der Waffe in der Hand dazu gezwungen?“ „Das hätte er
nicht vermocht! Ich habe die beiden freiwillig zusammenge-
geben, weil ich bedachte, ich Lönne es in diesen schwierigen
und geschwinden Seiten eher vor meinem Gewissen verant—
vorten, unter Nichtachtung landgräflicher Bestimmungen ein
Paar zu bopulieren, denn solch unerfahrenes, junges Blut,
vie es das Mädchen war, mit einem Keitersmann einem
Kriegsheere folgen zu lasjen.“ Der König sah prüfend den
Pfarrer an, dann wandte er sich plötzlich an mich: „Habt
Ihr den Pfarrer mit der Waffe bedroht?“ „Ich habs zum
Schein versucht, doch ließ er sich nicht im mindesten dadurch
hestimmen.“ „Wer sind Eure Eltern, und wie seid Ihr
Soldat geworden?“ fragte der König in milderem Ton.
„Mein Dater war Pfarrer. Ich fand sein Haus in Trümmern
und ihn selbst von Kroaten ermordet, als ich das Päda—
zogium verließ. Da gab ich die Studien auf und ward
Soldat, um meinen Dater zu rächen.“ ... Seit Jahren
hatte mir nicht mehr der Jammer meiner damaligen Heim—
kehr so blar vor Augen gestanden wie jetzt. Mühsam brachte
ich die Worte heraus, seltsam heiser und fremd klang mir
meine eigene Stimme. Ich hatte den König während meiner
Worte nicht ansehen bönnen und wußte nicht, welchen Ein—
deuck sie auf ihn machten. „Was habt Ihr zu Eurer Ver—
eidigung anzuführen?“ fragte er. ‚Nichts. wenn nicht
meine Liebel“ ...
„Herr Obrist, wie würdet Ihr den Fall beurteilen, wenn
er vor einen ordentlichen Gerichtshof käme? Sagt mir dar—
über Eure Meinungl!“ Dies Wort traf mich wie ein
Donnerschlag. Ich haͤtte immer noch gehofft, der König
werde meine Sache, nachdem er sich einmal mit ihr befaßt,
elber in Güte schlichten. Und nun sprach er von Gericht! Mit
Slitzesschnelle sah ich ein Feldgericht unter freiem Himmel
bor mir, wie ich es oft erlebt: Um einen Tisch standen in
weitem Kreis die Soldaten des Lagers. Eine Gasse war
irei geblieben nach dem Selt des Obristen. Langsamen
Schrittes bamen die Richter heran, an der Spitze der Obrist
selbst als Präsident, hinter ihm die Offiziere des Regiments
als Beisitzer zwei und zwei und zum Beschluß der Sebrektär.
In derselben Ordnung nahmen sie an dem langen Tische
feierlich Plat. Der Profoß klagte mich auf Leib und Leben
an. Dann ward ich selbst gefragt, was ich zu meiner VDer—
teidigung zu sagen habe, und ich blieb stumm und wußte
doch, daß es mein Leben galt....
Die Stimme des Obristen rief mich in die Wieblichbeit
zurück. „Eure Majoestät möge mir gestattken, zuvor ein Wort
iber meine Erfahrungen mit dem Kornett Hultscher zu sagen.
Wenn der Gerichtshof seinen Spruch getan, ist es mir nach
den Gesetzen Eurer Majestät nicht mehr verstattet, für den
Kornett ein gutes Wort einzulegen ... bei VDerlust meiner
Stelle. Drum möcht ich jetzo nicht verschwiegen haben:
Der Kornett Wendelin Hultscher hat sich bis dato stets als
rin ehrliebender und tapferer Soldat gezeigt. Weit über
das Maß dessen, was man von einem Soldaten von Forkun
gemeinhin erwarten kbann, hat er allzeit Eurer Majestät
ireulich gedient, ganz unter Hintansetzung seines eigenen
Oorteils und unter stetiger Hochhaltung seiner Keiterehre,
dergestalt, daß auch die geborenen Kavaliers ein solch Der—
halten sich zum Exempel nehmen können.“ Ich errötete
über diesen Lobspruch. Der König aber unterbrach den
Obristen, doch, wie mir schien, nicht allzu heftig: „Umso
schlimmer, daß ihn jetzt auch der Geist der Gewallttätigkeit
ergriffen hat! Wie soll der Fähnrich sein und das Kecht
haben, für andere Fürbitte zu tun, der seine eigne Soldaten-
ehre nicht eein bewahren kannl... Doch kommt zu Eurem
Arfeil über sein Vergehen!“ Mir war. als hörte ich vor
em Selt ein Geräusch wie von Schritten, aber die Stimme
»es Obristen übertönte alles:
„Er hat arg gegen die Gesetze Eurer Majoestät gefehlt,
ind wenn ihn die ganze Schwere der angedrohten Strafen
rifft, dann steht es schlimm um ihn. Er hat Eurer Majestät
Ddienst durch die Verzögerung seiner Keise auf eine nach—
ijsige und träge Art verrichtet: dafür muß er auf dem
ölzernen Pferde und bei Wasser und Brot büßen. Doch
hat Schlimmeres getan. Er hat seinen gesetzlichen Paß
nißbraucht, um eigenmächtig Quartier zu machen, und hat
in unmündiges Mädchen, das ihm der VDater zur Frau ver—
veigert, mit List entführt: darauf steht nach Eurer Ver—
rdnung von Anno 26 und den Sujsätzen von 31 die Todes-
rafe. Er hat Gottes Wort verachtet, indem er eine geist-
che Persjon durch Bedrohung zu einer gottesdienstlichen
funktion zu nötigen suchte: auch dafür müßte er des Todes
terben. Doch bitte ich Eure Majestät, in Gnaden zu erwägen..“
Ein Tumult vor dem Sellt ließ den Obristen einhalten.
