Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

seid, wofür man Euch nach Eurem Latein wohl halten 
könnte, so wißt Ihr doch von Kirchenbräuchen so viel, daß 
ich niemanden trauen darf, er sei denn dreimal ordentlich 
problamiert worden.“ „Ach, sprecht mir doch nicht von 
solcherlei Bedenlen! Wenn ich ein Herr von Adel wäre 
oder einer von den Würklichen Geheimden Käten, so würdet 
Ihr nicht zögern, mich ohne Aufgebot zu bopulieren.“ 
„Solches steht auch ausdrücklich in der Kirchenordnung!“ 
„Ich weiß es wohl, doch habt Ihr keine Seit, den besonderen 
Fall einem hohen Konsistorio jubmissest zu unterbreiten. Auch 
sehe ich nicht ein, weshalb vor Gott ein Adliger oder 
Geheimder Kat mehr sollte sein denn ein andrer Mensch!“ 
„Ich benne Euren Namen nicht. Vergeßt nicht, daß Ihr 
ihn noch nicht genannt habt.“ „Ich habe Arsach, ihn vor⸗ 
läufig zu verschweigen.“ „So könnt Ihr wohl auch kbeine 
Seugnisse von Eurem Pfarrherrn und dem Eurer Braut 
aufweisen?“ „Die werde ich Euch später schickenl“ „Dann 
ist es ganz unmöglich, daß ich Euch willfahre.“ 
Ich wurde ungeduldig. Es bestand bein Sweifel: sobald 
der Förster Ursulas Flucht entdeckte, folgte er ihr, und 
wenn er uns hier fand, bevor wir getraut waren, so ge— 
schah es nie. „Herr Pfarrer, es tut mir leid, daß Ihr 
nicht gutwillig mir zu Gefallen sein wollt. Seht, das Ding 
da möchte Euch wohl eines Besseren belehren!“ Damit 
hielt ich ihm die Pistole vors Gesicht. Aber baltblütig 
sah er mich an. „Gestattet mir eine Fragel!“ sagte er. Ich 
jenkte die Pistole. „Was ists?“ „Hat der schwedische König 
viel solcher Soldaten, wie Ihr seid?“ Ich las den Spott 
in seinen Augen. „Ich bin der Schlechtesten einer!“ ant- 
wortete ich. „Dann will ichs loben!“ sagte er. „Wißt 
aber“, fuhr er fort, „daß Ihr mich nicht zwingen werdet. 
Ich fürchte Eure Pistole nicht!“ Ich ließ ihn meine Rat— 
losigkeit nicht merken, aber in Wirblichkeit wußte ich nicht, 
was ich nun beginnen sollte. Ich hatte ihn einschüchtern 
wollen, mehr nicht. Ich dachte nicht daran, ihn zu erschießen, 
auch hätte mir das nichts geholfen... 
Ein paar Augenblicke standen wir schweigend einander 
gegenüber und sahen uns prüfend in die Augen. Da hörte 
ich ein Geräusch. Ursula stand hinter mir. Sie grüßte den 
Pfarrer errötend, dann flüsterte sie mir ins Ohr: „Du bleibst 
so langl Will ers nicht tun?“ Der Pfarrer maß sie mit 
einem forschenden Blick. „Wie alt ist sie?“ fragte er mich. 
„Achtzehn Jahre.“ Er schien über etwas nachzudenken. 
„Kommt ein paar Schritte mit mir zur Seite. Ich habe 
etwas mit Euch zu reden.“ Ich folgte ihm. „Ihr habt 
sie ihrem Dater entführt.“ „So ists“, sagte ich, „aber nicht 
mit Gewalt!“ „Ich seh es“, antwortete er. „Schwört Ihr 
mir bei dem Andenben an Eure Mutter, daß Ihr nicht 
perheiratet seid, und daß Ihr mir Eure Papiere schicken 
woerdet, so Euch Gott das Leben läßt?“ „Ich schwöre es 
Euch!“ sagte ich und gab ihm zur Bekbräftigung die Hand. 
„Es darf nicht sein, daß das junge Blut zur Lagerdirne 
verde. Ich will sie Euch antrauen. Wenn es Aurecht ist, 
Hott wird es mir verzeihen.“ Ich teilte Ursula, die ängstlich 
arrte, frohen Herzens den Entschluß des Pfarrers mit. Er 
eilte in das Haus zurück und kbam alsbald im Mäntelchen 
und Mühlsteinkragen wieder. Mit einem großen Schlüssel 
chloß er die Kirche auf, und während wir Hand in Hand 
hm folgten, leuchtete im Osten das Worgenrot, und im 
dindenbaum sang ein Rotschwänzchen das Tagelied. ... 
Der Pfarrer redete uns vor dem Altar nicht gar freundlich 
an. Er schalt uns wie zwei ungeratene Kinder, doch tat 
er es gleich einem wohlmeinenden Dater, und als er uns 
zum Schluß den Segen gab, hatte ich Krieg und Abenteuer 
janz vergessen, und mir war fromm und weihevoll zu Mute. 
