und glänzenden Augen, appetitlich wie die erste Maiblirsche
am Baum. Darüber war ein mächtiges Freuen im Amts—
haus, und der Dater war ganz näcrrisch vor Glück.
„Ich will doch mal sehen, das wievielte Kind seit meiner
Amtszeit hier im Städtchen mein Töchterchen ist!“ sprach
er in der Schreibstube vergnügt vor sich hin. „An drei—
hundert, denk' ich, werd' ich schon ins Kegister eingetragen
haben!“ Sieh, da ging seine Handschrift an, — ganz statt-
liche Keihen waren gediehen. Der Bürgermeister zählte
und zählte, — ei, guck' an, sein Töchterchen war das zwei—
hundertfünfundneunzigste Kind! Schade, es hätte grad das
dreihundertste sein müssen, das wäre ein Jubiläum gewesen!
Und da bam wie ein Blitz ein guter Gedanke dem
Bürgermeister in Kopf und Herz. „Die Mütter“, dachte
er, „die sind's, die leidenn Wie wär's, wenn man der
Mutter, die dem dreihundertsten Kind meiner Amtszeit hier
das Leben gibt, eine Geschenk machte? Namens der Stadt,
zersteht sichl Die Gemeinde hat ein schönes Stück Geld
eingenommen am Holz, eine Ehrengabe von hundert Talern
etwa bönnte sie verschmerzen. Morgen ist Sitzung, da will
ch's doch gleich zur Sprache bringen.“
And so geschah es am nächsten Tag. Der Stadt-
betordnete Schneidermeister Feind fuhr von seinem Stuhl
lerzengerade in die Höhe, als der Bürgermeister seine Aus-
führungen gemacht hatte. Die Fürstenköpfe an der Wand,
weiß gepudert und rotbäckig im schwarzen Kahmen, schauten
begierig in den Saal hinab, was es denn so besonderes gäbe.
„Wenn ich meine Meinung hören lassen darf, ihr Herren“,
eief Herr Feind in großer Aufregung, „so hätt' ich einen
andern Vorschlagl Nicht weil ich der Mann bin von der
Hebamme Feind, — nur allgemein menschlich will ich den
Horschlag den Herren unterbreiten: Es sind dreihundert
Mütter, die dreihundert Kinder briegen, — aber eine einzige
Wehmutter ist's nur, die den dreihundert Kindern zum Leben
verhilft. Tag und Nacht hat sie beine Ruhe, das Seter
und Mordio von Groß und Klein macht ihr den Kopf toll;
wenn's pressiert, muß sie die Supp' wieder aus dem Lößfel
laufen lassen, falls sie grad am Essen sitzt. So meine ich
denn, es wär' nur recht und billig, wenn wir das Protoboll
dahin aufnehmen, daß nicht die Mutter, die das dreihundertste
Kind bebommt, sondern die Amme, die beim dreihundertsten
Kind, das in der Amtszeit unseres Herrn Bürgermeisters
ier im Städtchen geboren wird, ihre Hilfe leistet, die hundert
Taler in bar als Ehrengabe erhält“.
O, das war eine lange, wohlgesetzte Kede gewesen, und
Herr Schneidermeister Feind hätte erst tüchtig verschnaufen
müssen. Aber es galt, auf seinem Standpunbt zu beharren,
und da mußte des Mundes Kede noch lange hergeben, was
sie konnte. Es war ein heftiges Für und Wider; es standen
die meisten der Stadtväter auf Seiten des Oberhauptes,
denn wer bonnte wissen, wen's grad betreffen mochtel) Doch
der Schneidermeister focht so heftig, und schließlich wollte
2s beiner verderben mit der Wehmutter des Städkchens.
Man brauchte sie auf jeden Fall. ob die Sahl sich nun
undete oder nicht.
Es war ein großer Sieg für Herrn Feind, als ihn der
Büurgermeister bat, nun möge er das Protoboll in seinem
Sinn auch aufsetzen. Die Silbertaler blangen ihm schon in
den Ohren, als er den Federbiel in das tiefe Tintenfaß stieß.
Als er nach getaner Arbeit stolz die Stimme erhob
und vorlas, was da schwarz auf weiß in seinem Sinne
geschrieben stand, da gab's ein mürrisches Käuspern, und
2s waren nur wenige seiner Freunde, die ihr „Gut gemacht!“
in des Schneiders Ohren riefen. Doch die weiß-roten
Fürstengesichter an der Wand lächelten fein und verschmitzt.
