Die jüũngere Knüllhäsin saß in der Nähe der Lampe und stopfte
Strümpfe, während der alte Knüllhase elwas ausgegangen war,
um in des „Teufels Gebetsbuch“ zu studieren. Da plößlich geht
die Stubentür auf, und ein baumlanger, wũster Geselle kommt in
die Stube gestürzt, faßt den Mehlsack im Gewicht von ca. zwei
Zentnern mit den Sähnen und trägt ihn so von einer Bank
auf die andere, wettert und schimpft auf die Menschheit; auf ein
Leben bäme es ihm gar nicht mehr an, denn er hätte soeben
in einem Nachbardorf schon einen Bauern tot geschlagen, und
wenn er jetzt bein Geid bekäme. schlüge er uns alle drei Stuben-
injasjen tot.
AbIV
Schemel auf die Erde und verbroch mich wie ein Küchlein unter
Muͤtters Schũrze. Die Mutter war nicht mehr weit von einer
Ohnmacht, hatte aber doch noch die Geistesgegenwart, meiner
Schwester etwwas ins Ohr zu sprechen, worauf diese in der Stuben-
lũr verschwand. Sie sollte den Dater rufen, der auch in einigen
Minuten ankam. Der war ein Knällhase, aber bein Angsthase.
— Ein Grijff ũber den Ofen nach einer dicken Holzbliwwer, ein
Donnerwetter und — der Käuberhauptmann war mit einem Sprung
zur Haustür hinaus und spurlos verschwunden. C. E.
Und noch Geld dazu!
Meister Kasper, der Tischler, ging allsonnabendlich zu Herrn
Suscho, dem Sadarbkräusler und Bartschrapper, der auch Sähne
zog, um sich für den Sonntag verschönern zu lassen.
Sonnabends pflegte aber Frau Buscho den Frisierladen zu
eeinigen. Deshalb verlegte an diesem Tage Herr Buscho die Aus-
ibung seiner bũnstlerijchen Tãtigbeit in ein Simmer hinter der Kũche.
Als Meister Kasper wieder einmal zum Bartputzer kam, war
die Frau gerade am Keinemachen. Sie bat ihn, durch die Küche
in das Hinterzimmer zu gehen. Als er die Käche betrat, stieg
ihm ein feiner Duft in die Nase. Er schnupperte umher und ent⸗
deckte auf der Pfanne ũber dem Herdfeuer ein Beejsteakb, das
die gute Frau ihrem lieben Manne briet. Meister Kasper machte
ich daran und verzehrte den Leckerbissen. Nachdem er sich hatte
das Haar scheren und den Bart putzen lassen, wollte er seine
Schuldigkeit mit einer Marb begleichen. — „Ich will dir was sagen“,
neinte der geschãftige Bartbratzer, „hab beine Seit zum Rausgeben,
geh zu meiner Frau und bezahls ihr!“ — Meister Kasper ging durch
die Küche. — „Frau Doktern, Ihr Mann hat beine Seit. Sie sollen
mir fünfundzwanzig Pfennig rausgeben!“ — Die Frau gab dem
Schalb jünfundzwanzig Pfennig raus, ohne daß sie oder ihr Mann
iberhaupt etwas erhalten hatse. — Am Abend war Meister Kasper
im Berein „Frohsinn“, dem auch Herr Buscho angehörte, ohne
heute da zu jein. Da rũhmte sich denn der Meister seines Streiches:
Heut han ich die Haare geschnitten kriegt, ein Beefsteab gegessen
ind noch fünfundzwanzig Pfennig rausbekommen!“ K.
Singe, wem Gesang gegeben.
