Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

waren bis efwa 1800 Pfarrer in der dortigen Gegend. Spãter 
breitete sich das Geschlecht über Norddeutschland aus und ist vor 
wiegend in studierten Berufen kätig. 
Uekundlich wird vom kurhessischen Justizbeamten Carl August 
Faust, geb. am 8. 6. 1814 zu Halsdorf bei Marburg, gest. am 21. 
. 869 zu Rotenburg a. F., berichtet. daß er 1845 außerordent 
licher Assesjor beim E. G. Hanau, 1851 Justizbeamter in Bisch 
hausen, jeit 1855 Kreisgerichtsrat in Rotenburg, vordem Justiz 
amtmann zu Franbenberg war. 9JJ 
Aus dieser Frankenberger Kotenburger Seit ist nach Aufzeich⸗ 
nungen und Mittelungen des kburhessischen Justizbeamten Seelig, der 
unter Faust Justizamtsassessor gewesen ist, ũberliesert worden, daß Fauft 
ein guter Jurist, außerdem Beherrscher der Gaänsesprache gewesen ist; 
diese „Sprache der Gaͤnse“ — wie sie der kurhessische Richler Faus' 
gemeistert hat — soll hier der Vergessenheit enirissen werden: 
Faust behauptete immer, daß Tiere reden bönnen, und daß wir 
Menschen sie oft verstehen. Bei den Säugetieren und Vogeln, die 
nach ihrem ganzen Körperbau uns Menschen mehr oder weniger 
ãhnlich sind, bommt es ja oft so weit, daß man meint, sich mit den 
Tieren unterhalten oder doch wenigstens verständigen zu können. 
VDor dem liebevoll suchenden Auge des Forschers Faust ist 
auch so die dumme Gans klug und beredt geworden. Faust jaß 
jalt taglich mit jeinen Seitungen und Bächern milten zwischen der 
Banseschar des Städtchens auf dem Anger und unterhielt sich 
koͤstlich mit jseinen Lieblingen. 
Aus semen Beobachfungen gab er seinen Mitmenschen allen 
Eenstes bekannt, daß die Laute, welche die Gänse oft jehr energisch 
und unliebsam bemerbbar ausstoßen, ihre ganz bestimmten Nuancen 
und auch festumschriebene Bedeutung haben. Dabei sind die Stimm 
ãußerungen der Wildgans die gleichen, wie die der Hausgans, nur 
bejchränbkt sich die Wildgans darauf, ihre Slimme zu erheben, wenn 
sie wirblich etwas zu sagen hat, da für sie jedes Lautberden eine 
gewisse Gefahr bedeutet; für die Hausgans ist diese Hemmung 
jortgefallen. und so macht sie von ihrer stimmlichen Begabung aus- 
giebigen Gebrauch. Die Gänse haben einen ganz bestimmten 
Lockton, das trompetenartig schmetternde najale, auf der ersten 
Silbe betonte „Gagagag“ pᷣzww. Gigagag“. Vdgel, die einander 
bebannt sind, erbonnen sich dabei ohne weiteres an der Stimme, 
und besonders auffallend wirbt es, wenn die in der Luft breijenden 
Jungen unter einer ganzen Anzahl lockender Aiten ihre Eltern 
sofort bheraushören. Der Lockton wird von den jungen Vogeln 
auch schon ausgestoßen, wenn auch weniger klangvoll, wenn sie 
noch kaum richtig gefiedert sind, und später antworten sie den 
lockenden Eltern unverzüglich. Neben dem Sockton haben die 
Gänse einen Warn oder Schreckruf, ein burʒ ausgestoßenes nasales: 
»Gang“. Von Faust erzählte der Aberlieserer, daß er diesen Kuj 
so gut nachahmen bonntie, daß er Gänseheerden damit in ver 
ʒweiflung bringen bonnte; die Tiere stürmten daraufhin gewöhnlich 
in eiligem Fluge erschreckt auseinander. Handelt es sich um eine 
weniger verdächtige Eescheinung, so wird die Warnung nur 
jehr leise hervorgebracht. Ein leises „Gangangang“, meist drei⸗ 
bis siebenteilig, ssoßen die Ganse aus, wenn sie sich fortbewegen; 
?s bedeutet fũr alle Familienangehörigen, daß sie nicht zurũckbleiben 
jollen. Wollen die Tiere sich weiter fortbewegen, 3.B. zu Fuß 
nach der Kuhepause zur Weide gehen, so werden diese Tone“et. 
