Heimat· Schollen
Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatkunst
ae. 10/ 1020
Erscheinungsweisje Nmal monatlich. Bezugspreis 1.20 RM. im Vierteljahr. Frũhere
Fahrgãnge können. soweit noch vorrätig, vom HeimatschollenVOerlag nachbezogen werden
I. Jahrgand
Die neuen Schuhe 50 Von Ernst Eimer.
Als es auf dem Kirchturm in Stumperod fünf schlug,
saß Buckelbirns Adam beim Morgenbkaffee. Er wollte auf
dem Gallmarkt in Grünberg drei Ferbel baufen, und da
var beine Seit zu versäumen. denn bis dorthin waren's
zwei dicke Stunden.
„Christine“, sagte der Bauer zu seiner Frau, „hol mir
doch einmal meinen blauen Kittel von der Oberläwe und
den Stecken und den Kanzen, und hol auch den alten
Kroppen herein, der muß doch gelötet werden.“
„Ja, und gelle, Dater, vergiß nur meine neuen Schuhe
nĩcht, und ich will noch einen Weck und eine Zuckerpfeife,“
ries das sechsjährige Karlchen aus seinem Schippelbett heraus.
„Ei, Juͤngeding, bist du denn auch schon wacker“, meinte
herwundert der Dater. „Etz schlaf nur weiter. es wird
naut vergessen.“ —
Als der Adam mit seinem Lederranzen zur Haustür
inausstapfte, fuhr gerade der Swiebelhannes mit seinem
Frachtfuhrwerk vorbei.
„Ei, das könnt net besser geklappen, Hannes, bleib halten,
ich mache mit“, rief der Adam und bletterte auf den Wagen.
Er war froh, daß ihm nun die zwei dicken Wegstunden
gejchenkt waren. —
Karlchen saß in seinem Schippelbett und machte große
eunde Augen. Er bebam neue Schuhe und sollte noch
chlafen. Das ging doch nicht. In aller Herrgottsfrühe
zing Karlchen an diesem Morgen schon auf die Gasse. Er
dam sich vor wie ein reicher Sonntagsjunge.
Eine Gruppe von Bauern schritt mit großgriffigen Stöcken
und wichtigen Schritten dem Marbte zu.
„Häi, ihr Leut“, rief Karlchen. „ich briege aber auch
heut ein Paar neue Schuhel“
Aber die Bauern achteten nicht darauf. Diese sprachen
»on Frucht und Ferkelpreisen. von bünstlichen Düngern und
ieuen Kartoffelsorten.
Jetzt bog der Hammbast um die Ecke. Der wollte sich
ine Last Gras holen. Der Mensch war himmellang und
atte bei der Garde gedient, aber er hörte nicht gut. Das
Zübchen lief ihm vor die Beine und jubelte: „Häi, ich
riege aber auch heut ein Paar neue Schuhl“
„Was ist zu?“ fragte der Hammbast.
„Ich brieg neue Schuh“, rief das Karlchen.
„Welche Kuh?“ fragte der andere und bog sich kKrumm
wie eine Sichel, um besser zu hören.
Da stellte sich der Junge auf die Fußspitzen und schrie
dem Hammbast ins Ohr: „Neue Schuhl!“
„Ach so“, sagte der Lange, „das dacht ich mir doch gleich,
denn deine alten haben grijjelichen Durst, die reißen ja
»as Maul auf.“ Das war richtig. Der Junge konnte
nit seinem altken Schuhwerk beinen Staat mehr machen.
Auf allen Seiten war das Leder brüchig, und eine Sehe
zjuckte sogar neugierig in die Welt. —
Sebblers Adolf bam die Kappelgasse herunter. Der
achte mit dem ganzen Gesichtchen, denn sein Dater brachte
hm auch neue Schuhe. Als die beiden Knirpse einander
ewahrten, riefen sie sich das große Ereignis gleichzeitig zu.
Das gab nun ein Staunen, Erzählen und Wichtigtun, und
eder Mensch, der sichtbar wurde, mußte die Neuigkeit hören. —
Am Nachmittag, als die ersten Marktgänger wieder
eimbehrten, strenzten Adolf und Karlchen weit vor dem
Dorfe auf der Landstraße herum. Sie erwarteten ihre
däter mit den Schuhen. Da bam der alte Bebbler um