Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

ein Hoflabai den Hasen nebst einem Schreiben aus dem Fürsilichen 
Kabinett zurück. In dem Schreiben wurde dem Pfarrer Ver— 
zeihung, ja noch mehr, ein Stück von dem fürstlichen Jagdrecht 
gewãährt: „Alle Hasen, die Ihr bünftig mit der gleichen Waffe 
zelegt, jollen Euer sein.“ Dr. Apel, Marburg. 
D's Kathrine in der Spitzennachtjacke. 
D's Kathrine von Dehausen freite in die Stadt. Als dle 
Schwiegermutter beim Nachsehen der Leinenaussteuer fand, daß 
in Dehausen die Nachtjacke ein unbekannter Luxusariibel war, 
Laufte sie ein halbes Dutzend feine Nachtjacken mit Spitzenbejsat 
und schenkte sie dem Kathrinchen mit dem Ermahnen, dieselben 
des Nachts anzuziehen. — Nach einiger Seit fragte die Schwieger⸗ 
mutter: „Nun, wie haben denn die Nachtjacken meinem Sohn ge— 
fallen?“ Das Kathrinchen lachte und jagte: „Der Kerle war rein 
wie toll und hat alszu gelacht. Hä sproch, so sill ech se immer 
anziehn, da jparten me die Hemder. On wenn se Lbaputt wären, 
die Nachtjacken, dann kief hä me sechs neie.“ B. 
Wie der Lehrer in Schnegelsdorf dem jungen Knüllhasen 
das Imkern beibringen wollte. 
Bauern geben sich allgemein nicht mit Bienen ab. Einer 
meinte mal, daß er sich auch solche zulegen würde, wenn ihnen 
borher die Stacheln abgefeilt wũrden. Ein Bauer kann eher einen 
Hornstoß von der Kuh als eine Portion ihn umschwärmender 
Bienen oder gar Wespen vertragen. Auch bleibt den meisten Bauern 
nicht genũgend Seit übrig, um nebenbei Imber zu sein. Kurz und 
gut: Mein Vater war bein Blenenfreund und ich auch nicht. Da 
geschah es nun doch, daß mein alter Lehrer den bleinen Knüll- 
hasen so nebenbei zum Imber ausbilden wollte, d. h. ich mußte ihm 
bei jeiner Lieblingobeschäftigung allerlei Handreichungen tun, seĩ 
es bei der Honigernte oder beim Schwäͤrmen. Bei der Honigernte 
zab es für den jungen Knüllhasen viele Stiche und wenig Honig. 
Bei einer heimlichen Kostprobe bekam er einmal einen Stich auf 
die Sunge, daß sie wie ein Schlagbrett anschwoll und der kleine 
Hase sich heimlich in jeine väterliche Wohnung schlich, weil er auj 
Sefragen nicht mehr antworten konnte. Die Furcht vor Bienen 
war dadurch nicht bleiner geworden. Und da bam der Mai mit 
der verflixten Schwarmzeit, wo ich wieder helfen mußte. Da ge— 
jchah es, daß sich ein Schwarm den höchsten Apfelbaum im Schul- 
garten als Anlegeplatz ausgesucht hatte, wahrscheinlich, weil er 
sich dort am sichersten fühlte. Aber es half alles nichts. Mein 
Lehrer holte eine lange Leiter und bestieg den Baum. während 
ich einen Strohlorb mit einer Stange vom Erdboden aus unter 
den Schwarm halten mußte. Achtungl — Ein Riß am Ast und 
— der ganze Schwarm vorbei auf meinen Kopf! — Wie ein ge— 
heßtes Wild flüchtete ich in die nächste Buchenhecke. Aber wie 
iah nachher der kleine Knũllhase und angehende Imber aus! Und 
venn er auch später noch Imker geworden ist, jo übt er doch Vor-⸗ 
icht bei Bienen und Bienensummen. C. E. 