Die Melsunger sind von jeher ein sangesfrohes Völlchen ge⸗
vesen. Das beweisen heute noch die Gesangvereine, die hier be⸗
tehen. Aber nicht nur den weltlichen Gesang und die patriotischen
dieder pflegen sie, sondern ebenso den Kirchengesang und die
eistlichen Lieder. Da war nun im Anfang des vorigen Jahr-
underts ein Metropolitan in Meljungen, der hörte sich lieber auf
er Kanzel sprechen als die Gemeinde singen. Sonntags ließ er
»om Hauptlied nur einen Vers singen, höchstens aber zwei Verse.
das gefiel den Kirchengängern schlecht, sie hätten zu ihrer Er—
auung und zur Befriedigung ihrer Sangeslust gern fünf bis jechs
derse gesungen, wie sie es gewohnt waren. Deshalb murrten sie
eimlich und laut darũber, jedoch vergeblich. Da- wandten sie sich
im die Kirchenältesten, die mußten ihre Wünsche dem Herrn
Middelbuldan“ vortragen und ihn bitten, doch mehr Verse singen
u lassen; aber anscheinend auch ohne Erfolg. Da stand eines
zonntiags das Lied 298 aus dem alten Gesangbuch auf den Tafeln.
Als die zwei ersten Verse gesungen waren, sahen alle höchst er⸗
taunt, daß auch der dritte noch gesungen werden sollte. Beim
zchluß des vierten klappten viele die Bũücher zu und sahen dann
nit Verwunderung, daß der Herr Middelbuldan noch nicht auf
der Kanzel stand und sangen mit Begeisterung auch den fünften
och. So ging es weiter durch den sechsten, siebten und achten.
da wurde die Gemeinde unruhig, und der Küster oder Opfermann,
er seinen Platz neben dem Pfarrstand an der Kanzel hatte, sah
ach dem geistlichen Herrn hin, ob es ihm vielleicht nicht gut oder
b er eingeschlafen sei. Doch der sang aus voller Brust mit und
hien die Unruhe der Gemeinde nicht zu merken. Als nun der
wõlfte Vers gesungen war und er immer noch nicht auf der Kanzel
eichien, ging ein Kirchenältester hin und fragte: „Herr Metro-
olitan, wissen Sie denn, daß wir den dreizehnten Ders eben
ngen?“ — „Jawohl, mein Lieber, das weiß ich genau, denn ich
inge ja mit und erfülle Euch damit Euern Wunsch betreffs längern
zejanges. Ich habe extra dies schöne Lied mit neunzehn Versen
usgesucht.“ Er ließ achtzehn Verse vor der Predigt singen und
en neunzehnten hinterher. Sehr erbaut war die Gemeinde über
ieje zu große Erfũüllung ihres Wunsches nicht, auch wurde die
)redigt nicht mit der nötigen Andacht angehört und auf dem
»eimweg wurde füchtig räsoniert. Eine Seitlang hereschte auch
5pannung zwischen Gemeinde und Pfarrer, doch die Gemeinde⸗
inder söhnten sich wieder mit ihm aus, als er jeden Sonntag fünf
is sechs Verse singen ließ, und nahmen ihm auch den kleinen
Kachecabt nicht weiter übel.
Auf der Hoimatwarte.
DOr. Eduard Lohmeyer f.
In Kassel verschied der frühere langjährige Direktor der
hejsijchen Landesbibliotheb, Bibliothebsdireltor a. D. Dr. Lohmeyer.
fr war 1847 in Kinteln geboren, besuchte das Gymnasium jeiner
ODaterstadt, studierte in Heidelberg, Leipzig, Marburg und Berlin
Kechtswijjenschaft, später Philologie und vergleichende Sprach-
wissenschaft und wurde 1882 3weiter, 1886 erster Bibliothekar an
der Landesbibliothek. Im Jahre 1912 trat er in den Ruhestand.
Er veröffentlichte sprachwissenschaftliche Abhandlungen und die
„Handschriften des Willehalm Ulrich von Türheim“.
Der Präsident des Landesbirchenamtes.
