Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Nach dem Reqgen 0 DVon Th. Endemann. 
Schwere Regenschauer fielen. — Stürzt ein Perlenstrom hernieder. — 
Streisjend in des Gartens Gängen, Keuig dacht' ich der Geliebten: 
Komm ich zu den Centifolien, Scchuf mit herbem Wort ihr Schmerzen, 
Die betrũbt die Köpfe hängen. Und als ich sie trösten wollte, 
Sanft mit leijem Finger hebe Weinte sie an meinem Herzen; 
Ich das Haupt der schönsten wieder, Drũckte fest an mich ihr Koͤpfchen, 
Da aus ihrem duft'gen Kelche Bis mit herzlichem Derlangen 
Ich es aufhob, mit den Händen 
Zart umschließend ihre Wangen. 9J— 
— Könnt' ich Sturm und Regenschauer, 
Schöne Rose, dir beschwören! 
— Aber nie mehr jsoll die Liebste 
Sittre Worte von mir hören! 
Auf Heimatwegen. 
Wanderung in der Rhön. 
Bei den Franziskbanern auf dem Kreuzberge. 
VOon Carl Walter, Rasdorf. 
Wenn Fluten goldenen Sonnenlichts Wälder und Felder in 
trahlende Helle tauchen, wenn Lerchen hoch oben in den Lüften 
jubilieren und süßer Blütenduft die Luft erfüllt, dann drängt alles 
hinaus ins Freie, in Gottes herrliche Natur. 
So zogen auch wir hinaus zu froher Wanderung. In frischem 
Marschtritt ging's durch die Dörfer, vorbei an freundlich grüßenden 
— und weiter im schattigen Dunkel der grünenden Wälder 
öher und höher führte uns der Weg in die reizvolle buppen. 
reiche Rhön. Vor unseren schauenden Augen dehnten sich weite, 
jschier unendliche Ebenen — und weit, am dunstigen Horizont, 
grüßt auch schon unser Siel herüber: der viel besuchte Wallfahrts— 
ort auf dem 932 Meter hohen Kreuzberg in der bayrischen Khön 
Am einsamen Khönhäuschen“ an der Bischofsheimer Straße 
halten wir kurze Rast. Dann geht es mit neuen Kräften hinüber 
ins freundliche Frankenland. Anheimelnd blingt der schöne Gruß 
„Grüß Gott!“, den uns die alten und jungen Viehhirten zurufen 
Freundlich zeigen sie uns den Weg durch das waldreiche Tal, und 
bald sind wir drüben am jenseitigen Bergeshang. Nicht mehr 
weit ist es bis zum Kloster, das in der Ferne bereits hinter 
grünenden Bäumen hervorlugt. Noch einmal geht es einen steilen 
Hang hinauf. Wir haben Seit und lassen die Blicke bewundernd 
schweifen in die Runde. Bebannte Berge und Höhenzüge heben 
jsich am Gesichtskreis ab und fesseln unsere Aufmerkjambkeit. 
Und als wir ein wenig weiter geschritten sind, liegen die 
altersgrauen, Wind und Wetter seit Jahrhunderten standhaltenden, 
ausgedehnten Baulichbeiten der Ordensniederlassung vor uns. 
Der zwiebeltürmlige Kirchturm überragt sie alle und gibt dem 
Silde ein trautes, freundliches Gesicht. 
Durch den weiten Torbogen erreichen wir den Klosterhof und 
betreten den geräumigen Flur, an dessen Pfeilern Schwalben 
nisten, die hin und her fliegen, um die hungrigen Schnäbel ihres 
Nachwuchses zu sättigen. Holzgeschnitzte Bilder von Heiligen aus 
dem Franziskanerorden schmũücken die Wände und bieten den 
VOõgeln willkommene Ruhepunkte. Freundlich heißt uns der 
liebenswürdige Pförtnerbruder auf der heiligen Höhe in den 
schlichten, aber jauberen und hellen Speijesjaal eintreten. Die 
tiefen Nischen der mit duftigen Vorhängen gezierten Fenster 
geben dem Raume so etwas Heimeliges und erwecken in uns 
das kböstliche Gefühl des Geborgenseins vor allen Launen des 
—X 
„Trinben's a a Maß'l?“ meint der freundliche Gastbruder, als 
er uns die Suppe breingt. Da sagt man ganz bestimmt nicht 
Nein!“ UAnd ais wir den mächtigen Humpen wieder auf den 
Tisch jetzen, sind wir uns alle einig darin, daß es ein ganz vor⸗ 
zügliches Gebräu ist, das da auf steiler Bergeshöhe von den ehr— 
wũrdigen Minderbrũdern erzeugt wird. Wir sind bald nicht mehr 
allein; mehr und mehr Wanderer stellen sich ein, und bald wisjen 
wir, daß sie aus allen Teilen des Vaterlandes gebommen sind. um 
die Reize des Rhöngebirges zu genießen. 
Für heute sind wir am Siel; wir bleiben bei den Brüdern. 