Wie der iunge Knüllhase einmal Weckebrei bochte. 
d. h. vermehrte. 
Weckebrei war früher in der bäuerlichen Küche des Knäll 
m Sommer ein sehr beliebtes Gericht, weil er schnell gebocht und 
veich zum Beißen war. Im Sommer hat ein Bauer nicht viel 
*eit zum Essen, wenigstens nicht der, dem die Arbeit sehr am 
Hherzen liegt. Da bewahrheitet sich recht das Sprichwort: „Wie 
der Mensch ißt, so ist erl“ Alsjo an einem schönen Heutag im 
Monat Juni gab es Weckebrei, der dem bleinen Knũlihasen mit 
ilen Vorsichtomaßregeln und Mahnungen von der Mutier in die 
dand gegeben wurde, um ihn zu den Mähern zur Wiese im 
Knũll zu tragen. Ach, und so ein schöner Tag! In den Büschen 
»üpften die Rotbrũstchen, meine Lieblingovögel, und die Saun— 
õnige, und oben an den Hechken hingen schon so viele Haselnüsse! 
Velche Aussichten im Herbst! Da, der Unglücksstein! — Ich war 
iber den Stein gestolpert, und da lag mein schöner Weckebrei 
m weißen Sande. Was nun machen? Ich wäre lieber gleich 
nit beiden Beinen in die Hölle gesprungen, ehe ich wieder zur 
Mutter zurüũck oder gar zunm gestrengen, hungrigen Vater zu gehen 
ind das Unglück zu bekennen wagte. Weinend jetzte ich mich auf 
inen Stein, bejah den Brei und überlegte, wie ich den Schaden 
eheben bönnte. In der Not wird der Mensch erfinderisch. Das 
icht vorbeifließende Knüllwässerlein sollte des Knüllhasen Kettung 
verden. Es wurde der größte Teil des Weckebreies aufgerafft, 
n den Topf getan und dann mit Wasser tũchtig vermengt. Schaͤde, 
daß das Waher zu kbalt und zu dünn war! Dann wäre das 
debräu besser geraten. Ich trottelte also zur Wiese, wo man 
ich schnell und hungrig um den Weckebreitopf niederließ. Mein 
dater machte die Kostprobe, er rührte noch einmal mit dem 
Löffel in dem Topf herum, als wenn er den Brei suchen wollle 
ind, dann — hoch im Bogen — flog mein Topf mit der „ge— 
nachten Suppf ũüber die Wiese. „Kalt Wasser und paar Wecte- 
brocken mit Sand statt Simt! — Nennt man das ein Mittags- 
rßen!“ So schimpfte er ũber meine Mutter, die unschuldig war 
ind der ich später meine Schuld béèbannte. — 
Auf der Heimatwarte. 
Aus dem Hessischen Geschichtsverein. 
In einem wissenschaftlichen Unterhaltungsabend des Hessischen 
Geschichtsvereins berichtete Kantor Horwiß uͤber ehemalige Boörsen 
und Bankben in Kassel, Bibliothebsdiretktor Dr. Hopf über die 
Entstehung der hejsischen Landesfarben Rot-Weiß, Prof. Vr. Luthmer 
über hessische Eindrũcke aus dem Keijejournal des Herrn von 
Monconys und Solldirektor Woringer über spanische Geschütze, 
die Karl V. mit dem hessischen Löwen gießen ließ, um seine Beute 
in Hessen recht groß erscheinen zu lassen. 
An einem weiteren Anterhaltungsabend hielt Fachschulober 
lehrer Pistor aus Schmalkalden einen größeren Vortrag über Die 
Schmalkalder Eisen- und Stahlindustrie und die hessischen Fürsten“ 
Hilferuf für einen hessischen Volbsschriftsteller. 
