Wurden nun Feinde gemeldet, so flüchteten sämtliche Ortsein-
gesessenen mit Vieh, Erntevorräten und weiterer wertvoller Habe
auf den Kirchhof hinter die damals noch genügend hohe Ring-
nauer, die Frauen und Kinder in die Kirche, während die
Schũtzen — mit Armbrust und später mit
Muskete bewaffnet — ihre bestimmten
Plätze an den Scharten einnahmen, um
die Angreifer gebührend zu empfangen.
Da die Scharten nach außen enger
werden, so boten sie den Verteidigern
hinreichend Schuß. Gelang nach heftigem
Nahkbampf wirklich die Erstürmung des
Kirchhofs, so fielen das hierher geflüchtete
HDieh und Getreide in die Hände der
Feinde, die sich damit, manchmal auch
noch Gefangene mitschleppend, baldigst
wieder entfernten.
Es ist anzunehmen, daß der alte Ver⸗
teidigungsbau auch schon eine Glochen-
tube getragen. Als es im Dreißigjãhrigen
Kriege einem Kroaten gelungen war, die
Hauptglocke zu rauben, da eilte ihm der
Oetsförster kurz entschlossen mit seinem
Hunde nach, stellte den Dieb und nahm
ihm eine andere Glocke ab, die dieser in
Kirchgandern gestohlen hatte und die nun
an Stelle der geraubten im Turme auf-
gehängt wurde. So erzählt wenigstens
die Ortssage. Die Figur des tapferen
Forstmannes jamt der jeines Hundes hat
zin Künstler in einem Eckpfosten des
gegenũberliegenden, im vorigen Jahre
geschmackvollerneuten Holzfsachwerbhauses
sestgehalten. Den in der Überlieferung
noch lebendigen Stoff aber hat der Helsaer
Lehrer Schuchhardt geschickt zu einem
Heimatfestjpiel verarbeitet, das von Heljager
Bürgern verschiedene Male mit Be—
gzeisterung aufgeführt worden ist.
Dem massiven Unterbau des Turmes wurde nach dem Dreißig-
ährigen Krieg ein überhoher, massiger Fachwerkbau aufgeseßzt,
dessen Entstehungsjahr 1654 in der Mauerhöhe eingehauen ist.
Die Holzkonstrubtion aber hatte durch eindringenden Regen sehr
zu leiden, so daß das Läuten den Glockenstuhl ernstlich bedrohte.
Das Gebälk mußte deshalb verschiedene Male erneuert werden,
und die Fachwerkgeschosse wurden nach außen mit Schindeln ge⸗
deckt. In der Glockenstube hängen noch zwei alte Glocken. Die
ilteste aus 1400 hat die Inschrift: »Completa est anno dni MCCCC in
vigilia penthecosstes. Defutus plango, vivos voco, fulgura frango.«
(Sollendet im Jahre des Herrn 1400 am Tage vor dem Pfingst-
est. Abgeschiedene beblage ich, Lebende erufe ich, Blißze breche ich.)
Dom Pulsschlag der Heimat.
scharfer jchneidender Ton ist ihre Antwort, wenn sie durch das
aufrische Gras harfen.
Inzwischen wied's im Osten immer heller. Nebelschwaden sinkben
nieder. Dann hat es die Sonne vollbracht, über den Kand der Knüll-
erge zu schauen, erst blinzelnd, dann mit einem blaren Sonnenblick.
Mahd reiht sich neben Mahd. Wir haben uns alle wacker
jehalten. Dreiviertel der Wiese liegt bereits gemäht. Ich sehe
ach der Taschenuhr, sie zeigte /2T. „Nun muß ich aber nach
hause, daheim warten die Schulkinder“, mit dlesen Worten beende
ch die Mäharbeit.
Flink schreite ich durch den jungen Morgen dem Dorfe zu. In
illen Nachbarorten sind die Glocken erwacht und mahnen zum
Morgengebet. Trillernd steigen die Lerchen und singen ihren
frühpsalm. Der nahe Wald läßt jein jummendes Lied hören. Am
Vegrand brabbelt früh erwachtes Leben. Grillen zirpen am Feld-
ain. Darüũber steahlend heller Sonnenschein.
Daß die Biblische Geschichte „Don der frommen Ruth“ und
»er Bibelspruch „Seht die Lilien auf dem Felde ..““, die ich
eute zu behandeln vorhabe, ein besonderes Gesicht bekommen,
edarf wohl beiner Versicherung.
AUnd dann ist die Schule beendet, ich folge den Meinen auf
ie Wiese, um beim „Wenden“ zu helfen. Ob ich mũüde bin? —
iein, bein bißchen, die Arbeit im Freien hebt den Stubenmenschen
darüber hinaus.
Am näãchsten Tage wird der Wlesensegen eingefahren.
