Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Stunde ist da. „Kattatam, rattatam!“ klingt es durch die Straßen Und der Oberstleutnant schwingt sich auf sein Pferd, um die 
der Staodt. Kaährung zu verbergen, die ihm heute schon zum zweitenmal brennend 
Weinend eilen die Frauen in die Häuser, reißen ihre Kinder durch die Seele zieht. 
an sich, packen die Bũündel zujammen und schauen mit gehetzten Ein strahlender, stolzer Blick gleitet über seine Soldaten, dann 
Blicken den badischen Jägern nach, die mit Sack und Pack zum ꝛrblingt wie Jubelruf sein jchmetterndes Kommando: „In Kolonnen 
Sammelplaß eilen. ormiert! Marsch!“ 
Auf dem Warktplaß steht, mit einem Gesicht wie aus Stein Immer hoher lecken die Flammen an den in Brand gesteckten 
gemeißelt, Oberstleutnant Lingg. Dier Häuser sind ausgesucht, Häusern. doch auch der Himmel haät ein Einsehen mit der Angst 
die in Brand der Bürger, der 
gesteckt werden Wind schweigt, 
sollen: das bis die Gebãude 
Fouragemaga- in Asche liegen. 
zin im Stift, Die Bürger, 
das Haus des diegeflohensind, 
Soldaten An— behren allmäh⸗ 
ton Buch am lich wieder in 
Eichsfeld, das dieStadt zurũck. 
Sondersiechen⸗ So wurde 
haus an der die Stadt Hers⸗ 
Fuldabrũcke, feld, die laut 
das Exerzier- Befehl des 
haus auf dem Kaijers der 
Marktplatz. Franzosen dem 
Stroh u. Keisig Untergang ge— 
sind hineinge⸗ weiht war, 
schafft worden, durch die hoch⸗ 
die Brandkom⸗ herzige Tat 
mandos stehen eines edelmũ⸗· 
bereit, aber noch tigen Mannes 
zögert Lingg gerettet. In Erz 
mit dem Be— gegossen steht 
I ein Standbild 
führung. ilendeeWe 
uĩ, heult tes, und sein 
abeꝰ hin bWil Name wirdfort · 
Nordwest, miß leben im Ge⸗ 
tönig kreischt dãchtnis der 
immer noch die Kinder und Kin⸗ 
Wetterfahne deslinder der 
am Hause des gerettetendank 
Gasthofes, Zum baren Stadt! 
Stern‘“. Die 
Hände auf seinen Degen gestützt, steht Lingg vor seinen Soldaten. 
Oerdammt wenig ehrenvoll ist der Auftrag, der ihm da geworden. 
Lieber im Kanonendonner und Schlachtenlärm stehen als den 
Jammer und das Elend der Vürger mit ansehen müssen. Je 
nun, der Befehl ist gegeben und muß ausgeführt werden. Wenn 
nur der Sturm nicht wäre! 
And in seinem Sinnen fällt Lingg ein, daß die rostige Wetter⸗ 
fahne dort oben nicht mehr krächzt. Er blickt auf, sieht die Soldaten 
wartend stehen und wird im gleichen Augenblick gewahr, daß der 
Sturm in den Lüften eingeschlafen ist, es ist ganz windstill geworden. 
Eine Fügung Gottes, denkt er mit einer seltsamen Rührung 
im Herzen, reißt sich zusammen und gibt mit klangloser Stimme 
den Befehl, die Brandfackel zu schleudern. 
Die Kommandos rücken ab. Bald schlagen an vier Stellen 
der Staͤdt die Flammen empor. 
Oerzweifelte Bũrger stürzen mit ihren Habseligkeiten zum 
Tore hinaus. „Weinend sieht man Hauspväter, Weiber und Kinder 
mit ihren Bündeln zur Stadt hinduswandern“, so schreibt der 
Kirchenbuchchronist, um anderwärts Kettung zu suchen. Mehrere 
hatte die Bestürzung und der Schreck so ergriffen, daß sie wahn⸗ 
sinnig wurden.“ 
Auf dem Markbktplatz aber steht Lingg vor seinen Soldaten, im 
ersten Glied die Badener, im zweiten die Italiener. Stählern 
blicken seine Augen, und metallisch ist seine Stimme, als er jetzt 
langsam den kbaiserlichen Befehl vorliest. Und während seine 
Augen jeden einzelnen der Soldaten zu durchdringen scheinen. 
fügt er mit feierlichem Ernst, jedes Wort betonend, hinzu: 
„Soldaten! Der Befehl zur Plünderung ist gegeben, sie ist uns 
ũbertragen und jedem von euch erlaubt. Ich hoffe jedoch nicht, 
daß ein badischer Jäger in einer Stadt, in der er soviel Gutes 
genossen, plündern wird. Wer Lust zu plũndern hat. der trete vor!“ 
Tiefe Stille. 
Kein Mann rührt sich. 
Einen Atemzug lang wartet Johann Baptist Lingg; dann 
nochmals diejelbe Aufforderung. 
Schweigen. 
Wie Mauern stehen die Soldaten. 
In den engen dunklen Straßen, die am Fischstein, dem Plaß 
zum Fischverbauf, vorbei zum Marbkt führten, war es kaum zum 
Durchkommen. Von allen Seiten strömten die Leute herbei, um 
den Michgeli-Markt zu besuchen, der heute in Kassel abgehalten 
vurde. Neben wohlhabenden Bürgern, die an der Seite ihrer 
Hattin und Töchter gravitätisch dahinschritten, drängten sich Land 
ieute in barchentem Wams und verschnittener Kappe. 
Was gab es aber auch alles heute hier zu sehen. Da hatten 
die ehrsamen Handwerker der Stadt und die Häansegreben, die
	        
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