Wie die Tageszeitungen berichten, ist der Hof des bebannten 
Vollsschrijtstellers Heinrich Naumann, der Simmetse Hof in 
Nanzhausen bei Lohra. in Gefahr, unter den Hammer zu kommen 
Spenden werden auf das Postscheckkonto Deban Lehr in Gladen⸗ 
dach Nr. 10349 Frankfurt a. M. entgegengenommen. — Es ist 
bezeichnend jũe die Bewertung der Geistesarbeit, daß ein Mann 
wie H. Maumann, der die Geschichten, Vom Heimatacker“, „Du 
mein stilles Tal“* u. a. m. geschrieben hat, Not leiden muß. 
Der Rhöoͤnführer. 
Sum 150. Male jährte sich der Geburtstag des Geh. Medizinal- 
rats De. Joseph Schneider, der in seinen „Naturwihssenschaft 
lichen Beschreibungen der Hohen Rhön und ihrer nordwestlichen 
VDorberge“ die ersten zusammenhängenden Grundlagen für die 
Erforschung der Rhön geschaffen hat. Die 1816 in Frankfurt er⸗ 
jschienenen Beschreibungen budeten die Grundlage für den späteren 
Khonfũhrer, der dann von Sohn und Enkel des Verfassers immer 
mehr vervollkommnet wurde. 
Kleĩne Chronib. 
Baurat Dr. Holtmeyer, der frühere Bezirbskonservator 
und Inventarisator des Regierungobezirks Kassel. wurde als Diß— 
esjan· Konservator nach Köln berufen. Außer seinen Forschungen 
iber altchristliche Kultbauten ist er bekannt geworden durch sein 
iebenbãndiges Inventarwer? Denkmaäler des Stadt- und Land— 
reises Kassel“, durch die bei Elwert erscheinende Sammlung „Alt⸗ 
Hessen“ und biographische Arbeiten. — 
Im Kunsthauje Messing in der Opernstraße zu Kahssel fand 
eine Ausstellung von Bildern des Malers Heinrich Pforr aus 
Laudenbach am Meißner, wohnhaft zu Hann. Mänden, statt. Die 
Schõöpfungen dieses Weisters, der ganz in der Stille lebt und schafft. 
erdienen weitgehendste Beachtung. — 
In Kassel jand das Richtfest der großen Jugendherberge 
n der Mosenthalstraße statt. Sie wird nach Größe und muster— 
zültiger Einrichtung alle bis jetzt bestehenden deutschen Jugend- 
erbergen ũbertreffen. — 
Fuͤr das Wintersemester an der Marburger Universität 
»aben sich 2565 Studierende, darunter 484 Studentinnen, ein- 
chreiben lassen. — 
Am 285. November erhob eine Versammlung im „Hessischen 
hof“ zu Frankenberg Einspruch gegen eine beabsichtigte Auf⸗ 
eilung des Kreises Frankbenberg sowie gegen die Abtrennung der 
Enklaven oder anderer Teile des Kreises. 
Bestrebungen der Stadt Steinau, ihren alten Namen, An der 
Straße“, den sie bereits 1339 führte und erst nach 1850 verlor, 
vieder zu erhalten, sind in einer Denkschrift des bekannten Heimat- 
orschers Kebtor G. Maldfeld in Steinau zusammengefaßi. Die 
laiserliche Kanzlei und das älteste aus dem 14. Jahrhundert 
tammende Staͤdtsiegel bedienten sich des Namens „Steinau an der 
Straße“. Steinau, das schon 1200 Stadtrechte erhielt und nach 
Selnhausen die älteste Stadt des Kinzigtals ist, will wieder zu 
einem historischen Namen zurũckkehren. — 
Im Chor der aus dem 12. Jahrhundert stammenden romanischen 
Klosterlirche zu Breitenau ftürzte eine Decke ein. 
Nachdeuck nur nach Übereinkunft mit dem Herausgeber gestattet. 
derausgeber: Konrad Beruecker. Druck und Verlag: A. Bernecder,. —A
	        
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