Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Schlummerlied õ Don Luise 
Cauer. 
Irgendwo fährt der Wind übers Kornfeld, 
Beugt und wieget die schlanken Halme 
Mit den schweren, gesegneten Ahren, 
Bũtig, wie ein Dater wohl streichet 
Uber das weiche Flachshaar des Kindes 
Mit leijer Hand. 
Irgendwo sitßzet ein Vöglein zu Neste, 
Spreitet seine schützenden Flügel 
Sorglich ũber die hilflose Brut, 
Daß bein bältendes Lüftchen sie streife, 
Daß sie mit bösem Blick nicht erschrecke 
Irgend ein Feind. 
zrgendwo drückt eine Mutter ihr Kindlein 
diebevoll an den warmen Busen, 
zchenkt ihm Nahrung und schenket ihm Liebe, 
Züßt sein flaumiges Köpfchen voll Andacht., 
Betet und weiß, was sie auch erbitte, 
Wird ihr gewährt. 
Irgendwo kommt der Freund einst zu die auch, 
Sagt: „Nun ruhe nach mühvollem Wandern.“ 
S5chließt dir die Augen und wischt leisen Fingers 
Fort von der Wange die leßte Träne, 
Sringt dir den Schlummer, den leidlosen, tiefen, 
Den keiner scheucht. 
A lter Seit 
us adlter Soeoit. 
Der Bohlstein bei Hilgershausen 
am Meißner. 
Von De. Ernst Wenzel, Magdeburg. 
Im neunten Kapitel seiner 10901 erschienenen Warhaften Be— 
chreibung der Fürstentümer Hessen und Hersfeld jamt deren ein- 
perleibten Graf und Herrschaften p.p. handelt Johann Just Winkel⸗ 
mann „von den süßen und merkwürdigen Brunnen und Quellen 
Hesseniands“ und beginnt also: „In dem 104. Pjfalm erzählet der 
prophet allerley von Gott den Menschen Verliehenen Wolthaten, 
wofür er herzlich, unter andern O. 10 usw., mit diejen Worten 
danket: Du läsjjest Brunnen quellen in den Gründen, daß die 
Wasser zwischen den Bergen dahin fließen, daß alle Thiere auf 
dem Felde trinben, und die wilden Thiere ihren Durst löschen, an 
demsjeibigen wohnen die Vögel des Himmels, und singen unter den 
Zweigen.“ „Die göttliche Allmacht hat auch im Hessenland un⸗ 
zählbär viele Brunnen von süssen, klaren, sauren, kalten, warmen, 
Salz- und mancherley gesunden Wassern, aus den lustigen Quellen 
in den Thälern und Gebirgen entjpringen lassen.“ 
Einer dieser und ganz besonders merkwürdigen Brunnen ist 
der Quell im Hohlstein unterhalb des Nordhangs des Königs der 
hessischen Berge, des „Wissener“, der durch den Hollenkultus, 
Hollenteich und Hollental bebannt ist. Über den Hohlstein war 
bisher folgendes bebannt: 
Am Wege von Allendorf nach Großalmerode westlich des 
Dorfes Kammerbach und sũdöstlich des Dorfes Hilgershausen liegen in 
nordjũdlicher Kichtung die Hilgershãuser Kauhbalkfelsen (Dolomiten), 
um deren Südfuß die Straße eine große Schleife macht. UAnter 
dem bis zu 20 mm hohen Felsen liegt im Walde versteckt der Ein⸗ 
zang zum Hohlstein, zu dem man von der Straße auf einem Fuß- 
peg gelangt. In der 50 m langen, 28 m breilten und 12 -215 m 
—F 
schmeckendes Wasser etwa — 60 K. warm ist. UArsprünglich war 
die Höhle noch größer, jedoch ist der östliche Ausgang in neuerer 
Zeit zerfallen. Bei der durch den Einsturz hervorgerufsenen Er— 
schütterung löste sich auch Tropfsteingebilde ab. Seitdem bonnte 
äch nur erst ein geringer Tropfstein rötlicher Färbung ansetzen. 