Als wir die Kirche verließen, dankte ich dem Pfarrer, 
iber ich fühlte mich gedrungen, ihm irgend etwas Liebes 
zu erweisen. Da fiel mir das Büchlein des Cardani ein: 
Dde Utilitate ex Adversis capienda, das ich beĩ mir zu kragen 
flegte. Er wollte es mir schon dankend zurückgeben, da 
hesah er es genauer. Kasch schlug er die erste Seite auf 
ind sagte mit kläglicher Stimme: „O tempora, o mores!“ 
Ich wußte nicht, wie ich das deuten sollte, und fragte ihn 
erstaunt. „Seht, ich fing schon an, eine bessere Meinung 
»on Euch zu haben, doch finde ich mich abermals betrogen. 
zhr seid wohl mehr schon in hiesiger Gegend gewesen? 
dor Jahren schon, meine ich?“ „Noch niel“ „Noch nie? 
Vie kommt Ihr dann zu diesem Buch?“ „Nun habt Ihr 
nir wahrlich Unrecht getan! Ich kbaufte es von einer 
Marbetenderin. Sie hatte es von einem Soldaten, den ich 
ücht kenne, zum Pfand erhalten. Mehr woiß ich nicht!“ 
Es war mir ein liebes Buch, eh es mir gestohlen wurde. 
Derzeiht mir, wenn ich Euch schließlich doch noch Anrecht 
at.“ „So nehmt nur Euer Eigentum wieder, und wenn 
Ihr darin lest, mögt Ihr an einen denken, der so schlimm 
ucht war, wie er Euch anfangs schien. Gehabt Euch wohl!“ 
Auch Ursula verabschiedete sich von ihm. Er erinnerte mich 
och einmal an meinen Schwur und rief mir, auf halbem 
Vege stehen bleibend, nach: „Wenn ich Euch noch einen 
ZKat darf geben, so ist es der, sobald Ihr könnt, der Fahne 
dalet zu sagen und wieder den Wissenschaften und den 
Musen zu dienen. Das steht auch einem jungen Ehemann 
iel besser an als das unordentliche Kriegerleben.“ Ich 
dankte lachend für den wohlgemeinten Kat und antworktete: 
„Ich sollte in pulvere scholastico mein Leben verbringen? 
Nimmermehr!“ — „Werfts nicht zu weit weg“, sagte er, 
„Ihr möchtets sonst weit herholen müssen!“ Und damit 
ichritt er seinem Hause zu. 
AUrsula hatte schweigend unserm Gespräch gelauscht. „Es 
väre doch so schlecht wohl nicht!“ sagte sie dann. „Wie?“ 
rief ich; „möchtest du lieber Frau Schulmeisterin oder Frau 
Heneralin sein?“ „Lieber Frau Generalin!“ antwortete sie 
achend. Da küßte ich sie und hob sie in den Sattel, und fröhlich 
eitten wir durch das Wiesental dem Walde zu. (Forfsetzung folgt.) 
A lt it 
us alter Seit. 
Die Burgen zu Gudensberg. 
Oon ODer. E. Wenzel. 
Abereinstimmend verlegen Landau, Arnold und Brunner den 
Wodansbult nicht auf den Odenberg, sondern auf den Gudensberg, 
Wodansberg, wenn auch die Sage später den Sitz dieses Gottes 
auf den Odenberg verpflanzt hat. Der Gudensberg würde mit 
dem Hauptort der Chatten Mattium, der Gerichtsstätte Metze, dem 
Versammiungsort Maden und dem Volksringwall der Altenburg 
im Susammenhang stehend zu denbken sein. 
Als dann unter dem Schutz fränkbischer Speere von dem 
fränkischen Kastell Büraberg aus Bonifatlus die Donareiche bei 
Heismar, wohl da, wo heute der Dom von Frißlar steht, fällte, 
iahm der Wodanskult auf dem Gudensberg ein Ende und der 
Oet Gudensberg verlor an Bedeutung gegenüber dem aufstrebenden 
Ort Fritzlar, der als Archidiabonat im fränkischen Hessen an erste 
ztelle trat und sogar Sitz der hessischbonradischen Grafen wurde. 
Erst als der Hessengau nach dem Aussterben der Konradiner mit 
em Tode Eberhards (f 039 bei Andernach) im Jahre 1040 eine 
ieue Grafenfamilie bekam, trat Gudensberg wieder hervor. Das 
vernerische Grafenhaus erlosch aber schon 1121, und ihre Würde 
siing auf das oberlahngauische Geschlecht der Gisonen ũber. Giso IV. 
Hereinigte den Hessengau und den Oberlahngau mit der Vogtei 
iber Hersfeld in einer Hand und nannte sich als erster Graf von
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.