Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Und gaben sich da auch gottselige Hexen an, 
Eine hatte sich lassen das Leder bereiten, 
Darumb haͤtte sie den Altar bebleidet, 
Und es ist geschehen darzu vom Geistlichen; 
Die eine hat den Daumen verloren, 
Die andere hat ihn in den Schmand geschoren, 
Der Pfärner (Pfarrer) der ist jo ungerecht, 
Er macht dem Eiffert seine Frau gerecht; 
Doch Katharinchen, ach Katharinchen kbommt herein, 
Sle hat dem Pfarrer den Beutel gestäubet“ (den Haar⸗ 
beutel gepudert) ujw. 
Fin andrer Seuge hat nur den Vers behalten: 
„Jost Albert reitet in Stiefel und Sporn 
AUnd ist ein Hexenmeister auserkorn.“ 
inige andere ärgerliche oder lächerliche Vorbommnisse im 
Dorf in die Daumengeschichte, mit der sie gar nichts zu tun 
»aben, willkürlich verwoben zu sein. Andres, wie das 
Pommerland, ist nur um des Reims willen hineingebracht. 
Den literarischen Wert dieses Machwerks wird auch der 
nildeste Kritiker nicht sehr hoch einschätzen. Am unbegreif- 
ichsten aber ist, wie man dies Gedicht, von dem aum z3wei 
Zeilen die gleiche Länge und den gleichen Khythmus haben, 
in eine sangbare Melodie hat bringen kbönnen. 
Was bei dem ganzen Diebesdaumenprozeß heraus— 
zjekommen ist? Die Abten sagen nichts davon, sie schließen 
nit den Seugenvernehmungen, das Schuldurteil fehlt. Aber 
z2s ist anzunehmen, daß er ähnlich ausgegangen ist, wie das 
hornberger Schießen. Die Tatjsache selbst, die dem ganzen 
Spebtakel zu Grunde lag, der Diebesdaumen im Bier, ist 
eugeneidlich nachgewĩesen. Der vermutliche Hauptattentäter, 
zer Lehrer Kehbein, wird frei ausgegangen sein; es war 
a gar beine Anblage gegen ihn erhoben, sondern nur ein 
Oerdacht ausgesprochen, für den der Beweis dem geriebenen 
Manne gegenüber schwer zu erbringen war. Dem älteren 
Lips war nach den Seugenaussagen eine Beteiligung an 
der Sache baum nachzuweisen; und sein Sohn war offenbar 
zin harmloser, lustiger Bursche mit einem offenen Herzen 
ind einem geschwätzigen Mundwerk. Irgend welche Bös— 
villigkeit, ein animus injuriandi, war ihm kaum nachzuweisen, 
as törichte Lied scheint es ihm angetan zu haben. Vielleicht 
»at man ihn, um den Klägern eine Genugtuung zu geben, 
14 Tage brummen lasjen, wenn ihm nicht die Untersuchungs- 
»aft, aus der ihn sein Dater befreit, darauf angerechnet ist. 
Das Schelmenlied aber von dem Diebesdaumen zu Großen- 
itte wird weiter gesungen sein. (Ortsrepositur Großenritte.) 
Ein andere Lesart des ersten Bruchstücks lautet nach 
Aussage des Müũüllerssohns Thiele Döring: 
„Nun höret, ihr Herren, ein neues Gedicht, 
Was jetztund allhier geschicht. 
Zum Hopp Hopp Hei, zum Tirriderei! 
Was hat uns dann der Daum gebracht? 
Der hat uns den Kump ganz neu gemacht. 
Was hat uns denn der Daume zum andern gebracht? 
Er hat uns ins neue Wirtshaus neue Offen gemacht, 
Darbeĩ des Daumen⸗-Wirt gedacht. 
Nun höret, ihr Herren, ein neues Gedicht, 
WMas jetzt von den gottseligen Weibern geschicht: 
Eine hat den Daumen verloren, 
Die andere hat ihn in den Schmand geschoren, 
Sie kriegt den Schmand aus Pommerland.“ usw. 
Es folgt ein Vers, der zur Wiedergabe zu unflätig ist. 
Manches in diesem Poem ist uns unverständlich. Der 
neugemachte Kump wird wohl ein neuer Braubessel sein; 
welchen Susammenhang die Daumengeschichte mit dem neuen 
Ofen im Wirtshaus hat, ist nicht kLlar. ÜUberhaupkt scheinen 
Herbstgesicht d Von Th. Endemann. 
In den Eichen brennt des Abends Glut, 
Slatt um Blatt tropft nieder, rot wie Blut, 
— Wie die düstern Funken im Verglühn 
Aus der umgestürzten Fackel sprühn. 
Kennst du wohl den Jüngling mohnbebränzt. 
Dessen Stirn in bleicher Schönheit glänzt, 
Der sich müde auf die Fackel lehnt, 
Dem das dunkle Auge Schwermut dehnt? 
Siehst du, wie das Leben vor ihm flieht? 
— Blätter fallen. und der Tag verglüht. 
