Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

im Glanze elektrischer Leuchtkörper prangte. — Weil kbeiner von 
den Sälen der Stadt die Menge der Festgäste aufnehmen 
zonnte, hatte man auf dem Kampfrajsen, der sonst als täglicher 
Exerzierplatz dem Ausbildungsbataillon dient, eine ungeheure 
Festhalle aus Eisenkonstruktion und Segeltuch errichtet, die über 
8000 Perjonen faßte. Der Innenraum mit seinem hohen Mittel⸗ 
schiff machte einen imponierenden Eindruck, zumal als bei den 
heiden Festakten die an der Kopfwand des Schiffs liegenden 
Teibünen von den Chargierten der abademischen Korporationen 
in Wichs mit Fahnen, davor in mehreren dichten Keihen die ge— 
jamte Professorenschaft der Aniversität in ihren mit sarbigen Auf⸗- 
schlägen geschmückten Talaren — die Theologen violett, die Juristen 
purpurrot. die Mediziner hellrot, die Philosophen blau — gejüllt 
waren. In der Mitte zwischen Theologen und Medizinern auf 
der einen, den Juristen und Philosophen auf der anderen Seite 
erhob sich die rotbeschlagene Kednertribüne und vor ihr saßen der 
Kebktor im purpurnen Samttalar mit der von den Damen neu 
gewidmeten goidenen Amtsbette, Proreltor und die 4 Debane 
in ihren Ornaten. Su ihren Füßen die Ehren- und geladenen 
Säste auf Stũhlen und hinter ihnen und in den Seitenschiffen aus 
Sänben wir minderen Gäste, alte Herren, joweit sie Korporationen 
angehörten, in Kouleur. Studenten. Studentinnen und sonstige 
Zuhörer bei— 
derlei Ge⸗ 
ichlechts. Mãch⸗ 
tig wirkte der 
mit Fanfaren⸗ 
marsch begrũß⸗ 
te Eintritt der 
studentischen 
Chargierten 
aund hinter ihnen 
der Dozenten 
und der Ehren⸗ 
gäste; es waren 
unter ihnen et⸗ 
wa 30 Kekto⸗ 
ren auswär⸗ 
tiger AUniver⸗ 
itãten und 
Hochschulen in 
den mannig 
fachsten Orna⸗- 
ten, Minister 
und andere 
hohe Beamte 
mit „aus dem 
Halse hängen⸗ 
den Orden“, 
Leuchten der 
Gelehresam⸗ 
beit aus dem 
Ausland, na⸗- 
mentlich 
Schweden und 
Finnland, aber 
duch England, Amerika und Italien, darunter der amerikanische 
Botschaffer Schurmann und der italienische Senator Groce, der 
Segner Mujssolinis, welche beide von der philosophischen Fabultät 
die Würde eines Ehrendobtors erhielten. 
Der das Festzelt umgebende Ehrenhof — der „Sirkus Busch“, 
wie ihn die Studenten benannten — den am Abend des ersten 
Festiages der Fackelzug der Studentenschaft durchzog, war von 
einer hohen Tannenhecke umgeben und gegen die Außenwelt ab⸗ 
gesperrt, und es wurde in den ersten Tagen an der Hand der 
Fejtkarten eine strenge Kontrolle geübt. Am Sonntag abend 
aber. wo der allgemeine Studentenkommers gehalten wurde, hielt 
man diese Kontrolle nur lässig und schließlich gar nicht mehr, 
wahrscheinlich, weil die damit beauftragten Studenten sich zum 
Miifeiern in die Festhalle verzogen hatten, sodaß dann ziemlich 
biel „Unbefugte“ sich hineingedrängt haben. 
Das sehr reichhaltige Programm begann am Freitag nachm. um 
Uhr, wie man jetzt sagt, um 16 Ahr, sich zu entwickeln: Turnerische 
und jportliche Veranstaltungen der Studentenschaft in dem weiten 
Stadion, das Marburg vor vielen andern Universitäten voraus 
hat; Enthüllung des Söwendenkmals für die Gefallenen an der 
Weidenhäuser Brücke gegenüber der Aniversität, woran der Kaum- 
ver hãltnijje wegen außer Ehrengästen, Professoren, Studenten und 
höheren Offizieren nur ein beschränkter Kreis teilnehmen kbonnte, 
wenn auch die Fenster der umliegenden Gebäude, die Univer— 
tätstreppe und die anliegenden Gassen angefüllt waren; das 
Zataillon stellte die Musik und eine Ehrenkompagnie. Es folgte 
ie Einweihung der neuen Studentenhäuser und der Begrüßungs— 
bend in der Festhalle, deren Ehrenhof etwa um 221/2 Ahr der 
tudentijche Fackelzug durchschritt, waährend die ganze Stadt im 
slanze der Illumination prangte. 
