Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

zr hatte an seinem Jubiläumstage eine schöne Einnahme gehabt: 
Fünf Marb und 85 Pfg. klingelten in seinen Hosentaschen, und zu- 
setßt fuhr in seinen struppigen Vollbart, der nach seiner Ansicht 
auch seinen Sweck hatte, ein dicker fetter Peiem vom echten Hane⸗- 
wacker, weil er nie rauchte, um darum leichter ein Nachtquartier 
zu bekommen. And nun wurde unser Fechtbruder von dem Wirt 
in den warmen Kuhlstall gebracht, wo er bald im Stroh, wie ein 
Igel in der Hecke, verschwand. Süß und sorgenfrei schlummerte 
er ein, träumend vom kommenden, warmen Frühling und duftigem 
Tannennachtlager. C. Liese. 
Warum die Stoörche auf beine Mühle bauen. 
Ein alter Mühlenbauer, der zugleich ein großer Witzbold 
dar, saß eines Tages nach getaner Arbeit in der Wirtosstube. 
der Wirt war im Neben- oder Hauptberuf — wie man es nun 
ben nehmen will — auch Müller. Da gab der Mühlenbauer 
em Wirte folgende Kätselfrage zur Beantwortung: „Weißt du, 
darum die Störche bein Nest auf deine Mühle bauen?“ — Ein 
hin- und Herraten folgte. „Ich will dire's sagen“, meinte da 
er Mühlenbauer zu seinem Freunde, „die Störche haben Angst, 
yu würdest ihnen die Eier stehlen!“ 
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VDom Büchertische der Heimat. 
aglichleit, die sich aus der Lektũre ergibt, wird dadurch so wenig 
jetrũbt, wie durch die Darstellung menschlicher Schwächen in den 
inzelnen Figuren: es ist alles mit jener Überlegenheit geschildert, 
ie sich nur aus reifem Erlebnis und wohlerzogenem Konnen er— 
zibt. Manchmal fühlt sich der Leser, wenn er die hohe Kunst 
er Darjtellung geselliger Szenen bewundert, an Hermann Bang 
rinnert, zuweilen auch, wenn ihn eine schillernde Ironie ergötzt, 
n Thomas Mann. Aber das sind flüchtige, hauchzarte Empfin— 
ungen, die rasch wieder zurũcktreten vor der Freude an einer Schöp- 
ung, die im Rahmen eines Jahres Schicksale auf und nieder- 
hwingen und hart an den Rand des Abgrunds geraten läßt, um 
e mit sicherer Hand wieder ins rechte Geleis zurückzuführen, 
bie es das Recht des Dichters ist. „König Ernemanns Rosen— 
jarten“ ist ein Werkß voller Helligkeiten, es leuchtet darin von 
parmen, lichten Farben und tönt von mancherlei Stimmen, als 
eren schönste aber die sehr verhaltene, kLaum vernehmbare, doch 
jus dem Tiefsten der Seele steigende Stimme treuer und bedin⸗ 
zungsloser Feeundschaft erscheint. W. S. 
Alfred Bock, Die Oberwälder. Koman. Deutsche Land⸗ 
»uchhandlung, Berlin SW. 11. 220 Seiten. 
