Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

zabe. Auch in der Homberger Gegend erhoben sich überall die 
Bauern und die beurlaubten Soldaten, jedoch die Amtsvorstände 
unterstütten den Aufstand nicht. Sie mußten aber nachgeben, 
wenn ihnen die abgelieferten Gewehre und die Kassen abverlangt 
wurden. Die beiden führenden Offiziere erließen einen Aufruf, 
der heimlich von einem Ort zum anderen getragen wurde. Diejer 
Aufruf wurde am 22. Dezember auf dem Marktplatz zu Homberg 
gefunden. Darin heißt es unter anderem: „Auf, Ihr braven 
Hessen, die Ihr noch deutsches Blut in Euren Adern habt, ergreift 
die Waffen, welche Ihr nur habt, gegen die schändlichen Franzosen. 
Kächet Euch und fürchtet bein Sterben, denn süß ist es, fürs 
Oaterland zu sterben. Wenige der schändlichen Franzosen sind's 
nur, die Ihr jetzt leicht bekämpfen könnt. Sendet diejen Aufruf 
von Ort zu Ort, so schnell als möglich; aber immer durch Soldaten 
und an Soldaten, damit nichts verrathen werde. Hört die Stimme 
des DVaterlandes und bommt, Ihr braben Völber der Hessen“. Von 
den weiteren Vorgängen in Homberg haben wire eine anschauliche 
Schilderung durch den Amtmann Kodemann. „Am 20. Dezem- 
ber,“ berichtet er, 
drangein Trupp 
ehemals hoessisch. 
und preußischer 
Soldaten, auch 
Bauern, mit Ge⸗ 
wehr, Degen, 
strack gemachten 
Sensen, Mist- 
und Heugabeln. 
deren Sinken 
meist eine strack 
gelassen, die an⸗ 
deren krumm ge⸗ 
bogen waren, 
und mancherlei 
andern Mord⸗ 
gewehren be— 
waffnet, zum 
Thore hinein“. 
Man wollte den 
Kurfürsten wie⸗ 
der in jein Land 
zurũcksũhren. 
„Geheime Be— 
fehle“, unter zeich 
net „Churfürst- 
lich organisierte 
Landesarmee“ 
hielten sie zu— 
in —38 
er urfürst“ 6 jastoi 
zene aus dem Ludwigsteiner Burgfestspiel, 
en oliten * Aufgejũhrt am 20. und M. Kugusi 
J i imat . M. Seite 136. 
dem den Tod, (Siehe Heimat⸗Schollen Ne. 11, Seite 136.) 
der sich widerjeten würde. Wie ein Funke durchlief die Nachricht 
die Stadt. Alles, was Soldat und Bauer war, setzte sich in 
Bewegung. Man wollte die Franzosen gefangen nehmen und 
dann Kassel erobern. Die Sturmglocken läuteten ũberall in den 
Dörfern. Die Erbitterung ging tief in die Gemũther, nicht nur 
bei den Soldaten und Bauern. sondern auch teilweise bei den 
BSeamten“. 
Der Aufruhr wurde bald ohne viel Blutvergießen durch den 
General Barbot in seinen Anfängen erstickt. Er scheiterte an der 
mangelnden Organisation. Lagrange versuchte durch eine Pro⸗ 
blamation die hessischen Soldaten zu beruhigen: „Abelgesinnte, wie 
ich vernehme, suchen Euch zu betrugen. Ich war von Sr. Wajestäf 
dem Kaiser beauftragt, Hessens Truppen seine Dienste anzubieten 
In Eurer Willkür steht es, sie anzunehmen oder auszuschlagen. 
Niemand ist — niemand wird dazu gezwungen. Rechnet darauf! 
Ich sage nur die Wahrheit.“ Damit war schon etwas erreicht 
worden: bein Hesse kbonnte gezwungen werden, in französische 
Dienste zu treten; allerdings war das nur ein Oersprechen. Napoleon 
chnaubte vor Wut, als ser von dieser Insurrektion hörte. An 
Lagrange erteilte er folgenden Befehl: „Meine Inlentlon ist, daß 
die beiden bleinen Stãdte Eschwege und Hersfeld verbrannt werden. 