Der zweite Tag des Festes begann mit den Festgottesdiensten 
nden Kirchen, dem katholischen in der Kugel-, dem evangelischen 
n der Universitätskirche, die zum ersten Male nach dem Ein— 
veihungssonntag sich in ihrer neuen Gestalt einer zahlreichen 
ßbemeinde prãsentierte. Es war erstaunlich, was in unglaublich 
urzer Seit aus diesem zuvor völlig verbauten und verballhorni— 
ierken Gotteshaus gemacht ist. Es handelt sich um eine turmlose 
weischiffige Kirche, wie sie die Dominikaner zu bauen pflegten, 
iuf deren ehemaligen Klosterfundamenten das Universitätsgebäude 
eht. Diese Kirchen haben stets bei Erneuerungsbauten infolge 
)rer unshymmetrischen Gestalt die größten Schwierigkeiten gemacht. 
hier kam erschwerend hinzu, daß man den Chor der Kirche, der 
isher mit Sitzreihen ausgestattet, völlig seinen Charabter verloren 
atte, von dieser Entstellung befreien und doch den Sißraum nicht 
zu sehr verengen, zugleich aber eine breite Musik- bzw. Kirchen⸗ 
hortribũne vor der Orgel gewinnen wollte. Was man unter 
diesen Umstãn- 
den aus der 
Kirche schaffen 
bonnte, ist ge— 
schafft, ein 
jchdner, lichter, 
zur Andacht 
stimmender 
KRaum, der aus 
einem Arger⸗ 
nis zu einer 
Zierde der 
AUniversität 
und Stadt ge⸗ 
worden ist und 
sich neben der 
herrlichen alten 
Elisjabethlirche 
aund der zum 
Jubilãum 
gleichfalls im 
Innern erneun⸗ 
erten Pfarr— 
birche sehen 
lassen darf. Der 
Gottesdienst 
nit seiner von 
Konsistorialrat 
Drojessor Dr. 
Bornhãußer 
gehaltenen 
warmen und 
schwungvollen 
Predigt hat 
vohl bei allen Teilnehmern einen wohltuenden Eindruck hinter⸗ 
assen. Die Musik nahm in der kirchlichen Feier einen etwas 
zu breiten Raum ein, und die Folge davon war, daß die nach— 
olgenden Feiern des Tages erheblich hinausgezogen wurden. 
Der erste Festatt war auf 11 Uhr in der Festhalle angeseßtzt. 
Bis aber die Professoren und Ehrengäste, sowie die studentischen 
Lhargierten ihren Auf· und Einzug gehalten hatten und die wiederum 
echt lange musikalische Einleitung erledigt war, war es reichlich 
2 Ahr geworden, und in der nun folgenden Kedeschlacht legten 
ich viele Redner nicht die Beschränkung auf, die die Festfolge 
das Programm) mit ihrer Seiteinteilung gefordert hätte. Einer 
urzen Begrüßung durch den Rebtor der Aniversität, Geh. 
ZJegierungsrat Professor Dr. Wilhelm Busch, folgten Reden und 
Ansprachen des Kultusministers Dr. Becker, des Keichspizebanzlers 
ind justizministers Hergt, des Oberpräsidenten, Landeshauptmanns, 
Oberbũrgermeisters und der Vertreeter der kirchlichen Behörden; 
sierauf die wieder mit Ansprachen verbundene ÄÜberreichung der 
erschiedenen Jubelstiftungen durch den Vorsihenden des Uni— 
ersikätsbundes, den Präsidenten des Kommunallandtages, die 
dertreter hessischer Kreije und Städte u. a., nebst dem Danb des 
Zektors, endlich die Begrũßung durch die Vertreter der deutschen 
Iniversitãten, technischen Hochschulen und Abademien, der wissen⸗ 
chaftlichen Notgemeinschaft, der österreichijchen Hochschulen und 
er Schweizer Universikäten. Im ganzen 82 Keden, in denen 
Der Landgraf begrüßt die Bürgerichaft auf dem Markt. 
Hofphotograph Wilhelm Mauß, Marburg.
	        
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