Das Wiedererscheinen schon früher veröffentlichter Buchwerbe 
arf, im allgemeinen als ein günstiges Seichen nicht nur für seinen 
derfasser genommen werden, sondern auch für das Pubiibum, 
venn sich's, dies immer vorausgesetzt, um eine Leistung von Belang 
ind um einen bedeutenden Verfasser handelt. Das ist nun zweifel— 
os der Fall hei Alfred Bock, dessen „Oberwälder“, textsich un- 
erãandert, doch in neuer Ausmachung im siebten bis elften Tausend 
erausgebommen sind. Der auch außerhalb seiner Heimat sehr 
eschãtzte hessijsche Dichter behandelt in diesem Werk ein soziales 
Roblem, den Gegenjsatz zwijchen Groß- und Kleinbauern, den der 
deld des Romans, ein Volbsschullehrer, durch Gründung einer 
ejonders natũrlich den Kleinbauern zugute kLommenden Spar- und 
darlehnsbasse auszugleichen sucht. Gelingt ihm sein Vorhaben auch, 
dgeht es doch nicht ohne harte Kampfe ab, und schließlich muß 
er Wohlgesinnte auch noch Undank und andere Bos heit einstecken, so- 
aß er sich, menjchlicher Enttäuschung voll, einen anderen Wirkungo- 
reis sucht. Der Dichter hat hier, wie immer in seinen wirblichkeit- 
jesattigten, wiewohl durchgeistigten Erzählungen, ein kühlen Auges 
etrachtetes, aber warmherzig empfundenes und infolgedessen mit 
iberzeugender Darstellungobraft geschildertes Schickjal in den 
ebendigen Rahmen der Heimat gerückt; der erquickende Odem 
er „treuen, mũtterlichen Erde“ durchzieht dieses bampferische Buch, 
nuf den tiefen Trost verweisend, den die göttliche Schopfung bietet, 
venn der Mensch versagt. W. S. 
Neuwerkb ·Kalender 1928. Herausgegeben von Wilh. Prae- 
ent. Im Neuwerb-Verlag Kassel. Preis o, 5 RM. 
Diejer Kalender geht unter dem Signum des Christenfums, 
porunter in diesem Falle nicht das weitverbreitete, bequenie Wort- 
hristentum, sondern das eenlte, seltenere Tatchristenium zu ver⸗ 
tehen ist. Vom Kalendarium an mit seinen tiefgeprägten Worten 
us der Schrift, von Luther, Dürer, Silesius, Tolsioi und Dichtern 
ller Seiten bis zum Schluß ist dieses christliche Hausbuch wie 
ius einem Guß und nach Inhalt und Ausstattung wertvoller als 
o vieles, was in dieser Beziehung auf den Buͤchertisch bommt. 
licht nur für einen Winter oder nur für ein Jahr, sondern weit 
arũber hinaus gibt dieser Kalender dem Geiste dessen, der guten 
Villens ist, leitende Gedanken und seiner Seele iragende Schwingen. 
ks stockt viel von dem darin, was man Ewigbeitowerte neunt. 
die Einzelbeiträge, die sich dem Ganzen gut und glücklich einfügen, 
ind von Künstlern wie Kudolf Schäfer, K. Thyimann u. d. bor. 
refflich geschmũckt. Was Herausgeber und Verlag hier bieten, 
arf allen Christenleuten im Hessenlande freudigen Herzens emp 
ohlen werden. K. 
Franz Karl Ginzkbey, Brigitte und Regine u. a. Dich- 
tungen. Reclams AUniversalbibliotheß. Preis geb. o,8S0o RM. 
Ginzkey steht abseits dem literarijchen Larm der Gegenwart 
and läßt, unbekümmert um diesen Lärm, seine Werke in der Stille 
Heinrich Ruppel,. Peter im Glück u. a. Erzählungen. 
Hermann Eichblatt⸗Derlag, Leipzig. Preis geheftet o.80 RM., 
jebunden 1,20 RM. 
„Peter im Glück“ von Heinrich Kuppel, mit BSildschmuck von 
Walter Kramer, bommt gerade noch zur rechten Seit, um als Geschenk 
unter den Weihnachtsbaum gelegt zu werden. Der bekannte Ver— 
fasser hat es schon immer verstanden, das Stück hessischer Heimat- 
erde mit ihrem Schollenduft und ihren wurzelhaften Menschen zu 
einer kleinen, aber glũcklichen Welt zu gestalten. Die Menschen 
einer Erzählungen Lönnen naturgemäß nur in der Heimat ihrem 
deben Sinn und Inhalt geben, nur dort froh und glücklich sein. 
