Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

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Auf der Heimatwarte. 
Das astronomisch⸗physibalische Museum in Kassel. 
Oon Will Scheller. 
Wenn von hessischen Fürsten geschrieben oder gesprochen wird, 
oflegt gleichsam automatisch die fatale Begriffe erbindung mii 
einen Hof zog. Von ihm wird erzählt, daß er Instrumente, 
dimmels und Erdgloben jogar auf seinen Keisen mitnahm, und 
edenfalls war die von ihm in Kajsjei errichtete Sternwaete eine 
er ersten in Europa. Ihm ist denn auch die Grundlage der 
jroßen Sammlung des Hessischen Landesmuseums in Kassel zu 
anken: zu den aus seiner Seit stammenden Prunkstũcken gehört 
ene große astronomische Uhr, die, als „das große Planetenwerk“ 
ezeichnet, nach einem Schriftsteiler des 11 Jahrhunderts, „ein 
ehr kunstreiches und wunderwürdiges Uhrwerk“ ist. so durch eigene 
Sewegung aller Planeten Lauf und Sufälle nach des Ptolemaei 
Hypothesi vollbommen und sehr kLänstlich fürstellet“ diesjes Werb 
vurde 1561 von den Meistern Baldewein und Diepel in Marburg 
ollendet. Außer einer beträchtlichen Anzahl mechanischer Kuri 
sitãten, wie sie jene Seit liebte, enthält der aus Landaraf Wil— 
»elms Seit stammende Teil der Sammlung eine Menge der 
erschie denartigsten Sonnen- und Räder-Aren, darunter ein 
ostbares Schaustüũck des Augsburger Meisters Hofmann, sowie 
por allem bemerbenswerte Instrumente zur Beobachtung des 
Himmels, wie — der Aberlieferung nach von Thcho Brahe be— 
iutßzt — eine komplizierte Rrmillarsphäre und einen Azikumal⸗ 
Juadranten, deren solide Arbeit den Ernst ihrer Anwendung 
errãät. Nicht gering ist die Zahl der Erd und Himmelsgloben 
aus verschiedenstem Material, darunter jolche aus Silber und 
olche aus Kupfer getrieben, die wertbollsten zweisellos von dem 
Schweizer Jost Byhrgi, den der Landgraf nach Kassel berufen 
und dort seßhaft geinacht halte. 
Huldigte sein Sohn und Nachfolger, Moritz der Gelehrte, 
nehr sprachlichen, literarischen und musikalijschen Neigungen, so 
hinderte der Dreißigjahrige Krieg, der auch Hesfjen sehr in Mit— 
eidenschaft zog, seinen Enkel, Wihhelim V., den Siandhasten, nicht, 
ich eingehend mit der damals erst in der Entstehung befindlichen 
geldmeßbunst zu beschãftigen, wovon in der Sammiung des Kajjeler 
Landesmuseums materieü und kulturhistorijch wertvolles Werbzeug 
Zunde gibt. Hessens bedeutendstem Monarchen. dem Sarockfũrsten 
Landgraf Carl, dem Schöpfer der Carls⸗Auec, des Orangerie- 
Schlosses und des Riesenbauwerks in Wilhelmobhöhe, des Herkules 
Monumentktale Standuhr mit Figurenspiel. 
Südwoestdeutsch, Ende 16. Jahrhunderts. 
Seelenverbauf“ oder „Soldatenhandel“ sich einzustellen. Tausend- 
mal von Historibern widerlegt, findet dieser Klatsch eines aben⸗ 
leuernden Journalisten, der es in der nach Nordamerika gegangenen 
hessischen Armee nicht zu dem erhofften Avancement gebracht hat, heute 
noch leichteren Eingang bei Lejern und Hörern als die geschichiliche 
Tats)ache, daß die europäischen Fürsten, insbesondere die deuischen, 
und darunter auch König Friedrich II. von Preußen, allgemein 
Subsidienvertrãge abschlossen, die oft jogar, wie gerade im hessi— 
jchen Fall, von den Parlamenten gebilligt oder gar gewünscht 
wurden, weil sie letzten Endes dem Lande selbst Vorteile brachten. 
Da indessen das fragliche Vorurteil, wie unbegründet es auch sein 
mag, nun einmal mit der Vorstellung hessischer Fürstlichkeiten ver⸗ 
knũpft ist, kann es kaum wundernehmen, daß die positiven Leistun- 
gen dieser deutschen Monarchen als einer seichten Geschichts- 
elitterung allzu unbequem am liebsten mit Stillschweigen über— 
gangen werden. Um so erfreulicher im Sinne einer objeltiben 
Aufhellung der deutschen Vergangenheit muß es erscheinen, wenn 
Gelegenheit gegeben wird, durch unmittelbare Sinneswahrnehmung, 
aljo geradezu handgreiflich darzutun, wie das allgemein-menschliche 
Interesse in früheren Seitläuften durch den Kasseler Hof gefördert 
worden ist. 
Eine solche Gelegenheit bietet die unlängst in neuer Ordnung 
erõffnete Sammlung astronomischer und physibalischer Instrumente 
und Apparate im hessischen Landesmuseum zu Kassel. Viese um— 
jangreiche, in fünf geräumigen Sälen und Simmeern eindrucksvoll 
aufgestellte Sammlung zeigt, fast einzig in ihrer umfassenden Art 
und in dem teilweise unschätzbaren Wert ihres Inhalis, daß die 
hessijschen Fürsten nicht nur, wie etwa aus Bauten, Parbanlagen 
und Galerien hervorgeht. die schönen Künste, sondern auch die 
Wißenschaften in einer Weise gepflegt haben, die hinter ähnlichen 
Leistungen der Monarchen weit größerer Länder nicht zurücksteht. 
Philipps des Großmũtigen Sohn, Landgraf Wilhelm iV., der nicht 
ohne Geund den Beinamen der Weise erhalten hat, ein Renaij.- 
sance-Fürst ganz großen Formats, brächte, neben inancher anderen 
Teilnahme, vor allem der Himmelskbunde das größte Interesse 
entgegen und galt in seiner Seit als der füchtigste praktische 
Astronom neben Tycho Brahe, den er mit anderen Gelehrken an 
Luftpumpe. 
Von Jan von Musschenbroeb nach o'Gravesande (Leyden). 
nit Obtogon und Kasbaden, war es vorbehalten, die von seinen 
Ahnen angelegte Sammlung astronomischer, physikalischer und 
eodãtijscher Instrumente in besonderem Umfang zu erweiteen. 
Aus seiner Seit stammen nicht nur die ersten Teleskope und
	        
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