Man soll ihnen meinen Willen kundgeben, daß die Beleidigungen 
welche meinen Adlern zugefũgt worden sind, nur durch Blut ge⸗ 
rãcht werden Lönnen: 200 Personen wenigstens müssen mit ihrem 
Kopfe diese Insurrektion bezahlen. Im ganzen wurde die Sahl 
der beteiligten Insurgenten duf 15-218000 Wann geschätzt; nur 
wenige von ihnen wurden erschossen, trotz des Befehls Napoleons 
Das ber die Stadt Hersfeld verhängte Strafgericht wurde zum 
Hlück nicht in seiner ganzen Strenge vollzogen. Der edelmütige 
adijche Oberstieutnank Lingg begnũgte sich mit einer nur markierten 
Brandstiftung einiger alten Häujer. Eschwege jelbst wurde ver⸗ 
chont; aber fünf alte Soldaten, die bei dem Aufstand an der 
Verra die Hauptrolle gespielt hatten, wurden Mitte Februar auf 
»em Werdchen bei Eschwege erschossen. Verwunderlich ist es, daß 
domberg vom Strafgericht gänzlich verschont blieb. 
Der Friede von Tilsif vom 9. Juli 1801 hatte mit einem Feder⸗ 
uge das seit Monaten schwankende Schichsal des alten Katten- 
andes entschieden. Er vernichtete alle Hoffnungen des Kurfürsten, 
n jein Land zurũckzukehren. Das Kurfürstentum Hessen wurde in 
Fehen gerisjen und sein größter Teill jenem merkwürdigen Staaten- 
jebilde zugesprochen, dem jsein Schöpfer den sinnlosen Namen 
Konigreich Westsalen?‘ gab). Sum Konig der Landes bestimmte 
Napoleon jeinen jüũngsten Bruder Jeröme. Jérôme, damals drei⸗ 
indzwanzigjährig, gutmũtig und wohlwollend, aber leichtsinnig, 
chwach, prunkliebend und liederlich, hatte zwar anfangs den besten 
Villen, sich in selne neue Kegententätigkeit einzuarbeiten; aber 
die strenge Be⸗ 
pormundungsjei⸗ 
nes Bruders, 
der ihn bald 
umdrängende 
5chwarm von 
ranzöß. Aben⸗ 
teurern u. dau⸗ 
ernde finanzielle 
S5chwierigkeiten 
—VV 
chnell seine 
Aufgabe). 
Napoleon hatte 
em neuen Kö⸗ 
uigreiche auch 
gleich eine neue 
Oerfassung ge⸗ 
geben. Es wurde 
nach französisch. 
Oorbild in De⸗ 
partements, Di⸗ 
steikte und Kan⸗ 
one eingeteilt, 
an deren Spiße 
Prãfelten, 
Sousprãfelten 
ind Waires 
traten. Hessen 
zerfiel in zwei 
Nepartemoule 
Die Hexe vom Ludwigstein“ von Georg Mo hr. das der 
zum Besten der Ludwigstein-Lotterie. Werra und das 
Nach einer Aufnahme des Photo-Spezialhaus K. Geis. Kassel. —A Der 
Kanton Hom— 
berg gehörte zum Disteilt Hersfeld. Eigenartig erscheint es, daß 
der Sijsirikt Hersfeld nicht etwa, wie doch anzunehmen ist, zu 
dem Departement der Fulda, sondern zu dem der Werra gehörte. 
Als Nachweis sei der Kopf“ eines Kaufbriefes wiedergegeben: 
Königreich Westfalen 
Departement der Werra 
Distribt: Hersfeld 
Canton: Homberg. 
Der Präfebt des Werradepartements, Keimann, jpäter Frhr. 
on Berlepsch, hatte seinen Sitz in Marburg. In den Orten, deren 
Bevolberung nicht ũber 2500 Einwohner beträgt, soll ein Maire 
ind ein Adjunkt, in den Städten oder Flecken von 2500- 10 000 
ingegen ein Maire mit zwel Adjunkten und einem Polizeikommissar 
ein. Der Kantonsmaire in Homberg hieß Rodemann, wahrschein- 
ich derselbe, der über den Aufstand von 1800 berichtet. 
Die alten Mũnzen, Maße und Gewichte wurden abgeschafft 
ind das franzosische System und französijche Namen an ihre Stelle 
gesetzt. Die Rechnungsweise nach hessen⸗kasselschen Konventions⸗ 
alern, Reichtstalern und preußischen Friedrichsd'ors hörte auf. 
der Wert einer jeden Münzsorte im Verhältnis zu Franken und 
centimen wurde festgeseßt. Die hejsischen Münzen selbst blieben 
orläufig neben den französischen im Kurs bestehen, wurden aber 
pãter nach und nach eingezogen. Die Veränderung der Maße 
ind Gewichte rief manche Verwirrung hervor; der Hesse konnte 
ich an die Neuerungen nicht gewöhnen. 
Auf Anweisung Napoleons wurde eine Legion Löniglicher 
Hendarmerie errichtet. Dieselbe war anfangs nur 144 Mann stark 
3)5 Fosch S. 44. 9. Kürschner S. 100
	        
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