In der Fremde ahnen sie wie Peter jselbst noch im Glück als 
„Dreizehnter“ ũüberall Unheil. Die köstlichste Erzählung, auch 
literarisch betrachtet, dürfte wohl „Der Bubensonntag auf dem 
Lande“ sein. Meine ganze frohe Jugend war beim Lesen auf einmal 
vieder lebendig. Dieses Jungentreiben und lachen trotz Streit und 
Not der Beteiligten ist einfach herzerfrischend und urgesund. Die 
Schilderung ist so plastisch anschaulich, daß man das Dorf mit seinem 
Sonntagsfrieden zu sehen glaubt. Erstaunlich ist auch die Kraft 
und Tieje der Einfühlung in iene Seiten und Menschen in der 
Erzählung „Der graue Reiter“. Fast möchte man bedauern, daß 
olche Typen und „Mannsberle“, Oeiginale in ihrer Art, immer 
eltener werden. Der schlichten einfachen Darstellung und den 
Menschen entsprechend ist auch die Sprache: bernig, stark heimatlich 
und reichlich belebt durch Bilder und Ausdrücke, die dem ländlich— 
däuerlichen Lebensbreije entnommen sind. In einem Aillzuviel 
ürfte allerdings in dieser Hinsicht eine gewisse Gefahr liegen. Das 
Büchlein ist wohl vor allem für die Kmider bestimmt, und sie 
verden mit glänzenden Augen und frohem Lachen hineinsehen. 
Wir „Großen“ lesen es mit sinnenden Augen und ahnen deutlich, 
wenn auch aus der Ferne, daß es ein Jungbrunnen ist: das Buch 
unjerer eignen Herkunft. Oe. Lerch. 
Land Nassau. Ein Heimatbuch von Leo Sternbera. (Brand- 
telters Heimatbũcher deutscher Landschaften Bd. 26.) Xl und 418 
Seiten Ottav. In Känstlerband (Ganzleinen) gebunden 10 RM. 
ODerlag Friedrich Brandstätter in Leipzig. 
In diesem Werke gestaltet Leo Sternberg in Verbindung mit 
den hervorragendsten Kennern und Künstlern, Dichtern und Schrift- 
tellern des Landesgebietes ein schöpferisches Kulturbild Nassaus 
in Landschaft, Geschichte. Geistesleben, bidenden Künsten, Volbs- 
dultur und Wirtschaft. Kheingau und Taunus, Westerwald und 
Hinterland, die in scharfen Ausschnitten gebennzeichnet werden, 
treten darin mit gleicher Wesenhaftigkeit hervor. Der Grundsaßz 
nicht Grenzpfähle zu errichten, sondern ũüber das Getlich-Sufallige 
hinaus die Einzellandschaft einzugliedern in die Susammenhaänge 
veiterer Kulturbreise und der allgemeinen Menschheitsgeschichte, 
haben dabei zu einer neuen Form landeskundlicher Darstellung 
zeführt. — Die kbänstlerijche Ausstattung unterstützt den gehalt- 
ollen Text durch reiches Anschauungsmaterial. Neben 28 zum 
Teil farbigen Kunstbeilagen sind 88 Oeiginalzeichnungen nassauischer 
und sonstiger Graphiber vertreten, die zusammen mit den heimischen 
Motiven aus früheren Jahrhunderten geradezu eine Kunstgeschichte 
Nassaus im Bilde darstellen, ebenso wie die dichterischen Beiträge 
* — des Landes in seinen hochwertigsten Leistungen 
piegeln. 
Adolf Obece, König Ernemanns Rosengarten. Roman. 
223 SG. Georg Mäller-Verlag, München. Peeis geb.2 RM. 
Als achtzigster Band von Georg Mällers famosen Sweimaeb- 
bũchern erscheint ein Koman des aus Kassel stammenden Adolf 
Obée, der schon durch verschiedene Veröffentlichungen, wie etwa 
die viel beachtete „Panschgesellichaft“, von sich reden gemacht hat. 
Seine erzählerijsche Begabung ist aber auch der Kede wert, uͤnd 
in diesem Roman gibt sie nicht nur das Beste, was sie bislang zu 
geben hatte, sondern in der Tat ein Werk der Dichtung, das un— 
zewöhnliche Anerkennung verdient. Die Eerzählung spielt, um 
»as vorwegzunehmen, in der Gegenwart und läßt auch ihre 
chwarzen Farben zur Geltung kommen — aber die geistige Be—
	        
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