Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

ändler betätigte. Im Jahre 1819 verlegte er seinen Wohnsitz nach 
Lübeck und unternahm von dort aus eine Forschungsreise nach 
Island, um die Geysire zu studieren und Mineralien zu sammeln. 
1825 ging er nach Rußland und besuchte den Ural und den Kau— 
asus. Dort entdeckte er einen bis dahin unbekannten Edelstein, 
den Sirkon. Nach dem Tode seiner Frau ging er 1830 mit seinen 
Söhnen nach London, wo er sich als Sprachlehrer durchschlug. 
Durch Selbststudium beherrschie er neun Sprachen und bonnte so— 
gar englische Literatur ins Chinesische ũbersetzen. 1836 beauftragte 
ihn die Sũüdaustralische Gesellschaft, die Kohlenlager in Australien 
zu erforschen. Dieser Aufgabe widmete er sich 16 Jahre lang und 
tellte aquch das Vorkbommen anderer Mineralien, besonders Gold, 
fefsft. Auf einer dieser Wanderfahrten starb er Mitte Oktober 
1852. — Nach G. Maldfeld war Menge ein Kosmopolit, der sich 
in jeinem späteren Leben nie mehr um seine Heimat gekümmert 
»at, im auffallenden Anterschiede zu seinen Schulgenossen, den 
Brüdern Grimm, die ihrem Jugendparadies im Kinzigtal eine 
ꝛührende Anhänglichbeit bewahrten. Später ist er ganz vereng- 
zändert, und seine Söhne sind im Angelsachsentum untergetaucht. 
Seine Forschungen und Entdeckungen kamen lediglich England und 
Australien zugute. Sein Bild hängt im Museum zu Adelaide. 
Niederhessjen 
im Seichen der Wurstherstellung. 
Eine Plauderei über Mundart von L. Witzel. 
Wir alten Niederhessen sind doch eigentlich gute Menschen. 
Das ergibt sich schon ganz allein aus dem Vorhandensein der 
Schlember. Böse Menschen 
paben beine Schlember. Va⸗ 
»on wird gerade unsere 
Jugend ein Lied singen 
wnnen. Ach, wenn ich doch 
auch noch mal jung wäre 
und könnte mir einen Weg 
zum Nachbar machen! Ich 
würde es tun, und wenn 
der Darm, den der Schlächter 
zum Anmessen der Schlem⸗ 
ber in die Hand nähme, 
zehn Meter lang wäre. 
Nach dem Hünfeldischen 
zu sjagt man nur „Würst- 
chen“. Daraus geht hervor, 
daß diese Leute uns die 
Sitte abgeguckt haben. Wir 
machen jeit Jahrhunderten, 
beinahe hätte ich gesagt: 
Noah, Schlember. Ansere 
ODor⸗ Vorfahren haben sich 
ein besonderes Wort dafür 
erdacht, jene aber gebrau- 
hen das nichtssagende Wort 
„Würstchen“. Was kbann 
nan sich nicht alles unter 
„Würstchen“ vorstellen?! 
Der Begriff „Schlember“ 
ist eindeutig. — Im fũdlichen Kreis Rotenburg und im größten 
Teil des Kreises Hersfeld gibts Schlemberwürstchen. Man weiß 
nicht genau, ob die Schlember⸗Anhänger aus Entgegenkommen 
ihr Wort verlängert haben, um die andere nicht bloßzustellen, oder 
ob die Wüũrstchen⸗Derehrer sich mit anderer Leute Federn geschmũckt 
haben. Jedenfalls nehmen wir zu unseren Gunsten das erstere an. 
Im Hajelgrund heißen sie allerdings „Sippelwürstchen“. Ein 
höses Wort. Entweder nimmt man so bleine Darmstückchen, daß 
nan zweimal binden muß, oder man tut die Abfälle hinein. Auf 
eden Fall aber sinds beine Schlember. 
Auch in der Sontraer Gegend sind sie erst spät heĩmisch ge— 
vorden. Man ist sogar in der glücklichen Lage, den verdienst— 
oollen Mittelsmann mit Namen zu bennen. Ihm zu Ehren sind 
die kleinen Geschenkwũrste „Schmidts Würstchen“ genannt. 
Auch, Vetterwürsichen“ habe ich dort gehört. Über dies Wort will 
—A— 
Sũdostecke des Kreises Melsungen und die Schleifwürstchen im sũd⸗ 
zstlichen Sipfel des Kreises Rotenburg. Schlember ist eben Schlember. 