Man vermutete in der Nähe der Höhle noch weitere Hohlräume, 
da die Lastwagen an einer Stelle der vorbeiführenden Straße 
zinen dumpfen Klang wie aus einem Gewölbe hervorrufen. ÜÄber⸗- 
haupt zeigt das Kalkgestein viele Einsenkungen, Löcher, Spalten und 
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Alljãhrelich zogen am 2. Ostertag Burschen und Mädchen aus 
den zunächst gelegenen Dörfern zu dem Hohlstein und legten da- 
elbst Blumenjträuße als Opfer nieder, tranken von dem Wasser 
und füllten soiches in die Krũge, die sie mit nach Hause nahmen. 
Das „von der Sonne nicht beschienene Osjterwasser“ galt als heilbräftig, 
namentlich bei Augenbkrankheiten. Deshalb begaben sich auch die 
Bewohner von Frankbenhain vor Sonnenaufgang zum Hohlstein, 
um heilbräftiges Wasser zu schöpfen. Ohne das Blumenopfer 
wagte man sich gar nicht in die Höhle. da man alaubte. ohne 
ein solches Gott zu erzürnen. 
NMun hat A. Weber, Bad Soden, in seinem Aufsaß ũber „Der 
Hohlstein oder die Kammerbacher⸗ bzw. Hilgershäuserhöhle“ im 
—EDD—— 
noch geschildert und durch hochwilllommene Abbildungen llustriert. 
Daraus geht hervor, daß vor dem Eingang der Höhle noch ein 
leiner runder Teich liegt, dessen Wasserspiegel mit dem in der 
Höhle Lommuniziert. Er liegt in der Axe der Längsrichtung der 
Höhle und des Eingangs. Dieser liegt unter dem senkrechten 
Feljen und wird von einem anoͤren seitlich vortretenden Felsen, 
dem „Mädeljprung“, flankiert. Nur eng, schmal und niedrig ist der 
kingang, da er durch niedergegangenes Gestein auf ca. 12 m 
Höhe und 2281mm Breite verschũftet ist. Vordem soll er mindestens 
vm hoch gewesen sein. Eine Beseitigung der Schuttmassen würde 
»olle Kliarheit schaffen. Gleich hinter dem Eingang steigt die 
Höhle zu einer hohen Kuppel auf, die ũber dem Teil, wo der 
5ee liegt, relativ am höchsten ist. Nach hinten aber steigt das 
Hewölbe noch an, nur wird die lichte Höhe vom Fußboden ab 
mmer geringer, da der Fußboden nach hinten sehr starkb ansteigt. 
in den beiden hinteren Ausläufern wird die Höhle immer nied- 
iger und schmäler und verliert sich in nicht mehr begehbaren 
5palten. „Die Temperatur der Höhle unterliegt nur bleinen 
zchwankungen, ein Gefrieren des Sees im Winter ijt noch nicht 
eobachtet worden.“ Weber gibt dann ein Stimmungobild der 
döhle und legt auch dar, wie sie durch Auswaschung entstanden 
ein muß und wie auch in ihrer Nähe Erdfälle und Spalten fest- 
ustellen sind, in denen auf eine große Strecke ein Bach. der 
Ottersbach, verschwindet. 
Interessant ist weiter die Mitteilung einer alten Sage, wo— 
ach ein Mädchen, ob seiner Untreue von seinem Verlobten ver— 
olgt, von dem hohen Felsen neben der Höhle in den Teich vor 
erjelben, den Hexen- oder Nixenteich, gesprungen sei, wo sie als 
ßeist weiter lebe, als Wasserelbe oder Nire, die alle untreuen 
Mädchen in die Tiefe ziehe. 