Die Leinwand wurde plötzlich stark erschüttert, als ob jemand
—X0
erein stürzte. .. meine Frau und warf sich dem König zu
füßen. „Gnadel“ rief sie, „Gnade!“ Sornig wollte ihr
dater sie emporreißen, aber der König hielt ihn durch eine
dandbewegung zurück. „Gnadel“ wiederholte sie, „aber
venn er sterben muß, so laßt mich mit ihm sterben! Er ist
ücht schuldiger als ich.“ „Wenn ich meine Bitten mit denen
er armen Frau vereinen dürfte ..“, sagte der Pfarrer. „Und
zohr, Ihr bittet nicht?“ fragte mich der König. „Ich bin
ereit zu erleiden, was Eure Majestät über mich beschließen
verden.“ „Was ratet Ihr?“ wandte sich der König an
en Obristen. „Wenn Eure MWajestät ihn aus königlicher
Nachtvollbommenheit ohne ordentliches Gericht zum gemeinen
Nann degradieren wollten, so wäre wohl in Ansehung der
bwaltenden Umstände der Gerechtigkeit Genüge getan,
ind Ihr verlört nicht einen tapferen Soldaten. Ich bin
ewiß, er würde sich beeilen, die Scharte wieder aus—
uwoetzen.“ „Ich weiß nicht, ob Ihr nicht allzu milde ratet,
herr Obrist, vielleicht, daß Ihr nicht recht habt, viel⸗
eicht, daß ihn ein allzu schwach gesühntes DVergehen zu
inderen reizte. Doch sei dem, wie ihm wolle. Was aber
vird aus seiner Frau, die ihrem Dater fortgelaufen ist?“
„Mit Eurem gnädigen Verlaub, Majestät, die hol ich heim!
Mir liegt nichts am Kornett, mir gehts nur darum, daß ich
nein ungeratenes Kind wieder zu Hause habe.“ Arsula
atte sich aufgerichtet und ängstlich von einem der Sprechenden
um andern gesehen. Jetzt stürzte sie sich auf mich, faßte
nich bei der Hand und rief: „Ich lasse nicht von ihm!“
kine ZSornesfalte wurde auf der Stirn des Königs sichtbar,
ann glättete sie sich wieder, und lächelnd sagte er zu dem
Obristen: „Ihr seht, Herr Obrist, Euer Kat war nicht gut.
S‘ie ist sein Weib, ich bann sie nicht aus dem Lager peit-
chen lassen. Aber soll ihr Vater allein kein Kecht erlangen?
... Mein, ich bin zu einem andern Schluß gekommen:
Vendelin Hultscher, Ihr seid nicht länger Kornett in unserm
heere. Ihr habt Euch des Vertrauens, das wir in Euch
etzten, nicht würdig erwiesen. Ich entlasse Euch. Aber
ies sei auch Eure einzige Strafe in Anbetracht Eurer be—
onderen Lebensschicksale und Eurer sonstigen guten Führung.
sch glaube, ich deute Eure Miene recht, Ihr nehmt es als
5trafe nicht gering. Doch behrt nun heim mit Eurem Weib,
ersöhnt Euch mit ihrem Dater und beginnt das Leben noch
inmal von neuem. Auch das erfordert Mut und Kraft;
nögt Ihr nicht zu schwach dazu seinl Ich weiß beinen
indern Weg, gleichzeitig Gnade walten zu lassen und niemand
inrecht zu kun“