Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

chon seit mindestens 4000 Jahren vor Julius Casar im heutigen 
Deutjchland einen breiten Kaum im Leben der Bewohner einnahm. 
Ackerbau hat stets Seßhaftigkeit und nicht Nomadenleben zur 
Folge. Die Seßhaftigbeit bedingt wieder, daß es schon früh 
oolitijche Susammenschlũsse gren haben muß, die nach außen 
kriegerische Schutz· und Trutzverbände“, nach innen „friedliche 
Erzeuger· und Verbrauchergenossenschaften“ darstellten. 
Daß Sontra in frũhester Seit Mittelpunbt eines solchen, Ver⸗ 
handes“ gewesen sjein muß, beweist seine „Dingestätie“. — Man 
st sich in Forscherkreisen noch nicht recht einig, welchen altgermanischen 
Namen ein solcher „Derband“ geführt hat und nach welchen Grund⸗ 
ãtzen er sich zusammensetzte. A. Hauoler vertritt in jeinem Buche 
Deutsche Derfasjungsgeschichte“ die Ansicht, daß ein joscher ODerband 
Altgermanisch ,Das Thing“ genannt wurde und eine Landesge⸗ 
neinde“ umfaßte. Wenn Hausleer recht haben sollte, dann wäre aller- 
dings die Schreibweise „Dingestätte“ durch Thingstätte“ zu ersetzen. 
Wie dem auch sein mag: Wanderer, betrete mit Ehrfurcht 
diesen Platz. Er ist der Mittelpunkt eines altgermanischen Interessen⸗ 
oerbandes gewesen, und wenn die alten Linden, die als Natur- 
denkmäler gejetzlich geschützt sind und durch Eisenbänder vor dem 
Umsinben bewahrt werden mũssen, reden kbönnten, sie wũrden dir 
gar Wunderbares berichten. 
H. Brunner jpricht im 1. Bande sjeines Werkes „Deutsche 
Kechtsgeschichte“ aus, daß die höchste Instanz im staatlichen Leben, 
der eigentliche Lebensnerv der germanischen Verfassung, .das 
Thing“ gewejen sei. Diese Oersammlung unserer germanischen 
VDom Büuchertij 
Eichblatts Deutsche Heimatbücher. Herausgegeben von 
De. Karel Plenzat und Karl Wehrhan. Hermann Eichblätt-Verlag, 
Leipzig. Preis jeder Nummer geh. o,¶0 RM., geb. 0,80 RM. 
VOon den bis jetzt vorliegenden Büũchlein dieser sehr zu emp- 
ehlenden Sammlung bringen dle ersten acht Nummern wertvolles 
Schriftgut aus Ostpreußen oder doch von deutschen Dichtern aus 
enem Lande, das als deutsche Insel inmitten der slawischen Flut 
siegt. Das sollte ein Grund mehr sein, ihnen Beachtung zu schenben. 
— Besser bonnte die Sammlung nicht eröffnet werden, als mit 
1. Agnes Miegel, Die schöne Malone. Diese Erzählung ist 
eine verhaltene, von uraltem Götterglauben durchscha uerte Ballade 
n Proja, eine bleine epische Schopfung, die nur eine wahre 
Künstlerin so groß und bezwingend gestalten bonnte. — Von dieser 
edeutendsten Dichterin Otpreußens und neben der Droste und 
der StraußToeney eine der größten deutschen Balladendichte⸗ 
einnen ũberhaupt bietet Nummer 
23. Agnes Miegel, Heimat — eine Auswahl der Balladen 
ind feingezeichneten Stimmungsbilder. Etwas ganz Kostbares! 
Dichtungen wie, Herzog Samo“ oder, Die Braut“, von den allgemein 
Auf der He 
SHeinrich Naumanns Heimathof. 
