Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Schnurrpfeifereien. 
Die Herren Handlanger. 
Am Ende des Dorfes stand Josteburn Hof breitspurig da: 
rꝛechts das „Jungehaus“, links das Ellerhaus, an beiden je ein 
daar Ställe, die auf der dritten Seite durch eine große Scheune 
derbunden waren. Eins nur kbonnte daran bemängelt werden: 
die Gebäude zeigten alle ein ehrwürdiges Alter. Die Dächer 
neigten sich bedenklich der Erde zu, die Balben hatten sich längst 
gebogen, und die Stockwerke waren seit Menschengedenken aus 
dem Lot geraten. 
Josteburn Hann mußte bauen, und er fing mit dem Junge— 
haus an. Das wurde niedergerissen, und nun arbeiteten die 
Maurer und Simmerleute Tag für Tag, um ein neues Haus er⸗ 
tehen zu lasen, und ein Haufen Handlanger fand dabei im Su— 
tragen des Materials Beschäftigung. 
Sie bebamen alle die Kost. Sagte da eines Tages die Joste- 
frau zur Magd: „Du, Kathreng, du kannst die Hantierengsleit 
zur Mettagssjüpp gräufe.“ Kathreng hatte in der Seit des Haus— 
haues mit einem Burschen von den Handlangern angebandelt, 
Auf der H 
Von der Landesbibliotheb. 
Die Landesbibliothek zu Kassel ist im Jahre 1580 von dem 
Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen ‚als landgräfliche Sibliotheb 
gegründet worden. Bei der Trennung des burfäürstlichen Haus— 
permögens vom Staatsvermögen im Jahre 1831 wurde sie zur 
„Landesbibliotheb“, als sjolche ist sie zusammen mit der Landesbib- 
liothek in Fulda im Jahre 1861 auf den Bezirksverband für den 
Kegierungsbezirk Kassel übergegangen. Ihre Hauptarbeitsgebiete 
ind Geschichte — vor allem hessische Geschichte —, Geographie, 
Altertumswijssjenschaft, Philologie, Literaturgeschichte, bũrgerliches 
Kecht und Strafrecht. 
Der jetzt vorliegende Jahresbericht dieser Sibliotheb für die 
Seit vom 1. April 1926 bis 81. März 1927 zeigt deutlich die 
Schwierigkeiten, die die heutigen Teuerungsverhältnisse der plan 
näßigen Fortsetzung wissenschaftlicher Sammlungen entgegensetzen. 
Obwohl der für die Beschaffung von Büchern bestimmte Betrag 
jegenũber dem Vorjahre um 3000 RM. erhöht wurde, bonnten 
aur zwei Bände mehr als im Vorjahre beschafft werden. Die 
Preise auf dem wissenschaftlichen Buchmarkt haben im Berichts- 
ahre zeitweisje 200 Prozent erreicht und sind noch immer auf 170 
Prozent zu bemessen. Die Benutzung der Bibliotheb hat sich aus 
der gleichen Höhe wie im Vorjahre gehalten, doch ist eine Er— 
hõöhung der Inanspruchnahme durch wihsenschaftliche Arbeiter fest— 
zustellen. Die Bibliothek wird jeßt dauernd wieder in stärkerem 
Umfang zu wissenschaftlichen Aufgaben aufgesucht und damit eine 
größere und vertiefte Ausnutzung ihrer wertvollen Bestände erreicht. 
In dieser Richtung wirkt sich auch der Leihverbehr der 
deutschen Bibliotheken aus, der die Benußer der Landesbibliotheb 
in die Lage versetzt, hier nicht vorhandene Werbe gegen eine 
geringfügige Gebühr von einer auswärtigen Sibliothek zu beziehen. 
Um auch dem auswärtigen wissenschaftlichen Arbeiter bei der 
heutigen schwierigen Wirtschaftolage, die gerade ihn besonders 
teifft, entgegenzukommen, hat der Landesausschuß beschlossen, den 
außerhalb der Stadt Kassel im Regierungsbezirk wohnenden Be⸗ 
nutzern der Landesbibliothek die gewünschten Bücher, deren VDer⸗ 
jendung ũberhaupt möglich ist, ohne Berechnung von Porto und 
OHerpackungsgebũhr zugehen zu lassen. 
Aus dem Geistal. 
Dielen Wanderern und Naturfreunden ist es noch wenig be— 
bannt, daß die an den Abhängen des Eisenberges entspringende 
Geis auf der Heiligenwiese unterhalb des Dorfes Salzberg in 
richterjörmigen Erdlöchern von etwa 10 Meter Durchmesser und 
s Meter Tiefe verschwindet, um unter der Muschelkalkschicht auf 
Buntjsandstein weiterzufließen und im Stockbrunnen zu Kabolds 
hausen aus Löchern und Spalten als starker Bach wieder hervor⸗ 
zutreten. Rätselhafte Erscheinungen zeigten sich manchmal bei 
heiterem Himmel. Das Wasser geriet plötzlich in Wallung und 
quoll aus neu sich öffnenden Löchern trüb und brodelnd hervor. 
BSeobachtungen ergaben, daß zu solchen Seiten in der Umgegend 
oon Alsfeld Wolbenbrüche niedergegangen waren. Daraus zieht 
man den Schluß, daß mit jener Gegend unterirdische Verbindungen 
bestehen mũssen. Um Herbunft und Abfluß des Wassers zu prüfen, 
hat man auch Fuchsin und Flachsknotten in den Versenkungstrichter 
geworfen. Ein Teil trat im Stockbrunnen ans Tageslicht, ein 
anderer erst bei Heenes unweit Hersefeld. Demnach muß auch 
mit diesen Quellen eine unterirdische Verbindung bestehen. 
und deren Gesinnung gegen die Maurer- und Simmergesellen 
nochte sich auf sie ũübertragen haben. Ihre „Invediereng“ sautete: 
„Das Mierervieh, die Semmerôsse on die Härrn Haandlanger 
onn zum Asse komme.“ Schw. 
