Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Bursche, der sich als wohlbeleibter Herr ausstaffiert hafte haut ihn, daß die Fetzen fliegen! Das stärkt die Arme 
und gravitätisch einherstolzierte. Der gewaltige Bauch, mit ind schwächt das Portjuchheel“ Als er aber nun Hugo 
Federbissen gepolstert, ließ ihn kaum die eignen Füße sehen. nit seinem großen Gefolge herankommen sah, war er rein 
Ein fingerbreiter Kragen umschloß den quabbeligen Speckhals. ius dem Häuschen und schrie in toller Freude: „Hurral! 
Ein breiter, schwarzer Filz saß dem abgebrochenen Riesen auf setzt kommt der Probst aus Hamburg! Achtung, Herrschaften! 
dem Kopf. Der kleine Maltersack trug einen hochfeinen Stoch, Der Probst aus Hamburg bommt mit seinem Adjunktus! 
dick wie ein Ochsenziemer; er trug ihn zierlich und geckenhaft. Der haut den Lubas, daß die Fetzen fliegen.“ Er spuckte 
So zog das edle Brüderpaar durch das Gedränge, und a die Hände, faßte den Hammer, tat, als wollte er das 
ein Schweif von Neugierigen heftete sich an die beiden. lanze Ding zu Grus und Mus schlagen, wandte sich mit 
Der Platz vor den Buden leerte sich, die Ausrufer schrieen iner überraschenden, zum Lachen reizenden Wendung nach 
sich umsonst heiser — alles lief den Juxbrüdern nach. Mit en beiden um und reichte dem Dicken den Holzhammer hin. 
steifer Grandezza bestiegen sie das Berg- und Talbarussell, Der versuchte, mit einem Schlag auf den Bolzen den Kiegel 
das durch einen Tunnel fuhr. Dor dem Einsteigen in die ochzutreiben und das Sündhütchen an der Spitze des Kraft- 
bon zwei Schwänen gezogene Prunkkarosse wandte sich Hugo aessers zur Entladung zu bringen. Es gelang ihm nicht. 
nach den Marbtbesuchern um und zählte: „Anner, zwoon, Alles johlte. Er stellte sich ganz gebnickt, ächzte, stöhnte 
dräil“ und die tausendköpfige Menge antwortete mit dem nd ließ endlich den Schlägel braftlos aus den Sänden 
alten Rufe „Brorrer Lolls“, an dem sich die Hersfelder illen. „Her damit. du Schwachmatikus!“ sagte Hugo, der 
in der Fremde als Kinder einer Stadt erbennen. Dann Lange, schwang den Hammer über seinen Kopf empor und 
nahmen die beiden höchst umständlich Platz. Im Nu war upposl! saß der Schlag, rasselte der Kiegel, knallte der Schuß. 
das bunte, mit lärmender Musik bewegte Vehibel überfüllt. hugo kreuzte die Arme, die Hände am Bizeps, und sah 
Vie ein schwärmender Bien in einen Baum fällt, so fiel ich voll Stolz um. „Der bann's, der bann's euch aber!“ 
das schaulustige DOolkb ins Karussell. Der Besitzer und seine ief ein steinaltes, verhußeltes Bäuerlein, das nur noch 
Leute freuten sich schmunzelnd des unerwarteten Suspruchs inen schiefen Hauer im zahnlosen Mund hatte. „MAijeh, das 
und hatten nicht Hände genug, den Groschensegen einzu- t euch ein andrer Kerl als der Dicke dal“ — „Gelt, du“, 
kajsieren. Als der edle Don Hugo mit seinem Herzbruder igte Hugo, braulte dem Bäuerlein unter dem Stoppelkinn 
wieder aussteigen wollte, lud der Besitzer die Herren ein, nd lachte es verliebt an: „Alter Bursch, du gefällst mir. 
hn weiterhin zu beehren und ohne Entgelt in den roten Venn du ein Mädchen wärst, tät ich dich heiraten!“ Die 
Plũjchpolstern zu verharren. Die Edlen geruhten, die Ein- lmstehenden lachten, wie von einem Erdbeben geschüttelt. 
adung anzunehmen. And so fuhren sie wohl eine halbe dugo griff zum Schlägel, und wieder brachte der Schuß. 