— 
Aus alter Seit. 
Zum Namen Hersfeld. 
Von De. Kudolf Homburg, Kassel. 
Nur Beharrung führt zum Siel. 
Meine gleichnamige Abhandlung in Ar. 21 1021 dieser Seit⸗ 
schrift galt zuvörderst der Abwehr eines Angeiffs; sie brachte 
injosern die Untersuchung an sich nicht eben viel weiter. Immerhin 
tellte ich ausführlich fest, daß der erste Bestandteil in Hari⸗, Hair⸗ 
und Herulfisfeld nur Schreibung für hard — Wald sei, daß aljo Her⸗ 
oder Hersfeld „Waldfeld“ bedeute. Sugleich machte ich — worauf 
es mir im Grunde genommen stets nur ankam — wieder wahr⸗ 
scheinlich, daß in den durch ullis und olles verwandten Namen von 
Hersfeld und der umliegenden Orte beine Personen⸗, Gründer⸗ 
oder Besihernamen, sondern Wald oder Gelände bezeichnungen, 
also rein örtliche Namengebungen enthalten seilen. Inzwischen 
gelang mie (endlich!) auch eine zweifelsfreie Deutung diejes Grund⸗ 
wortes olles. Dieses bommt bebanntlich in zahlreichen Personen- 
namen vor, wo es stets mit „Wolj“ gedeutet wird; so hätte es 
fast ein crimen J. m. gegen die Hohe Namenjorschung bedeutet, 
es hiler anders zu fasen. Sudem erklärten Arteilsfähige diese 
Deutung stets als durchaus einwandfrei; nicht zum wenigsten mit Blich 
auf unser Gebiet: vgl. das benachbarte Wollishart; O. N. wie 
Wolfersh. Wolferode u. a.; Sturms Klagen über die Wolfsplage. 
Unablassiges Suchen in den Wörterbüchern nach einer etwa anders- 
möglichen Ableitung dieses Herzstücks in den Namen blieb stets 
ohne Ergebnis. Und dennoch ließen Sweijsel nie ganz locker: 
Dieser Sestandteil kLommt nämlich auch in O. M. außerhalb 
unseres Gebietes vor, wo an den „Wolj“ als Grundton weniger 
zu denken wäre; ferner wird olles in solchen Fällen öfters durch 
Ausdeücke für Wald und Jagd erseßt, bzw. damit vertauscht. 
Rengshausen (Kotenburg), urspr. Hersf. gehörig, hieß Kingolvesh., 
Zenhartzh, Regingozesh. Wir sehen also hier obves — hartz 
Waldes) u. — gozes, godes d. i. Jagd. NMur Ortsnamen- 
orschung — unverdrossen hieraufhin sortgesetzt — ließ also Klar⸗ 
eit erhoffen. Und sie kam! Helpoldejsen (1241), wũst b. Greben⸗ 
ein, heißt 1251 Hilwoldeshusen, 1293 Hild olves husen und 
dilde ˖ voldes ·husen. Es bleibt bein Sweifel, daß olves — woldes, 
oldes d. ĩ.WMaldes, wie bei Rengsh. — hartz, hardes. Der F. N. 
Vo lrabe ist⸗ Waldrabe (Wallraffl); Wolrad, Volrad — Siedler 
iuf der Waldrode. In diesen und ähnlichen Namen ist also d (in 
Vald) unterdrüũckt; woldes (vol (d) es) aber ist zu olves umge⸗ 
ellt, wie auch loff aus olf umgestellt ist. Von hieraus erblären 
sch die O. NM. um Hersfeld (endlich!) zwelfelsfrei: Rycholfes 
Keilos) — Rehwalds(hausen); Starkolves (Stärblos, Stärke — 
unge Hirschkuh) — Hirschwaldshausen; Siegolfes (Sieglos) — 
zauwaldsh.; Therolfes (Dirlos): Tyr- oder Hirschwaldsh., vgl. 
zierenberg! Ditolfisrode (Dittlofrod) — Dachswaldsrode; Dit 
ius Det, Dat; Datterode! Frytolfes — Hegewaldshausen, Friede- 
oald! Machtuljfis (3 Orte!l), sämtlich wie das gleichzeitige thür. 
Nehderstete, heute Mechterstedt, zu Mahd — Wieje, also: Weide⸗ 
valdsdorf; vgl. Weiterode, um 1000 Widenrode; Weidenhausen. 
Vellerode aus Wynebolderode, d. i. Weidewalds rode. Will⸗ 
„Ifisbach: Ort am Wildwald- oder Wildhagenbach. vgl. O. N. 
Vildenwald; Wildenbruch, F. N. Willhart. — Ich verweise nun 
luf die Bezeichnungen hart, Hard d. i. Bergwald; holt, HSolz — 
qußzungs oder Brandwald? Forst — in Pflege genommener Wald; 
m Gegensatz dazu „Wald“, noch erinnernd an „Wild“ und Urwald? 
Zie sind da und werden m. W. gleichhäufig gebraucht, in ältester Seit
	        
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