Am Abend dieses Tages war eitel Freude im Haus
es Schneidermeisters Feind. Frau Bärwel lobte ihren
Zämpfer mit hohen Worten und briet ihm ein großes
Zotelett zu Abend. Auch ein Gläschen Bier durfte nicht
ehlen, und die Pläne wuchsen höher mit jedem Schluck.
ẽs war ein schöner Abend, so selig waren sie lang nicht
nehr gewesen im Schneiderhaus.
Es war nicht lang danach, so ein, zwei Monate, da
ieß der Wirt „Sum goldenen Ochsen“ sein Baumstück auf
dem Oberacker öffentlich meistbietend versteigern, mit zins-
oser Stundung des Betrags bis zu Martini des Lommenden
sahres. Herr Schneidermeister Feind horchte auf, als der
solizeidiener mit der Schelle herumging und die Wichtigbeit
erkündete. Ein Baumstück, ei, das wär' was Schönes.
Mer esse Biern und trinke Biern, unn honn aach Biern
iff't Brot ze schmiernl“ Sieh, das wär' so wasl Im
varten standen nur die Swetschenbäume, die trugen ein
ims andere Jahr; dieses Mal waren sie wurmig, und
gerieten sie das nächstemal gut, dann galten sie nichts. Aber
in Baumstück mit allen Sorten, das ließ sich eher höher.
Da gab's Pastorenbirnen und Goldparmänen, Bohnäpfel
zum Kochen und Kabau, die noch um Pfingsten saftig
varen; Apfel zum Wein und Bienen zum Kraut, Apfel
ür Kuchen, und für die Winterabende gelbe Birnen, die
iuf der Sunge vergehen wie Butter. — alles war da. Herz.
vas verlangst du!?
Ganz zappelig wurde Herr Schneidermeister Feind, Nadel
ind Schere flogen in seinen Händen. Um fünf Ahr war
die Dersteigerung, bis dahin mußte der Kock fertig sein!
Der Betrag für das Baumstück zinslos gestundet bis
Wartini nächsten Jahres, — ei, bis dahin gab's aber noch
jut fünf Kinder im Städktchenl Was würde das Bärwel
ür Augen machen, wenn er am Abend heimbäm' und Baum—
tũcksbesitzer wäͤr! Die Aberraschung, die Freud!
Auch im Versteigerungssaal war hitziges Gefecht. Das
Baumstück auf dem Oberacker war bebannt für gute Sorten,
ncht wenige der jüngeren Bürger bannten sein Obst von
rüheren heimlichen Streifen her. Doch das Geld war
»echt rar im Städtchen, in dem bein einziger Fabrikschlot
»auchte, — wer bonnte da hoch bieten?
Mit zwanzig Talern fing der Wirt Hausmann an, aber
chnell bletterten die Zahlen in die Höhe. Sechzig Taler
— siebzig Taler — achtzig Talerl Sum ersten, zum zweiten
— Halt! Neunzig Taler, neunzig Taler, — soviel, soviel,
»i, eil Sum ersten, zum zweiten, zum dritten — — „Hundert
Taler, hundert Talerl“ schrie Herr Schneidermeister Feind
ind schaute sich dabei drohend um, als sollte niemand das
Überbieten wagen. Hundert Taler! Ein schönes Stüch
ßeldl Man hatte lang zu sparen, bis es beisammen war.
„Hundert Taler zum ersten-, zum zweiten-, zum drittenmal!“
Er machte einen Freudenspeung, der Herr Feind, — das
Baumstück war sein!
And nach einem schnellen Stehschoppen beim Weißbech
in der Ecke lief er heim und schnurstrabs in die Küche.
Dort saß Frau Bärwel am Herd und hatte den Kopf in
ie Hände gestützt. Darauf achtete der Meister aber nicht
n sjeiner Freude und rief: „Frau, denk' dir emal an — — —“.
Doch heftig unterbrach sie ihn: „Ja, denk die emal an,
Mann, — seit heut weiß ich's gewiß: zum Lisbeth und
Jojef gibt's noch eins dazu!“
Starr, mit offenem Mund schaute der Schneider das
Bärwel an. Was? Konnte das möglich sein? Sapperlot,
ver hätte an so was gedacht, — nach so langer Seit!
Eine Angst stieg in die Kehle des Heren Feind und
ieß die Freude über das Baumstück nicht mehr über die
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