Der Aufruf zur Rettung des Heimathofes Heinrich Nau— 
nanns zu Nanzhausen (Kreis Marburg) hat den Erfolg gehabt, 
aß ein Abkbommen mit den Gläubigern getroffen und die ange— 
eßte Swangsversteigerung aufgehoben werden bonnte. So besteht 
iljo die Hoffnung. daß der Hof, der uraltes Familienbesitztum ist, 
hem Sohne des Dichters erhalten bleibt. Trotz einer aufgenom⸗ 
nenen Hypotheb bleibt noch ein Rest bestehen, zu dessen Veckung 
der Ausschuß noch einmal alle Freunde Naumanns aufruftf. Auch 
der kleinste Betrag ist willlommen, um das Hilfswerk vollbommen 
zu machen. (Betrage auf das Postscheckkonto des Deban Lehr 
n Gladenbach, Konto Ar. 10349 Frankfurt a. M.) 
Aus Marburg. 
Die Marburger KReformationsfestspiele hatten einen bedeuten⸗ 
»en Erfolg und führten einen großen Fremdenstrom zur Stadt an 
er Lahn. Nach Mitteilungen des Oberbũregermeisters Müller in 
der Stadtverordnetensitzung sollen nun alljährlich Festspiele veran⸗ 
taltet werden. Als geeigneter Festspielpiatz ist ein Teil des 
Schloßparbes gewãhlt worden, der nach Urteilen von Sachverstän⸗- 
digen eine ideale Eignung dazu besitzt. Die Spiele werden in 
tãdtijscher Regie und unter Lũnstlerischer Leitung des Universitäts 
ebtors De. Budde in den Monaten Juni und Juli stattfinden. 
Für den bommenden Sommer ist ein Elisabethspiel in Aussicht 
jenommen, wozu voraussichtlich noch „Demetrius“ von Schiller 
und ein Stück von Shabejpeare kommen. 
Aus dem hessischen Geschichtsverein. 
Den Verdiensten hesijcher Fürsten um die Entwicklung der 
vissenichaftlichen Astronomie widnmete der Hessische Geschichtover 
ein zu Kassel einen besonderen Abend. Dr. Hallo sprach über 
Urväter hieß bei den Franken „thiotmalli“, ein Wort, das in 
Kirchditmold“ bei Kassel und in „Detmold“ weiterlebt. 
„Das Thing“ fällte in allen öffentlichen Angelegenheiten die 
eßte Entscheidung. Die Nachbarschaft der briegerischen Thüringer 
at es öfters gesordert, daß hier der Beschluß gefaßt werden 
nußte, alle streitbaren Männer unter die Wasffen zu rufen. Man 
telle sich das Leben und Treiben vor, das hier geherrscht hat, 
venn dann alle Waffenträger der Umgegend hier zusammenkamen, 
ie Führer wählten und auf den Schüd erhoben. 
Auch Streitigkeiten aller Art wurden hier in letzter Instanz 
um Austrag gebracht. Mancher Sweikampf ist als Wahrheits 
eweis hier ausgefochten worden, und der wahre ‚Galgenberg“ 
vartete auf sein Opfer. 
Atemlose Stille ging durch die Versammlung, die mit tiefer 
khrfurcht den Plat umstand, wenn das weiße Roß unter dem 
Nesser des Priesters den Göttern geweiht wurde. — Fröhlicher 
festestrubel herrschte hier, wenn alljährlich unter dem seierlichen 
doesitz des Herzogs die herangewachsene Jugend wehrhaft gemacht 
hurde und dann Aufnahme jand in Heer und Volbsversammlung. 
hõrnerblãnge, Schwerttãnʒe, Kampfspiele umrahmten dieses jähr⸗ 
iche hohe Fest, zu dem die Bewohner der ganzen Umgegend hier 
usjammenbamen. Heute liegt die historische Stätte vereinsamt. 
