Heimat· Schollen
Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatkunst
Nr.1 / 1928
Erscheinungsweise 4 mal vierteljãhrlich. Bezugspreis 1,- RM. im Vierteljahr. Frũhere
Jahrgänge bönnen, sjoweit noch vorrätig, vom Heimatschollen-Derlag nachbezogen werden
8. Jahrgang
Ein KReiterschicksal õ
VDon Georg Ploch.
Bellica nondum habent finem...
Das Holzfeuer im Kamin zuckte und loderte und warf
ein unruhiges, wechselndes Licht in das weite, dunkel ge-
tãselte Gemach. Den Tanz der Flammen ahmten die Schatten
an den Wänden und der Decke nach. Sie wuchsen und
duckten sich, sie zitterten und schwankten, wurden dunkler
und blasser, je nachdem die Glut lebhafter erwachte oder
zu erlöschen drohte. Kiesenhaft ragten die schwarzen Um
risse zweier menschlichen Gestalten bis an die balkenreiche
Decke. Sie nahmen an dem gespenstigen Leben der toten
Dinge des Simmers teil: sie reckten und beugten sich, wankten
und zitterten wie von immerwährender geheimer AUnruhe
gepeinigt. J
Zwei Menschen, ein Mann und eine Frau, standen
regungslos am Kamin und sahen in die Flammen. Der
Mann, der etwa fünfunddreißig Jahre alt war, trug die
schwedijche Uniform: ein ledernes Koller, Keithosen und hohe
Stiefel mit Sporen. Seine Kleidung machte der welschen
Mode beinerlei Sugeständnisse. Als einziger Schmuck funkelte
an seiner Brust eine goldne Kette: das Seichen besonderer,
borm Feind bewiesener Tapferbeit. Die Haare trug der
Offizier nach deutscher Sitte kurz geschnitten; sein Spitzbart
gab ihm eine entfernte Ahnlichkeit mit dem schwedischen König.
Die Schloßherrin an seiner Seite stimmte in der Ab—
neigung gegen die welsche Mode mit ihm überein. Sie
berschmähte die leichtfertige, tief ausgeschnittene französische
Kleidung und trug nach der züchtigen holländischen Art ein
hochgeschlossenes, weißes Atlasbleid, das mit schwarzem Pelz
besetzt war, darüber ein Hausjäckchen aus gleichem Stoff
und mit gleicher Derzierung. Die Haare waren aus der
eensten Stiern zurückgestrichen. nur an den Schläfen fielen
unkle Löckchen herunter und gaben der stattlichen Er—
ccheinung das lieblich jugendliche Aussehen, auf das sie mit
hren dreißig Jahren noch ein Anrecht hatte.
Die BSaronin lebte seit vier Jahren im Witwenstande.
zhr Mann war Anno 36 bei Wittstock gefallen, in derselben
5—chlacht, in der ihr Gast sich die goldne Kette mit dem
FKeiterjäbel erstritten hatte.
Vor einigen Tagen hatte der Obristleutnant seinem
feldheren, dem General Baner, den Dienst gekündigt und
efand sich nun auf dem Wege zu seiner Heimat. Am
rühen Morgen war er gebomrien und hatte nur ein paar
5tunden bleiben wollen, aber ein Anfall seines Pferdes,
en er anfangs kaum beachtet hatte, zwang ihn, länger zu
erweilen. Schon ging der zweite Tag zu Ende, ohne daß
seinen Weg fortsetzen bonnte.
Leise Gespräche über den Toten, den sie beide liebten,
üllten die Seit, und die gemeinsame Liebe hatte schneller,
als sonst wohl möglich war, herzliche Freundschaft zwischen
den beiden Menschen entstehen lassen. Die junge Frau sah
nit stiller Freude die guten Sitten, das sichere Urteil und
as männliche Wesen ihres Gastes. Sie lud ihn ein, noch
anger zu verweilen. Ja, sie gab schließlich unter Miß-
ichtung des Standesunterschiedes dem bürgerlichen Manne
uücht undeutlich zu verstehen, daß sie nicht abgeneigt sei,
hm ihre Person, die Erziehung ihres Söhnchens und die
derwaltung ihrer ausgedehnten Güter anzuvertrauen.
Der Obristleutnant bonnte über den mabellosen Charabter
er jungen Frau nicht im Sweifel sein. Dennoch ergriff er
rcht voll Freude die dargebotene Hand, sondern sah in die
flammen, als hätte er die zarte Andeutung nicht recht ver-
tanden. Das Schweigen dauerte schon so lange, daß es