Aus dieser Sage geht unzwelfelhaft hervor, wie der uralte 
Slauben an die Nafurgeister oder Alben, Elben. Elfen aus dem 
zeelenglauben entstanden ist. Man trifft die Elben ũberall da, 
vo die behaujungslosen Menschenseelen ein schattenhaftes Dasein 
risten, in der Erde, in der Luft, in Feld, Flur, Wald und in den 
ñewässern. Ursprünglich also Seelengeister, mögen die Elben sich 
illmählich von ihrem seelischen Untergrund gelöst haben, um dann 
ꝛest durch die schöpferische Einbildungskraft der Menschen in 
flementargeister verwandelt zu werden. 
Von aͤllen Geistern am meisten gefürchtet waren die Wasser- 
ben, die als tũckisch und gefährlich galten, da sie Tiere und 
Nenschen als Opfer forderten. Slie sind nichts anderes als wieder 
erlörperte Seelen von ertrunkenen Menschen, die im Wasser 
hohnten, aber auch wie die lebenden Menschen sich auf der Erde 
ewegen bonnten. Sie hießen Nichus, Nichessja, Neck oder Nixe, 
Vasserjungfern, Wassermänner, Meerweibchen, Meermänner, 
Vasserholde, Brunnenholde, Elfen. Sahlreiche Sagen berichten 
on den holden weißen Jungfrauen, die mit ihren schneeweißen 
der schwanenweißen Leibern in den Fluten auf- und niedertauchten 
ind im Sonnenschein ihr langes, wie Gold schimmerndes Haar 
rãählten und schnätzten. Gfters treten die Wasseralben auch in 
Zeziehung zu den Menschen, gingen mit ihnen auch eheliche Ver- 
indungen ein, die aber für die Kontrahenten zu Konflikten führen 
außten. Oft rettete sich auch verfolgke Unschuld zu den gũtigen Brunnen⸗ 
ixen, von denen sie gut aufgenommen und reich beschenkt wurde. 
Daher vielfach auch wieder Selbstmorde durch Sturz in den Brunnen. 
Aus dem Dämonenglauben, einem Polytheismus, wuchs der 
Nonotheismus, der Glaube an eine höchste Gottheit, der die anderen 
ßötter untertan waren. Die Gottheit thront im Himmel über 
en Wolben. Vom Himmel, dem Sitz der Gottheit, strömt das 
Vasser als befruchtendes Element zur Erde nieder und dringk in 
eine Spalten und Risse, um an heiligen Orten aus dem Schoß 
er Erde wieder hervorzujprudeln. Die Quellen gelten als Wohn- 
orte göttlicher Wesen, der Töchter der Gottheit. 
Man könnte bei dem Quellenkult im Hohlstein auch an Frau 
holle denken und die Höhle als Hollenstein ansehen. Eine solche 
deutung dũrfte nicht zu weit gehen. Herr Prof. Eduard Schröder, 
ßöttingen, hat in einem Aufsatßz „Frau Holle“ im „Werratal“ 
924, G. 2-1, Frau Holle als Roepräsentantin einer Vielheit von 
Zeistern geschildert, als ein Riesenweib von erschrecklichem Aus⸗ 
ehen, das mit einem Geisterheere durch die Luft zieht, aber auch 
oie im Frau Hollenteich auf dem Meißner anderwärts in Ge— 
undbrunnen und Kinderbörnchen haust. Sie ist ein Dämon, der 
soch aus der Seit stammt, die der Verehrung eigentlicher Götter 
orausliegt. diese aber ũberdauert hat. „Wie andre Dämonen 
hnlicher Art haust sie im Innern der Erde, in Quellen und 
leichen. aber sie tritt auch mit Wolken, Nebel und Schnee in die 
kricheinung. Mit der Fortentwicklung der Kultur wird sie auch 
ur Beschützerin der häuslichen Frauenarbeit.“
	        
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