was energischer auogestoßen. Beabsichtigen die Gaͤnse aufzufliegen, 
dann klingt jeder Ton eigentümlich hart und abgesetzt. Die 
Wildgans läßt ein lautes: „Djirb diarb ertonen, wenn ein 
größerer gemeinsamer Marsch erfolgen joll. Die Gänse haben 
aljo nach Faust's Beobachtungen bei ihrer doch immerhin armen 
Sprache für den Abmarsch zů Fuß im Gegensatz zu der Absicht 
der Fortbewegung im aligemeinen eine besondere Lautaußerung. 
In der Wut, besonders aber dann, wenn die —A 
vor dem Gegner fürchten, zischen die Gaänse, wobei der Hals et⸗ 
was nach unten vorgostrecki, der Schnabel gedffnet wird uͤnd das 
Gefieder sich sträubt. Junge Gaͤnse, die von den Eitern abgekommen 
sind, stoben einen eigẽniũmlichen einsilbigen Jammerton aus, der 
durchaus den Eindruck des Klaglichen macht. 
Die Mitwelt des burhessischen Amtmannes Faust mochte wohl 
den Beobachter der Dorfgaunse jũr einen großen Sonderling ge— 
halten hiben, immerhin deuten die Aufzeichnungen und Erzãhlungen 
eines Kollegen darauf hin, daß Faust ernstuiche Studien uber die 
Sprache der Gänse neben seinen Serusopflichten getrieben hat. 
In der Literatur steht der Kurhesse Faust beineswegs vereinzelt da. 
Andeutungen dieser Art hoben wir von Olga ˖ Stũckrath in den Hei 
mat · Schollen — z3. B. 1926 Nr. 12, S. 03 — in den —A 
Haustiere im Spiegel der Grimmschen Volbksmärchen“ gefunden; 
auch ũber die, Bienensprache? liegen gedruckte Abhandlungen vor; 
Annallese Weyl.Nissen bringt in der Seiuschrist, die Woche Heft 41 
und 19. XI. 19027 eine niedliche Gänsegeschichte unter dem Titel: 
„Hören Tiere gern Musib“, die den Lesern noch hinzugefügt wird: 
„Die Gänje, diese Tiere, deren Gehirnmasse in einem gerade- 
zu lächerlichen Verhältnis zu ihrem Körpergewicht steht, gelten 
ins seit je nicht mit Unrecht als Musterbeispiel für negative In— 
elligenz; aber die Gaͤnse haben zumeist eine sehr merkwürdige 
Empfänglichkeit jür Musik. Es ist erwiesen. daß bei jedesmaligem 
lavierspiele in einem Gutshause nach kurzer Seit die Gänse bon 
der Wiese her erschienen und, in Keih' und Glied aufgestellt, mit 
anggestreckten Hãlsen den musibalischen Darbietungen lauschten; 
ie schnatterten nicht, sie standen nur. Als der Klabierbvortrag zu 
Ende war, begann ein lautes Geschnatter.“ Die Schriftstellerin 
»ringt hier Musik in ein Verhältnis mit Erotik; sie sagt allerdings, 
ieses Verhältnis von Erotik zur Musik habe sie bei den Gänsen 
ucht weiter untersuchen bönnen, und läßt sich mit der Schluß ormel 
enũgen: Weil die Liebe ihnen eine Freude ist, hören manche 
Tiere gern Menschenmusik! 
Schließlich mag den Lesern — hoffentlich zur Weihnachtszeit — 
ioch eine wahre Begebenheit aufgetijcht werden, die sich im Hause 
»es gastfreien Geheimen Medizinalrats De. Gotifried Krause * zu 
tassel, eines alten Kurhessen und Marburger Korpostudenten, 
ingesichts des Lnusperigen Weihnachtsbratens zugetragen haben soll: 
Der gütige Gastgeber deblamierte bei der Serteilung dieses Weih— 
achtsvogels die bekannten geflũgelten Worte: „Eine gute gebratene 
Hans, mit goldnen Gabeln gegessen, ist eine gute Gabe Gottes“, gab 
einer Tischdame die eme Ganshäifte, sich selbst die andere Hälfte, in- 
dem er lächelnd meinte: „Die Gans ist doch ein dummer Vogel, 
A 
Schnurrpfeifereien. 