Zras wächst ũüber dem Boden, der unsern Urvätern heilig war. 
der Seiler treibt hier sein friedliches Geschäft. In stiller Nacht 
auschen leise die Blätter der alten Linden. Sie erzählen von 
ergangenen Seiten. 
che d i 
e der Heimat. 
elannten Balladen ganz zu schweigen, fallen wie reines Saatgut in die 
mpfãngliche Seele. Die Auswahl ist sorgsam und verdienstvoll. 
4. Karl Plenzat, Plattdeutjche Tiermärchen. Ein Büchlein, 
das ob seiner drolligen Fabeleien von Isegrim, Keinecke, Henning 
ind anderem, auch zeichnerisch dargestellien Getier ein behagliches 
und besinnliches Schmunzeln zu erwecken vermag. 
7/8. Arno Holz, Phantasus. Eine Auswahl aus dem drei⸗ 
ändigen „Phantajus“, die zu dem lyrischen Lebenowerk, daran 
er aus Ostpreußen stammende Dichter vierzig Jahre formte und 
eilte, hinjühren möchte. 
12/183. Luise von Francois, Der Posten der Frau. Dieser 
ait reifem Lebensernst und weisen Maxrimen befrachteten Erzäh— 
ung hat die Feder der geist- und gemütvollen Dichterin eine be- 
aubernd schöne und leichte Gestalt zu verleihen und somit einen 
Zegriff von höchster epischer Kunst zu geben gewußt. Swischen 
ↄ»ckender Ballmusik und dem Donner der Kanonen von Roßbach er⸗ 
ebt eine von ihrem leichtfertigen Gemahl gebränkte Frau und Muͤtter 
hr Schicksal, das ihr befiehlt, auf dem Posten zu bleiben, nämlich in 
hrem Hause, darin „ihre Kinder erzogen werden müssen“. K. 
J 
imafwarfe, 
die einzelnen Kasseler Sternwarten, wie sie von Wilhelm IV. und 
om Landgrafen Karl errichtet wurden. Die großartigste Stern⸗ 
varte war der Swehrenturm. Studienrat De. Dippel verbreitete 
ich ũber die astronomischphysikalischen Sammlungen des Landes 
nuseums, die er an Hand guter Lichtbilder erläuferte. 
AUm die Sammeltätigkeit für die deutsche Volksliederforschung 
uch in Hessen mehr anzuregen, hielt Bibliothebsrat Dr. G. Struc 
inen DVortrag ũüber Wesen, Wort und Weise des Volksliedes, 
esonders in Hessen. An der Spitze der modernen Volbolied— 
orschung in Hessen stehen Namen wie Böckel, Schulte, Lewalter. Boelte. 
Schater wd. Kleine Chronib. 
Die Murhard-Sibliothet zu Kassel hat im Rechnungs- 
ahre 1926 eine günstige Entwicklung genommen. Die Gesamtzaͤhl 
er Benutzer stieg von 42228 (1925) auf 41118. Der Büucher 
estand erfuhr eine Vermehrung um 1538 Werke in 2275 Sän- 
en auf 195 131 Bände. 
Der Sweigverein Kassel des Khönblubs will auf dem Buschirm⸗ 
sũppel bei Hilders ein Kasseler Haus errichten. Eine Werbe⸗ 
ommission hat die Arbeit bereits aufgenommen. Zu Ehren des 
erstorbenen 1. Vorsitzenden Karl Vietor soll eine Kuhebank auf 
»em Buschirmküppeli dessen Namen tragen. — 
Der alte Vachaer Christmarkt, der früher im Werratal 
ind in der angrenzenden Vorderrhön sehr beliebt war, lebt wieder 
iuf. Nach dem Brauch des Jungvolbes, sich an diesem Tage mit 
debluchenherzen zu beschenben, trägt der Markt auch den Ramen 
herzenmarkt, was darauf hindeutet. daß er auch eine Art Heirats 
narkt darstellt. 
Nachdruck nur nach Abereinbunft mit dem Herausgeber gestattet. 
herausgeber: Konrad Bernecher. Deuch und Voerlag: A. Bernecher, Melsungen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.