Am 80. Soptember schied der Landgerichtsdirektor De. Karl
Sähr aus dem preußischen Justizdienst aus und wurde an Stelle
des verstorbenen Dr. Karl Stamm Präsident des Landesbirchen-
imts der evangelischen Landeskbirche in Hessen. Der neue Präsident
jt am 30. Wai 1880 in Kassel geboren. Nach dem Besuch des
Friedrich U Gymnasiums studierte er die Rechte, war einige Jahre
in Koblenz tätig und Lam nach dem Weltkrieg, an dem er mit
Auszeichnung teilnahm, als Landrichter nach Kassel, wo er 1922
zum Landgerichtsdirektor ernannt wurde. Nebenamtlich leistete
er der evangelischen Landesbirche bisher schon wertvolle Dienste,
auch trat er schriftstellerijsch in der Tagespresje hervor.
Die Hindenburgbrücke bei Rinteln.
Am 30. Soeptember fand die feierliche Einweihung der neuen
Weserbrũcke bei Rinteln statt. Landeshauptmann von Gehren
ibergab die Brücke mit den besten Wünschen für die Entwicklung
der Weserschiffahrt und der Stadt KRinteln dem öffentlichen Verkehr.
Der Kintelner Bürgermeister Dr. Wachsmuth taufte die Brücke
mit Genehmigung des Reichspräsidenten auf den Namen Hinden-
durgbrũcke. Abends fand eine festliche Beleuchtung der neuen
Brũcbe statt.
Jubiläum der Marburger Säckerzunft.
Ende September beging die Marburger Bäckerinnung ihr
ũnfhundertjãhriges Sunft⸗ und sechzigjaähriges Innungsjubiläum.
Vann der erste Gildebrief ausgestellt wurde, läßt sich nicht mehr
ejtstellen. In einer Urkunde aus dem Jahre 1895 ist von Bäckern
ie Rede. Am 1. Januar 1422 erneuerte Landgraf Ludwig J.
zie Statuten der Marburger Bäckerzunft. Die Sunft ist dann
494 und später durch landesherrliche Urkunden mehrfach erneuert
vorden. Die Sunft hatte die Stadt Marburg mit Brot zu ver—
ehen. Daß das Bäckergewerbe sich in den Familien vererbte,
eigen Namen wie Kaabe, Schott, Kunbel und Waͤtthäi, die noch
eute in der Marburger Bäckerinnung vertreten sind. Nach dem
Zückgang des Sunftwesens gründeten die Bäckermeister eine freie
innung, die seit 1920 unter der Leitung des Obermeisters B. Kaabe
teht. Mit der Jubelfeier wurde auch die Weihe einer neuen Innungs-
ahne verbunden.
Kleine Chronik.
Oberstudien-⸗Direkkor Geh. Kat A. Schulte⸗Tigges, der
deiter des Realgymnasiums in Kassel, trat mit dem 1. Obtober
n den Ruhestand. Anläßlich der Abschiedsfeier im Realgymnasium
vpurde eine Plabette mit dem Bild des verdienstvollen Schulmannes,
zer dem Realgymnasium von 1904 bis 1020 vorstand, enthüllt. —
In Meljungen will man, einer Anregung des Verlegers der
Heimat · Schollen“ folgend, das Wahrzeichen der Stadt, den Barten⸗
veßer, nach dem alle Melsunger daheim und draußen genannt
verden, am Giebel des erneuerten Rathauses anbringen lassen.
Zeim mittäglichen Glockenschlag joll der Bartenwetzer wie in alten
zeiten jeine Barte wetzen und allen Bürgern ein Mahner zur
kinigkeit und zur treuen Pflichterfüllung sein. Die Aufbringung
er Kosten wird durch freiwillige Spenden erfolgen.
Nachdruck nur nach Übereinkunft mit dem Herausgeber gestattet.
herausgeber: Konrad Bernecher. Deuck und Verlag: M. Bernecher, Melsjungen.