Forderung stellt sich die Sammlung „Deutsche Volkheit“ mit ihren
herelichen volksbundlichen Bändchen. Sie bedeutet im Schaffen
Paul Saunerts einen gewissjen Abschluß, aber einen solchen, der
uf kein Ende weist, sondern einen neuen Anfang bedeutet. Das
cheint widersinnig zu sein, erhält aber in dem Begrijf der deutschen
DVolkheit und im gesamten Kulturwirken Saunerts für das Leben
»on Sage und Märchen unjserer Tage seine begrijjliche Klarheit.
Wie die Brüder Grimm einst durch Märchen und Sagen zu
veiteren Quellen des deutschen Volbstums geführt wurden, um da
hervorragendes zu leisten, wird sicherlich auch Paul Saunert zu
solchen Orten gelangen; ein geplanter Schlußband seiner „Märchen
eit Grimm“ läßt das bereits ahnen. Aber auch sein bisheriges
Werb steht in dem Geistesleben der Gegenwart auf so hoher
Warte und bei so tiefer Quelle zugleich, daß der Einsichtige nicht
daran vorübergehen bann, ohne seinen Schöpfer, den stillen Ge—
ehrten mit den tiefen Augen, ehrerbletigst zu grüßen. Das sei
ruch der Sweck dieser Seilen, die dem Nachfolger der Brũder
Hrimm Freunde und Verbreitung schaffen mögen, „daß wir uns
ius Chaos und Versumpfung zu neuer harmonischer Form gestalten“.
Naturdenkmalpflege in Kurhessen
und Waldoeck.
Anlãäßlich des „ll. Deutschen Naturschutztages“ (Anfang
August in Kassel) gab die „Bezirksstelle für Naturdenkmalpflege
m Kegierungsbezirk Kassel und in Waldeck“ ein neues Heft ihrer
Mitteilungen“ heraus, die neben Inventaren von Naturdenkmälern
ind der Mitteilung wichtiger Gesetze und Derordnungen eine
Übersicht über die Organisjation der Naturdenkmalpflege im Reg.
Bez. Kassel und in Waldeck bringen. Diese jetzt durchgeführte
Neuorganisation erwies sich als notwendig, da von einer Stelle
rus nicht das weite Gebiet von Kurhessen und Waldeck hinsichtlich
er Naturdenkmalpflege bearbeitet werden konnte. Es wurden die
einzelnen natũrlichen Landschaften, ungefähr im Anschluß an die alte
bewährte burhessische Provinzeinteilung, Landschafts- und Kreis—
fellen für Naturdenkmalpflege unterstellt und dadurch mit einer
größeren Handlungsfreiheit ausgestattet. Eine solche, in ihrem
Vesen föderalistijsche Selbständigkeit der Gaue ist ein Erfordernis
jerade des Naturschutzes, der oft schnell und an Ort und Stelle
chũtzend und wehrend eingreifen muß, wenn er nicht jseine besten
WVirkungsmöglichkeiten einem langen Instanzenweg und dem
Schickjal „Zu spät“ opfern will. So ist denn zu hoffen, daß diese
Neuerung auf organisatorischem Gebiet auch eine geistige Befruch-
ung und Belebung des Naturschutßes bringen wird, vor allem,
venn die einzelnen Stellen über den engen Rahmen der Natur-
Denbmalpflege“ hinaus sich jũr großzügigen Naturschutz einsetzen
ind besonders die heranwachsende Generation und die Land-
evõlberung zu erfassen suchen, eine wegen ihrer Schwierigbeiten oft
oernachlässigte, aber gerade deshalb wichtige Aufgabe eines Natur-
chutzes, der wirblich allgemeine und durchschlagende Erfolge erstrebt.
