, wie ihr hir folgt. 
- Meinen Gruß an Hern Bürger Meister aus Gedern, und 
en Ganzen vorstand. Meinen Gruß an meine und meiner 
zchwãger Geschwister und Kinder, wie eich gevbatterleit, und alle 
zuten Freinde. Johs. Schmitt aus Gedern und dessen Ehefrau.“ 
Der Stabstrompeter 
Johannes Siemon aus Singlis. 
Eine Episode aus der Seit der Befreiungskriege 1814/15. 
Mitgeteilt von Amtsgerichtsrat Raabe in Borben, Bez. Kassel. 
NMach der Mobilmachung und dem Ausmarsche des hessischen 
dorps Januar-Februar 1814 hatte diejes größtenteils die Festung 
hionville zu ege Die Blockadetruppen wurden aber öfters 
urch Streifzüge der Garnison in der westlich davon nicht weit 
elegenen Festung Longwy beunruhigt, wobei letztere nicht selten 
on bewaffneten Bauern der Umgebung begũnstigt wurden. Dies war 
uuch bei dem Überfall von Hayingen der Fall, indem ein etwa 120 
Nann starbes franzöß. Streiflommando, dem sich viele bewaffnete 
Zauern beigesellt hatten, das zum Schutze des in Hayingen befind- 
chen Lebensmittelmagazins aufgestellte bLleine Detachement in der 
ztãrke von J reitenden und 16 gelernten Fußjägern und anderen 
zoldaten des Regimentes Kurfũrst ũberfiel und gefangen nahm. 
In der Nacht vom 11. zum 18. Wärz 1814 gelangte nämllch 
emes Streifkommando, von bundigen Dorfbewohnern auf Wald⸗ 
ind Nebenwegen herangeführt, nach dem Dorfe Hayingen, und 
war zu einer Seit, wo die allnächtlich aus Hettingen, Floringen 
ind Betingen eintreffende Patrouille von d Mann zur Verstärkung 
ereits angelommen war. Nur ein kleiner Teil befand sich nicht 
n dem Orte, sondern war zum Streifendienst auf den Straßen 
egen Longwy und Metz verwendet, als das französische Kommando 
lotzlich erschien, den Posten vor Gewehr, einen Infanteristen vom 
ZJegiment Kurfürst, durch einen Schuß durch beide Hände ver— 
hundete und die gesamte übrige Mannschaft bis auf dlie reitenden 
ãäger Hold und Becker und die Patrouillenreiter gefangen nahm. 
die franzosischen Truppen beeilten sich, ihren Fang in Sicherheit 
u bringen, und hatten etwa 12 Wagen mitgebracht, auf denen 
ie Gefangenen und ein Teil des Streifkommandos, das unter 
em Befehl von 8 Offizieren stand, sofort auf der Straße nach 
ongwy abgingen. Hold hatte inzwischen heimlich jein Pferd ge— 
aftelt und war eiligst zurückgaloppiert, um die Kunde von dem 
berfall nach Hettingen zu beingen. 
Der Major Rieß vom Regiment Kurfürst entsendete auf die 
dachricht hin josort ein starkes Infanterie-· und Kavalleriekommando, 
im den Feind zu verfolgen und, wenn möglich, noch einzuholen. 
Die Spiße dieses Teupps, aus zwölf reitenden Jägern unter dem
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.