Stunde lang über Berg und Tal und sahen mit würdiger Der Kraftmensch rief Hugos Leistung in alle vier Winde 
Hejpreiztheit auf das Gewimmel der Mitfahrenden und die inaus. Dann steckte er ihm ein „gebackenes“ Sträußchen 
unten gaffende Menge. Hugo hatte Mühe, den Schelm, nit knallrotem VRöschen und giftgrünem Blatt an die Brust. 
der laut aus ihm herauslachen wollte, zu bändigen und die dugo verzog sein Eulenspiegelgesicht und raunte dem bleinen 
Würde zu wahren. — Endlich fühlten sie sich genugsam um- Dicken zu: „Wie ein Pfingstochsel Nicht wahr?“ Dann 
getrieben. Sie verließen das rotierende Vergnügungsfahrzeug hwangen sie beide die Hüte und zogen über den Marbt— 
und versäumten nicht, sich von den schwarzäugigen Karussell- latz davon, gefolgt von der Menge des schaulustigen Volkes. 
damen mit Kußhand zu verabschieden. Die Suschauer lachten kehe sich aber die beiden Schelme ganz vom Gewimmel der 
und folgten ihnen weiterhin. — Auf dem Weg zum „Lukas“ Warbtleute loslösten, wandte sich der Dicke noch einmal 
ührte der Zufall die beiden Spaßvögel dicht an mir vorüber. urück mit dem Kuft „Anner, zwoon, dräil“ — „Brorrer 
Hugo, mein ehemaliger Käuberhauptmann, nickte mir mit dolls! Brorrer Lolls!“ ging es wie Donnerrollen über 
bergnügtem Swinkern zu. „Daß du daheim reinen Mund en abendlichen Marktplatz. Die hohen, alten Giebelhäuser 
hältst“, sollte das besagen, „und mich nicht in die Bredulljs,e jaben den Ruf zurück, und die herbstlaubbunten Linden- 
»ringstl!“ Nun, ich habe ihn nicht in die Bredullje gebracht. vipfel begleiteten ihn mit feierlichem Kauschen. 
Die beiden kraten am „Lubas“ an, wo der Kraftmensch Indessen waren die beiden lustigen Freunde in einer 
die Menge mit dem üblichen Kuf lockte: „Haut den Lubasl der engen Gassen Alt-Hersfelds verschwunden. — 
Oberstleutnant Lingg õ Von Karl Engelhardo. 
Das war vor hundert Jahren Eine Frau in redlichem Sorne Vor den Toren mögen indessen 
Zu Hersfeld in der Stadt, Wollte auch nicht tatlos sein; BGeladne Geschũtze stehn — 
Es waren die guten Bürger Sie schlug dem welschen Hauptmann Widersetzt sich nur einer, soll ũber 
der welschen Tücke satt. Buillien die Sähne ein. Die Stadt ein Gewitter gehn! 
Von Woche zu Woche frecher Ein Leutnant bommt gegangen An Lingg, den Oberstleutnant, 
Spreizte sich ihr Mut, Und mischt sich ins blut'ge Geheßz, Mit dieser Order zurück!“ ... 
Da fieberte manchem die Ader, Dem relßen sie — eischl von den Schultern Der war ein Mann und ein Deutscher —: 
Da bochte manchem das Blut. — Die französischen Epaulettis... Hersfeld, das war dein Glück! 
Sis einst ein Italiener Ein Schuß — woher geflogen? Was wirbeln die Trommeln? O wehe, 
Einem Bürger Händel bot. kr pfiff aus nem Fenster — o wehl Nun zieht das Wetter herauf! 
Der lief mit Klagen und Schrelen dintaumelt ein Italiener Der Lingg, der Oberstleutnant, 
Auf die Straße in jseiner Not. Tot in den Februar⸗Schnee. Stellt jeine Soldaten auf: 
Sogleĩich aus allen Türen Mapoleon tät es erfahren — Seine schmucken badischen Jäger. 
Soldaten und Städter herbei; Er war im Polenland. Dann jpricht er: „Herdus, wer will! 
Da war's mit der Hersfelder frommen Er sprach: „Sofort an vier Ecken Befehl ist's, die Stadt zu plüũndern — 
—Afx 5teckt mir die Stadt in Brand! Wer wagt's?“ ... Doch alles still! 
Und Handgemeng und Rufe: Im übrigen: geplündert Und nochmals: „Findet sich beiner? 
Wir haben ein Bürgerrecht; Ohne Gnade wird Haus um Haus! Ist beiner so sehr ein Tor, 
Da fielen die Welschen wie Mücken Ein furchtbar Exempel treib euch Seine eigenen Brũder zu schatßen — —“. 
Auf der Straße in wildem Gefecht. Die rebellischen Mucken aus! Neinl beiner tritt hervor. 
Aus .Kattenloh“ von Kaerl Engelhard. Verlag A. Bernecker. Melsungen.
	        
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