Das Jubiläum des Fechtbruders. 
Wie oft liest man in den Seitungen nicht von Jubiläumsfeiern! 
Silberne und goldene Hochzeiten, wenns hoch geht auch diamantene 
ind eiserne; Dienstjubiläen von Beamten, Hebammen oder gar 
reuen Arbeitern in Industrie oder Landwirischaft! Es gibt aber 
uuch ganz seltene, von denen ich nachstehend eins erzählen will. 
Fines Tages begegnete mir ein alter Fechtbruder, der feierte ge— 
ade sein 40jahriges Nichtarbeits-Jubildum. In der ganzen 
zeit war er von Haus zu Haus, von Ort zu Ort gewandert und 
hatte nach Arbeit gefragt, weil ihn dann die heilige Hermandad 
iicht am Rockärmel fassen und in ein Arbeitohaus bringen bonnte. 
Aber im vergangenen Herbst zur Seit der Kartoffelernte war er 
ei einem Bauern im Waldeckschen in Gefohr gehommen, Arbeit 
u bebommen, jahrelang gesuchte Arbeit. Als er aber seinem zu⸗ 
ũnftigen Arbeitgeber den linlen Arm ohne Hand zeigte — er 
atte wie immer den Armel ũber die Hand gezogen, um das 
?ehlen einer Hand vorzutäuschen — da schlug die Bäuerin die 
dände ũüber dem Kopf zusammen und schrie: „Daß Gott erbarm; 
er arme Mann! Einen Mann mit einer Hand bönnen wir doch 
nicht zum Kartoffellesen gebrauchen!“ — Und schnell holte sie ihm 
in großes Stück Speck, um ihn mit Worten herzlichen Bedauerns 
zu entlassen. Wer war froher als unser Bruder Straubinger, daß 
r die Not wieder vom Halse hatte. Vor 10 Jahren hatte ihn 
ie Polizei aber doch eininai ertappt und ihn sür ein Jahr ins 
Arbeitshaus geschickt. Diese Seit rechnete er aber doch als Nicht- 
irbeitszʒeit. da er nicht freiwillig, sondern gezwungen gearbeitet 
atte. Auf seinen Fechtreisen waren ihm manche Brüder be— 
jegnet, die Beinfehler vorgetäuscht hatten. Er hielt das für un— 
entabler. weil man da in den Oetschaften zu viel Seit gebrauche; 
enn Seit sei auch bei Fechtbrüdern Geld. Bei alledem jsei aber 
ie Ehrlichkeit die Hauptsache. Einmal habe sich ihm ein anderer 
Bruder angeschlossen, der aber in dem ersten besten Metzgerladen 
Aeich eine halbe Seite Speck unter seiner großen Jacke verschwin⸗ 
den ließ. Er habe ihn aber genötigt, den Speck wieder an seinen 
Het zu hängen, noch ehe die Meßgerofrau den Laden betreten. 
And dann habe er sich an der nächsten Straßenecke von dem 
Burschen getrennt, weil er mit Spitzbuben Leine Gemeinschaft 
aben wolle. 
Und dann feierte er an jenem Abend sein o jähriges Nicht- 
arbeitsjubilãum durch ein Festessen, das sehr abwechselungsvoll war 
und nach und nach dem fettigen Kucksack, in den ihm die Ratten 
im letzten Nachtquartier ein großes Loch gefressen hatten, ent— 
ommen wurde. Da lagen auf dem Tische schöne frische Bröt- 
hen und Wurst und Speckproben aus allen Mehgerläden und 
on Schlachtokirmessen verschiedener waldeckscher Dörfer und Städt- 
hen. Die Katze des Wirtes saß neben dem Fechtbruder wie ein 
ilter Freund, als wüßte sie, daß hier allerlel abfallen würde. 
Und jo war es auch. Durch Anriechen schied er die Milchbröt— 
hen von den Wasserwechen. Die Schwartenwurst bekam die 
Mieze und die Wurstschalen und ebenso das Abgeschabte von einem 
Stũck Quelljpeck, aus dem der Abdruck einer Seitung zu sehen 
war. Dazu trank der Jubilar die nötigen Schoppen Bier, denn
	        
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