Die Hoffnung auf einen Aufschwung der Naturschutzbewegung auch
zurch die genannte Neuerung in der Organijation stützt sich zudem
uuf die erfreuliche Tatsache, daß die in den einzelnen Gauen
ätigen, mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten „Geschäftsführer“
und Mitglieder der Landschaftsstellen sich gern in den Dienst der
allgemeinen Sache stellten und sich von etwaigen lokbalen und
oersönlichen Kũcksichten nicht von der Mitarbeit zurũckhalten ließen;
damit wird ihnen natürlich nicht die Möglichkeit benommen, in der
oon ihnen bisher geübten Weise Naturschuß zu treiben, jei es privatim,
ei es in den Voereinen, denen sie angehören; auch die Tatsache,
daß unter den Mitarbeitern der Bezirksstelle nunmehr zahlreiche
Vereinsvorstãnde von naturwissenschaftlichen Vereinen sind, bürgt
ũr eine gedeihliche Susammenarbeit und für Erfolg; unter den
Oereinen, die somit an der Organisation der Naturdenkbmalpflege
beteiligt sind, seien genannt: Verein für Naturkunde in Kassel,
Wetterauische Naturf. Gesjellschaft ( Hanau, Dre. Bernges), Verein
j. Naturdenkmal- und Heimatschuß, Kassel (Oberstltn. Henrici),
Biolog. Vereinigung für Hessen (Marburg, Dr. Sunbel), Verein
. hejsische Geschichte und Landesbunde (Dre. Hopf), Werratalverein
Stud.Kat Engelhardt, Eschwege). Die Vorsitzenden sind die
Landräte, Mitglieder sind ferner Vertreter der Universität Marburg,
der Schulbehörden und der Presse. Anregungen für Naturdenkmal-
schutz und Naturschuß nehmen die zuständigen Landschafts- und
Kreisstellen entgegen; deren gibt es folgende: „Niederhessen“
Kassel, Fritzlar, Hofgeismar, Homberg, Melsungen, Rotenburg,
Wolfhagen: Prof. Dr. Schäfer, Kassel); „Oberhessen“‘ (Marburg,
Franbenberg, Kirchhain: De. W. Sunkel, Marburg); „Kinziggau“
(Hanau, Gelnhausen, Schlüchtern: Dr. Bernges, Hanau); „Khön“
(Fulda, Gersfeld, Hünfeld: Prof. De. h. c. Vonderau, Fulda);
Hersfeld“ (Stud.Kat Schmidt in Hersfeld); „Schmalkalden“
dose, Schmalkalden); „Eschwege“ (Stud. Kat De. Engelhardt);
Witzenhausen“ (Pfalzgraf, Mittelichullehrer); „Siegenhain“ (Sehrer
Nüncke); „Kinteln“ (Stud. Kat Erdniß); dazu die Kreiostellen in
Valdeck unter Vorsitz der Landräte.
Hessische Dorfkirmes in alter Seit.
Oon Heinerich Ruppel.
Die Kirmes bildet noch heute, wenn auch nicht in dem Maße
zie früher, einen Höhepunkt im dörflichen Volksleben. Da ruht
nan sich aus von allen Sorgen des Lebens, von aller Last und
Nühe des Alltags und schaut zufrieden auf dle sauere Erntearbeit
es Jahres zurũck. Und wenn man das ins Auge faßt, muß man
igen, daß sich die Dorfleute mit hartem Scharwerk und Schaffen
»xe Kirmes redlich und recht verdient haben.