Heuernte — goldne Seit auf dem Lande! Schw.
die einzelnen Wörter sind gelrennt durch Madonnenfiguren. Die
weite Glocke, die Eckhard Kucher in Erfurt als ihren Schöpfer
iennt, ist 1388 gegossen. Eine dritte Glocke wurde ein Opfer des
Veltkrieges; sie wurde aber 1925 ersetzt durch eine von Gebr.
Alrich, Apolda, gegossene neue Glocke.
Die schieferbeschlagene Spitze des Kirch⸗
kurms läuft aus in einen doppelten Tam—
hur mit Schweifhauben. In der obersten
Ȋngen die beiden Schlagglocken, die eine
hzie Viertel, die andere die vollen Stunden
herbũndend. Die Wetterfahne mit der
Jahreszahl 1188 erhielt mehrmals einen
ieuen Knauf, da der alte durchschossen
vorden war, indem er manchem Schühen,
der seine Treffsicherheit zeigen wollte, als
Ziel gedient. Die Wiederholung der
Anbringung der Wetterfahne gestaltete
ich 1819 zu einem besonders feierlichen
OHetsfest. Der zeitige Grebe hat das
Dobument der damaligen Festlichkeit in
den Knauf versenkt, wo es 1906 ge—
legentlich einer Reparatur gefunden und
— nachdem eine Abschrift genommen —
wieder eingelegt wurde. Eine Kopie davon
besitzt der Lehrer Seiß in Helsa.
Das eigentliche Gotteshaus mit
einer feinen Holzarchiteltur joll wãhrend
des Dreißigjährigen Krieges stehen ge—
blieben jein, während Schul⸗ und Pfarr⸗
haus zerstört worden wären. Der alte
Kirchturm aber überschaut immer noch
das ihm freu gebliebene Dorf und hält
— ein klassijcher SZeuge — bisweilen gern
zin Plauderstündchen mit einem heimat-
gestimmten Wanderer, und die heimat—
perstãändige Gemeinde Helsa bonnte die alte
und neue Seit nicht besser zu verbinden
juchen, als daß sie auf dem alten Gemeinde⸗
platz vor dem altehrwürdigen Tor⸗ und
WVehrkturm bäünstlerische Terrassen aufbauen läßt, die dem stillen
vedenben der zahlreichen Opfer des Weltkrieges aus seiner Mitte
ewidmet sein sollen.
So bietet Helsa dem Heimaffreund dankbaren Stoff für
forjchungen. Sudem erscheint der Ort für ruhebedürftige Seelen
die geschaffen. Man trifft in den herrlichen Buchenwaldungen
anch stilles Plätzchen, wo eine Bank zur Kast einlädt oder ein
Zuell munter jprudelt, an dem u. a. auch unserm heimatlichen
dichter und Komponisten J. Lewalter herrliche Melodien zugeflossen
ind, von denen sein Lobgesang auf Helsa von den Mitbürgern
— Lewalter ist Ehrenbürger von Helsa — mit Begeisterung ge—
ungen wird.
Heljaer Holzfachwerbhaus.
Mit Figur des sagenhaften Forstmannes an der oberen Echsäule)
Phot. C. Dippel.
Heuernte.
Junisonnenschein wandert ũber die Wiese. Schneeweiß leuchten
die Sterne der Johannisblume, und die Samen des Kümmels
bräunen sich von Tag zu Tag. Dicht stehen die Gerashalme und
eeren ihre Staubbeutel aus. Wiesensegen.
Und morgen kbommt die Sense.
Eben hat die Kirchenuhr die dritte Morgenstunde mit drei weit
hin durch Dorf und Gemarkung schallenden Glockenschlägen ver—
rzündet. Da weckt mich meine Frau. Sie ist schon ũber eine halbe
Stunde tätig. Ich beeile mich, ins Seug zu kbommen.
Gleich darauf erscheine ich unten. Dort sißen unsere Mäher,
drei nervige Männer und zwei handfeste Frauen, beim Morgen⸗
affee. „Gun Mörge, Härr Lehrer“, klingts aus ihrem Munde,
ind es ijt wie ein leiser Unterton des Spottes darin, daß ich es
pagen will, mit ihnen in gleicher Keihe zu mähen. Lacht nur!
Ich schlũrfe auch eine Tasse des duftenden Getränkbes und esse ein
Sissen dazu. Dann geht's, die Sense auf der Schulter, der
ieje zu.
Noch liegt das Dunkel der Nacht mit schweren schwarzen
Schwingen ũber der Erde, noch leuchten einige Sterne. Nur im
Dorfe krähen die Hähne, und fern im Osten zeigt ein bleigrauer
Streifen am Himmel das Kommen des Tagesgestirns an.
Jetzt sind wir an Oert und Stelle. In Voraussicht dessen,
was nun bommen wird, lege ich Kock und Weste ab und brempele
die Hemdärmel auf, und dann kun die Sensen ihr Werb. Ein