110 Betten halten sie bereit, von denen je zwei und mehe in den 
LUleinen, freundlichen Sellen aufgeschlagen sind. Wer freilich meint, 
hier oben großstãdtijchen Luxus beanspruchen zu bönnen, der bleibt 
am besten drunten. ÜÄberall tritt die franziskbanische freiwillige 
Armut zu Tage. Aber dennoch fühlen wir uns heimisch, denn 
ein rechter Wandersmann macht beinen Anspruch auf Luxus und 
Wohlleben. 2 
Nachdem wir unsere Habseligkbeiten auf den Simmern verstaut 
haben, jührt uns Bruder — oder wie man in Bayern sagt, Frater 
— Cassian durch die weiten Gänge des 18083 sabularisierten 
Klosters — jeßt ist es pachtweise im Besitz des Ordens — zeigf 
uns die stattliche Klosterbibliotheb mit den sauber geordneten Wand⸗ 
ichränken und geleitet uns durch die lichtdurchflutete, farbenprächtig 
rusgemalte, im Barockstil erbaute Kirche. Lichter brennen auf den 
Ldeuchtern vor dem schönen Altar des heiligen Antonius; golden 
Ileißt der mächtige Hauptaltar; zur Andacht stimmt der überreich 
nit Blumen geschmüũckte Muttergottesaltar, und schlicht ist der 
Altar des helligen Franziskus von Assijssi gehalten. Hier und 
dort gewahren wir fromme Befer, die vielleicht aus weiter Ferne 
zekommen sind, um hier Hilfe in ihrem Anliegen zu erflehen. 
Draußen lacht immer noch die goldene Sonne, und so haben 
vir denn Gelegenheit, durch die herumliegenden Baqsaltblöcke 
teigend, die weite Gipfelfläche zu erreichen. Windmotoren drehen 
ich im Spiel der leichtbeweglichen Luft und erzeugen mit ihrer 
Zraft Elebtrizität für die Klosteranlagen und die anderen Gast- 
tätten auf dem Berge. Einige Schritte seitwärts erhebt sich die 
veithin sichtbare Kreuzigungsgruppe, zu der viele Steinstufen 
mporführen. Auf dem höchsten Punkte des Plateaus, nahe bei 
er vom Könige Maximilian gegründeten Wetfterstation, steht ein 
jewaltiges, 28 Meter hohes Kreuz aus Tannenholz mit vergol⸗ 
eten Blechbapseln an den Kreuzesarmen. Mit riesigen Draht- 
eilen ist es in Sementblöcken verankbert und gegen Gewitterschäden 
urch einen bis zur Spitze führenden BSlitzableiter geschützt. Das 
m Jahre 1882 errichtete Kreuz ist leider vor einiger Seit den 
Vitterungseinflũssen zum Opfer gefallen; wie man erzählt, ist 
abel ein Menschenleben verloren gegangen. Wir gehen weiter 
ind erreichen den steil abfallenden Südhang, wo eine Menge 
iesiger Felsbloͤcke wahllos hingeworfen scheint. Hier hat der 
Khönklub eine treffliche Orientierungstafel anbringen lassen. 
Zchließlich verweilen wir noch einige Augenblicke vor dem Denk⸗ 
nal des Rhönsängers Höhl, und dann schreiten wir wieder dem 
jastlichen Kloster zu. 
Ein ganzer Kreis von Freunden des Kreuzberges hat sich 
nzwischen eingefunden. Sle alle wollen die Nacht aus dem Berge 
erbringen. Lustig knistert das Feuer im dickbauchigen Kachel- 
fen. An der Tafelrunde, an der sich aquch der alte freundliche 
Dater VDikar eingefunden hat, entwickelt sich eine muntere und 
ingeregte Unterhaltung. Bald finden sich Berührungspunkte im 
egenjeitigen Erleben. Frater Pförtner bringt das dickleibige, 
n echtes Schweinsleder gebundene Fremdenbuch mit wertvollen 
zeichnungen, sinnreichen und humorgewũrzten Gedichten und hier 
ben vertonten Liedern herbei. Und dann rückt die köstliche, mit 
rãächtigen Bildern versehene Hausordnung in den Mittelpunkt 
des Interesses. Nach dieser „christlich erbar hawsordnung vor 
die Gest derer brawen Franciskaner awff dem Kretzberg? ist Ruhe 
ind Ordnung nach zehn Ühr abends vorgeschrieben. Der Paragraph 
Jverlangt: „Das crottenviech Politika sjoll der gast in ruh lan 
ynd im nit aboff das schwentßlin tretten, awch nif un nutz disput 
iber glawbenssachen erheben.“ 
Es folgt nach dem Ave ein opulentes Abendessen aus dem 
leißig gepflegten Klostergarten — und dann verbleiben wir noch 
inige Seit in der Gesellschaft der belden Poörtnerbrüder, die uns 
ch manches Interessante berichten. Wir erfahren, daß der alte 
Name des Berges Aschberg ist, daß der heilige Kilian hier um 
340 das Kreuz aufgepflanzt hat und den Anstoß zu den Wall- 
ahrten gegeben haben soll, daß der Würzburger Fäürstbischof 
ẽchter von Mespelbrunn gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts 
in eijernes Kreuz errichten ließ, daß Franziskaner, die zur Winter⸗ 
eit in einem bleinen Kloster zu Bischossheim hausten, hier oben 
vährend des Sommers in Holzbaracken wohnten, daß dann, als 
ie Schrecken des Dreißigjährigen Krieges und des Bauernkbrieges 
ie Fürstbischöfe Peter Philipp von Dernbach und Philipp von 
ßreifenklau die noch jeßt stehenden Klosterbauten nebst der Kirche 
rrichten ließen, und daß die fürstlichen Herren oft und gerne hier 
ben residierten. Wir sprachen auch vom Bier, das nach einem 
ilten Rezept nur aus Hopfen und Malz bereitet wird, und daß 
s sich länger als ein halbes Jahr hält. Seine bekömmllche 
Temperatur erhält es in dem mit Schnee gefüllten Keller. Schnee
	        
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