Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

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Heimat · Schollen 
Slätter zur Pflege hessischer Art, Geschichte und Heimatkunst 
Ir. 23/ 1927 
Erscheinungsweisje Nmal monatlich. Bezugspreis 1,20 RM. im Vierteljahr. Frũhere 
Jahrgänge können, soweit noch vorrätig, vom Heimatschollen-⸗Derlag nachbezogen werden 
I. Jahrgang 
Die Ochsenpredigt õ Von Heinrich Kuppel“. 
Ehrn Matthias Korngiebel, Bauernpfarrer zu Heiligen- 
kreuz hinterm Berg, war ein rechter Frühaufsteher. Denn 
da er mit Hilfe einer Magd und eines Knechtleins seine 
Einkünfte aus den Erträgnissen des Pfarrgutes erzielen mußte, 
Lonnte er nicht mit den Hühnern schlafen gehen und mit den 
Schafen aufstehen, sondern mußte morgens als Erster und 
abends als Letzter auf dem Damme sein. Er mähte eine 
Fuhre Klee nach Strich und Faden und lud einen Wagen 
voll Weizen wie nur einer. Wer ihn hinter dem Pfluge 
traf, sah ihm den Studierten nicht an. Er trat fest auf, 
wenn er unter seinen Gemeindekindern stand, und liebte sich 
eine sinnfällige und handgreifliche Theologia, alldieweilen 
es bei den hartgesottenen und eigensüchtigen Heiligenbreuzern 
auch sehr vonnöten war. Es fanden sich nicht wenige Böcke 
unter seinen Schafen, wie schon sein Amtsvorgänger des 
öfteren erfahren und in der Pfarrchronik vermerkt hatte. Er 
selbst führte das Hirtenamt hier nun schon an die dreißig 
Jahre und machte zu seinem Leidwesen beine besseren Er— 
fahrungen. Am bockbeinigsten waren aber einige Mitglieder 
des Presbyteriums, die man nicht nach dem Grad ihres 
christlichen Glaubens und dem Maße ihrer hausväterlichen 
Tugenden, sondern nur ihm recht zum Verdruß gewählt hatte. 
Daß diese Kirchenältesten ein wenig knickerten, wenn es 
Ausgaben galt, wollte er ihnen nicht einmal so sehr ver— 
denken. Saßen sie doch allesamt auf barger Scholle, von 
der sie ein hartes Stücklein Brot aßen. Einer aber, Peter 
Dilling, war nicht nur geizig, sondern sündhaft filzig und 
verschlagen. Er gehörte zu den Übeln der siebenten Bitte. 
Schon manchmal hatte der Pfarrer, wenn er im VDaterunser 
) Aus dem soeben erschienenen Buch von Heinrich Kuppel: „Herrgottspögel“ 
ODeriaa: M. Bernecker. Melsungen. Mreis 6 RM. 
an das „Erlöse uns von dem Übel“ kam, wider Willen an 
diesen Filzkragen denken müssen und deshalb den Herrgott 
nständigst um VDerzeihung gebeten. 
In der Frühe des achten Sonntags nach dem Fest der 
heiligen Trinität saß Ehrn Korngiebel am Fenster seiner 
ochgelegenen Studierstube, überlas die Perikope von der 
peiten und der engen Pforte und von den reißenden Wölfen 
n Schafsbleidern, woran er mancherlei bräftige und erbauliche 
ßedanben knüpfte, und schaute dabei über die Talschlucht 
inüber auf die Ahrenfelder, deren Wellen lichtüberflossen 
vogten und wallten. Dieses oft geschaute Bild: fließendes 
Ahrengold, von blauen Föhrenwäldern umsäumt, und Gottes 
egnende Sonne darüber — es griff ihm ans Herz, erhob 
hn zu jubelnder Freude, stimmte ihn zu demütigen Dankes- 
vorten. Auch heute wieder winkte ihm das liebgewordene 
heimatbild, dem die fernen KRhönberge einen zauberschönen 
Abschluß gaben. Aber er wandte sich bald hinweg und 
inem alten, dickleibigen Buche zu, das aufgeschlagen auf 
em Studiertisch lag. Es jährte sich nun schon zum dritten 
nal, daß nach dem Sturz des Korsen die Boten des Friedens 
hre Füße in dieses zertretene Land gesetzt hatten. Genug— 
am Abstand also, die damaligen Ereignisse im Kirchspiel 
heiligenbreuz zu ũberschauen und das Wichtigste für kLommende 
veschlechter in der Pfarrchronik festzuhalten, nicht zu ver⸗ 
jessen die Tapferen, die auf den Eisfeldern des Ostens ge— 
lieben oder im hessischen Jägerkorpo über den Rhein 
narschiert waren, um den Belial in seiner eignen Behausung 
nederzwingen zu helfen. Es waren deren nicht wenige in 
en Kirchspieldörfern gewesen, und ihre Namen schnörkelte er 
nit viel Liebe und Sorgfalt auf das grobe Papier des Folianten, 
Us sei er für diese Stunde der Herrdott selbst am aroßen
	        
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