Der geliebte Gegenstand. 
Ein Pfarrer spazierte durchs Feld. Da begegnete ihm die 
Tochter des alten Gottlieb aus dem Nachbardorfe. Die haͤtte sich 
85 herausgeputzt. Nach einer Weile kbam auch der alte Gott⸗ 
ieb jelbst. 
„Va, Herr Pfarrer, schon so früh auf den Beinen?“ 
„Jaja. Kennt Ihr mich denn?“ 
„Ja, Ihr seid doch der Dittersbacher Pfarrer“. 
„Der bin ich. Doch jsagt mal, ist da nicht eben Eure Tochter 
'o schön geputzt vorbeigegangen? Was ist denn mit der los?“ 
Gottlieb wollte es nicht so rein heraussagen, daß sie einen 
erzgebobbelten Burschen im Sinne trug. Er dachte, für die 
Ohren des ledigen geistlichen Herrn schicke sich das nicht, und 
rachte endlich unter vielen Umständen heraus: Wissen Se —äh, 
vissen Se, Herr Pfarr: Ach kLann ich's sprachche: mine Dochter 
ot nammlich do unten em Derfe 'n Gegenstand“. K. 
—4 
imatwarte. 
Sbelettfunde in Eschwege. 
Sei Ausschachtungsarbeiten zur Anlage einer Heißlustheizung 
n der Altstädter Kirche wurde in der Sabeistei ein interessanter 
fund gemacht. Man stieß dort auf noch sehr gut erhaltene 
nenschliche Skelelte, die auf die einstige Anlage eines Massen- 
zrabes jchließen lassen. Die Gebeineé lagen in Kreuzform, je vier 
nit den Füßen zusammenstoßend. Einen halben Meter liefer fand 
nan eine zweite Schicht Sbelette, in derselben Lage. Wann die 
Toten hier beerdigt worden sind, dürfte sich wohl sehr schwer fest 
tellen lasen. Man neigt der Annahme zu, daß die Toten bei 
der Serstörung der Stadt oder der Kirche dort beigesehßt wurden, 
da die Sabristei erst später angebaut worden ist. 
Kleine Chronib. 
VDom 30. Juli bis 6. August fand in Kassel der zweite 
deutsche Naturschutzt ag staft. Kassel wurde auf Grund einer 
ejonderen Anerbennung der vorbildlichen Naturpflege in Hessen 
ils Tagungsort gewählt. Mit der Tagung sind zwei Ausstellungen 
erbunden? „Naturschutz und Schule“ in der Stadthaälle und 
Naturschuß und Kunst?“ in der staatlichen Gemäldegalerie. — 
Sum vierhundertjährigen Jubiläum der Landesuniversität 
erschien eine Festpostbarte, die einen alten Stahlstich von 
Marburg zeigt, mit einem Jubiläumspoststempel. - 
Auf das Preisausschreiben des Marburger Magistrats für 
das beste Marburglied erfolgten 345 Einsendungen, von denen 
leine den Anforderungen voll entsprach. Das Preisgericht zeichnete 
ie drei besten Lieder aus, deren Verfasser AUniversitätsprofessor 
De. Janson (Köln), Hans Ludwig Linbenbach (Mainz) und Pauĩ 
Warnke (Neubabeisberg) sind. — 
Die philosophische Fabultät der Unibersität hat den Berliner 
Sildhauer Prof. Kolbeé, der die vom preußischen Staat zur Vier 
yundertjahrseier geschenkte Monumentalfigur ausführte, zum Ehren- 
dobtor ernannt. — 
In Schröck bei Marburg wurden vor zwei Jahren oberhalb 
des Elisabethbrunnens die Grundmauern der alten Elisabethlapelle 
urch Sufall entdeckt. Von der Stgaatsregierung bereitgesiellte 
Beldmittel ermöglichen jetßzt die Fortseung der Ausgrabungen, 
die unter der Aufsicht des Staatsarchivars Dr. Küch stehen. — 
Der Verbehrsverein in Steinau a. d. Kinzig eröffnete die 
Teufelshöhle, die als die größte Tropfsteinhöhle Kurhessens an— 
gesehen wird. Außer der bekbannten Haupthöhle und den neu— 
entdeckten Seitenhöhlen werden noch weitere Hohlräume vermutet. 
Sei Wajssßerleitungsbauarbeiten stieß man an der Rune Mellnau 
»ei Wetter auf ein altes, treppenartiges Kellergewölbe, in dem 
Menschen- und Pferdebnochen sowie irdenes Geschirr u. a. gefunden 
vurden. Es sind Bestrebungen im Gange, die aus der Mitte des 
13. Jahrhunderts stammende Burg, die einen prachtvollen Blich 
auf die Gegend des Christenbergs und das Wetschafistal gewährt. 
aicht ganz verfallen zu lassen. — 
Für Sonntag, den 14. August, hat der KGV. auf dem Ge— 
ände der neuen Knüllherberge ein Knüllfest vorgesehen. Im 
Mittelpunbte soll die Aufführung des Telispiels der Schweizer 
Bauern durch den Jugendkreis des Turnvereins Hersfeld stehen. 
Nachdruck nur nach Abereinbunft mit dem Herausgeber gestattet. 
derausgeber: Konead Bernecher. Druck und Verlag: A. Serenedter. Melsungen. 
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