Wir Niederhessen sind auch sparsame Leute. Früũher ließen 
vir, wenn das Schwein abgestochen wurde, das Blut in den Hof 
aufen, eine Freude für Katzen und Hühner! Jetzt machen wir 
Blutwurst und bereichern damit unsere Würstelaube und Rauch— 
rmammer. Eigentlich mũüßten wir ja nun diese neue Sorte eben— 
falls „Kesselwurst“ nennen. Aber Alter geht vor, und so heißt 
ie Leberwurst weiter, Kesselwurst“ und die Blutwurst eben Blut⸗ 
vurst. Wollen wir alle beide mit einem einzigen Namen bezeich- 
jen, sagen wir „Garwurst“. Unsere Landsleute aus dem größten 
deil des Kreises Hersfeld gebrauchen hierfür das Wort „Koch— 
hurst“. Auch die Leberwurst ist bei ihnen noch nicht jsehr lange Mode, 
onst jprãchen sie nicht, Leberwurst“. Der Schwartegũnter (Schwarten- 
nagen) liegt ihnen mehr, den bennen aber wir nur aus dem Metzger- 
aden. — Ein Seichen unserer Sparsambeit ist auch die Herstellung des 
Veckewerks und der Weckewurst. Wer diese Dinge nicht min— 
estens einmal gegessen hat, ist zu bedauern, und wer nicht zur 
Abendzeit einmal einen lauten Knall aus der Pfanne in der 
züche vernommen hat, dem fehlt ein Stück hessischer Bildung. 
Wir Niederhessen sind aber auch gute Deutsche. Wenn einer 
ei uns „Servelatwurst“ jagt, dann wissen wir gleich: Der gehört 
nnerlich und ãußerlich nicht zu uns. Als dies Fremdwort vor unge⸗ 
ähr zweihundert Jahren zu uns bam, haben wies sofort übersetzt. 
zeitdem reden wir von der „Hienwurst“, mundartlich „Hernwurst“. 
zollte ein Leser bis jetßt geglaubt haben, es sei eine Wurst für 
ie Herren, dann bitte ich ihn hiermit, jseine Auffassung zu ändern. 
die Herren sollten soviel Hirn haben, daß sie das der Hirnwurst 
licht mehr brauchen. Heute bommt das Gehirn nicht mehr in die 
‚rote Wurst“, der Name aber ist der alte geblieben — Hirnwurst! 
Wir Niederhesjen sind doch brave Leutel! 
Soli deo gloria— 
Diese schöne, sinnreiche Hausinschrift „Gott allein die Ehre“ 
findet man an dem Grundstein der Kirche in Geismar, welche einst 
die Mutterlirche von vielen umliegenden Gemeinden, darunter auch 
Franbenberg, war. Und darum 
undet sich diese Schrift noch 
dreimal an Privathäusern in 
der Stadt Frankenberg und 
zwar zweimal an alten Häus— 
chen am Untermarbkt und ein⸗ 
mal an der Teichmũhle, die zu 
den ältesten Mühlen Franken⸗ 
hergs gehört. Auch an der Kũck 
eite der früher zu Frankbenberg 
gehörigen Mühle Böhle in 
Schreufa ist dieje Inschrift zu 
inden und zwar auf einem 
uuf dem Kopf stehenden Ge— 
'achbalben. Man sollte diese 
Inschrift auch an neueren Bau⸗ 
ichkeiten nicht vergejjen. c. e. 
Schnurrpfeijfereien. 
Einen „bahle dot“ gemacht. 
Ein ehrsamer Schneider- 
neister schickte einem Amts⸗- 
eichter eine Schneiderrechnung, 
welche lautete: „Einen bahle 
dot gemacht macht 5 Thaler 
und 16 Silbergroschen.“ Er 
hatte dem Amtsrichter einen 
Paletot (Mantel) angefertigt, 
. und die schlechte Kechtschrei⸗ 
zung brachte ihn im ersten Augenblick in den Verdacht, daß er mit 
dem Strafgesetzbuch in Konflibt geraten sei. C. S. 
Eine Klapperschlange im Knüll. 
Nach den Erzählungen alter Leute im Dorfe G. im Knäll- 
jebirge trat dort auf der Wiese des adligen Gutes eines Tages 
ine eiesenhafte Klapperschlange auf. Als die Mäher morgens 
zur Wiese bamen und die Sensen wetzten, erhob das Tier den 
Fopf aus dem langen Grase und blapperte mit dem Schwanze. 
krschreckt flohen sie nach Hause und holten den Gutsverwalter, der 
och zu Roß und mit einer Jagdflinte bewaffnet dem Untier zu Leibe 
iehen wollte. Der Schuß ging aber fehl oder streifte nur ein 
benig das Tier, das in mächtlgen Sätzen auf seinen Angreifer 
osging, der die Flucht ergriff. Einige Male war die Schlange mit 
em Kopf schon auf dem Hinterteil des Pferdes. So bamen beide 
urch das Dorf gerast bis vor den Guishof, wo schon Arbeiter 
in den offenstehenden Torflügeln standen, um der ankommenden 
zchlange den Weg abzuschneiden. Kaum war der Keiter zum 
dor herein, so schlug man die Torflügel zu, und das Schlangen- 
ingeheuer schoß mit dem Kopf gegen das Tor, worauf es tot 
iegen blieb. — Diese Erzählung macht der fabulierenden Volks— 
hantasie alle Ehre. Vermutlich hat sie, falls diese Klapper⸗ 
hlangengeschichte einen Tatsachenbern in sich schließt, die ent— 
vichene Schlange eines durchziehenden Schauspielertrupps zu dem 
oũtigen Ungeheuer gestaltet. C. Lisius. 
Aus dem astronomischphysibalischen Museum in Kassel. 
AUhrenkammer mit Prunbkuhr. 
HDon Kaspar Hofmann, Augsburg 1600.
	        
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