Früũher wurde die Kirmes schon vier Wochen vorher von den
Zurschen und Mädchen „angetanzt“ oder von den Burschen „an-
etrunken“. Und wenn die Kirmes dann anbrach und die hohe
zirmestanne mit dem bänderbunten Kranz um den weißgeschälten
5famm und mit dem „Blumenzwiek“ im Wipfel vor dem Wirts-
aus stand (wie im Haungrund), wenn die alte „Fölsch Rees“
Fuldaer Therees) ihre bunten „Marbktherzerchen“ und Lebbuchen⸗
ãse vor der Tür fellhielt, wenn die Klarinetten trillerten, die
ßeigen quinbelierten, die Burschen juchheiten und die Mädchen
icherten, dann bannte die Freude von jung und alt baum noch
zrenzen. Manch einem behäbigen Alten kam dann noch das
zucken in die Tanzbeine. Den Kindern spielte man am Haupt-
emestag einen eigenen Reigen. Die scheuen und „jchämerigen“? —
umeist Jungen — brochen dann in die Ecken oder schlichen hinaus;
ber die kechen und flinben — zumeist Mädchen — bamen herbei
ind sprangen und hopsten und drehten sich, so gut sie konnten. Es
»ar ja ihr Reigen. Und die Väter und Mäütter standen und
ißen herum und lachten und waren stolz, wie gut sie's bonnten,
der verlegen, weil sich „ihre“ so dumm und bockig (hölzern) an—
ellten. Ein solcher Kinderlirmesreigen war über die Maßen
rollig und erheifernd. — Mit Mummenschanz und wehleidigen Ge—
chtern wurde am letzten Tag die Kirmes begraben. Voran marschierte
ie Kirmeskapelle, dann kamen die Kirmesburschen mit ihren
'anzmägden, und nun folgten als „Hauptfeets“ die Bajatße —
erkleidelke Burschen — und zuleßt Lam der Kinderschwarm. Auf
ijner Wiese vor dem Dorfe hielt ein Gewitzter eine ulklige Ab—
hiedsrede. Die Musib spielte eine traurige Weise, während welcher
———
m sie hinterher mit Branntwein zu begießen und zuzuschütten.
db aus diesen branntweinbegossenen Hellern die Kirmestaler fürs
ächste Jahr sprießen sollten? Es ist wohl nicht ganz unwahrschein-
ch, daß man in dem letzten Heller, den jeder Bursche in das
?och warf, ein Symbol der „bleingemachten“ oder draufgegangenen
dirmestaler sah. Kaum war das Kirmesvolk unter lustiger Musib
bgezogen, so stũrzten sich auch jschon die Dorfbuben auf das Kirmes-
rab, kratzten es mit den Händen auf und wühlten nach den
dirmeshellern. Die Musikanten verzogen sich aus dem Dorf, um
ach vierzehn Tagen wiederzukommen und zum „Abtanz“ oder
ur „Nachkirmes“ zu spielen. Diese Nachkirmes hieß im Haun—
rund „das Schäfermärktchen“, weil sich da die Schäfer von weit
nd breit ein Stelldichein gaben. Mit dem Schäfermärktchen war
ann für das laufende Jahr alle „weltliche Lustbarbeit“ abgetan;
enn „der große Buß- und Bettag“ stand vor der Tür, und das erste
er drei „hehren Feste‘ warf schon seinen hellen Schimmer voraus.
Die Bedeutung der Kirmes für das Dorfleben geht auch aus
er Tatsjache hervor, daß die Freund- und Verwandtschaft förmlich
azu eingeladen wurde. Dann kbamen die Vettern und Basen, die
jfreunde und Gevatterleut' oft stundenweit her, um der bekannten
Zastlichkeit des hesssschen Bauernhauses die Ehre anzutun. Eine
hans oder gar zwei und ein „Hämellamm“ oder ein Jährling,
utunter jogar ein Wuzzchen hatten dran glauben und den Kirmes-
raten liefern müssen. Wie oft sangen wir als Kinder den lustigen
banzvers, nachdem man einen Schottischen hüpfen bann:
„Wann's Kermes eß, wann's Kermes eß,
doa schlacht't min Voader 'n Bock.
Doa daanzt de ahl Marije,
doa bubbert ihr d'r Rock.“
And nicht sjelten hörte man dann von den sonst so wortbargen
Alten erzählen, wie ein Kind in der Schule gefragt worden sei,
elches die drei hehren Feste seien. Und weil es das nicht anders
ewußt, hätte es mit vollem Ernst geantwortet: „De Kermes on
e Foaßnacht on wann mi Eller jschlacht'k“. — Bei dem Kirmes—
chmaus wurde auch manche wirtschaftliche Frage, mancher Kauf⸗
ind Heiratsplan ernsthaft beraten und besprochen.
Eine urwäüchsige schriftliche Kirmeseinladung, deren Übermitt-
ung ich einer zweiundachtzigjährigen Lehrersfrau verdanke, liegt