Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

in Deutschland berühmt. Sie fesselt durch realistische Kraft und 
psychologijche Motivierung. K. 
Jabob Schaffner, Die Mutter. Novelle. Keclams Univerjal- 
bibliothek. Gebunden 0,80 RM. 
Ein zum Tode Verurteilter schreibt in der Selle die Beichte 
seines Lebens. Sein Dater, tüchtig und charabtervoll, stirbt früh. 
Die Mutter, schön und lebensfroh, läßt sich von einem Schwarm 
zweifelhafter Bũhnengrößen umgirren. Der Sohn sucht vergeblich 
den Weg zum Herzen der geliebten Mutter. Nach dem Susammen- 
druch ihrer Existenz geht die Verschwendungssüchtige mit einem 
Opernsänger in die neue Welt. Der Sohn arbeitet, bommt hoch, 
stellt die Ehre jeines Namens wieder her und steht im Begrif, 
fich ein Lebensglũck zu gründen. Da macht die in Lumpen heim- 
pehrende Mutter mit dem nobelgebleideten Stiefvater alles zu⸗ 
nichte. Als der Sohn erbennt, daß sie den alten Phrasenhelden 
wirblich liebt, löscht er, ohne es zu wollen, ihr Leben mit der 
Waßffe aus. — Unbegreifliches Geschehen ist hier ernst, streng und 
wahrhaft gãtig gestaltet. R. 
Hütteroth, Kurhessische Pfarrergeschichte, 2. Bd. Derlag 
Johs. Braun, Eschwege. Preis bei Vorausbestellung beim Verlag 
3.20 RM. sonst 6,50 RM. 
Soeben erscheint der 2. Band der „Kurhessischen Pfarrer⸗ 
geschichte“, enthaltend die Pfarrer der Stadt Marburg. Vas 150 
Seiten umfassende Buch ist der Universität Marburg zu ihrem 
soo jaährigen Jubiläum gewidmet. Aus Kirchenbüchern, Abten des 
Staatsarchibs, Werken von Strieder, Justi, Kolbe, Heldmann und 
Bũcking, aus alten Keposituren und Kechnungen sind fast lũckenlos 
alle Daken über Marbuͤrgs Pfarrer, von der Seit der RKeformation 
an, einzelne zum Teil sogar noch weit darüber hinausgehend, zu⸗ 
jammengetragen. Die Darstellung ist ganz kurz und prägnant und 
enthält sich natürlich jeder Stellungnahme zu den Religionsstreitig- 
reiten. Trotzdem gibt sie zwischen den Seilen doch ein beachtliches 
Bild der Kulturzustände, wenn sie die „Pestes“. die Seiten der 
RKeformation, des Dreißigjährigen Krieges, des Siebenjährigen 
der des Freiheitskrieges streift. Alte, z. T. längst vergessene 
Kirchen (der Kilian, die Deutschordenskirche, die Kugellirche, die 
5chloßlapelle, die schon 1280 im Gebrauch war), werden der 
dergessenheit entrissen. Was aber dem Buch seinen ganz besonderen 
Vert verleiht, das sind die geneadlogischen Angaben über die 
uufgezählten Pfarrerfamilien. Der Familienforscher wird sich mit 
em „Hütteroth“ viele Arbeit sparen, oft sogar aus ihm allein 
chöpfen Lönnen. Wenn man bedenbkt, wie die Ahnenreihen unserer 
dorfahren durcheinander laufen, und ineinander mũünden, wie unsre 
ilten hessischen Familien wohl alle verwandt und veerschwägert sind, 
o wird man unter den genealogisch nachgewiesenen Familien sicher viel 
Slieder der eignen Ahnenreihe finden. Dem erwachenden Sinn für 
Familienforschung kommt gerade ein solches Buch besonders entgegen. 
Wilhelm Weigand, Wendelins Heimbehr. Eine Erzählung. 
Keclams Aniverjsalbibliothek. Preis geb. 1,20 RM. 
Anter der stiefvãterlichen Behandlung, die das Schicksal seiner 
Igeljeele“ angedeihen läßt, wird der Phuologe Wendelin Krumm⸗ 
solz immer rauher und stachliger. Den ärgsten Fußtritt versetzt das 
Mißgeschick dem Hauslehrer Wendelin aber im Nugenblick jeiner 
tummen Liebeserklärung, sodaß er vor den Augen seiner An— 
jebeteten von der Stiege purzelt und das Bein bricht. Weil das 
deben nur Püffe für ihn hat, will er auch nicht mehr fein säuber- 
ich mit seinem Eeben umspringen, jetzt alles auf eine Karte und 
zeht in die Fremdenlegion. Swei entsetzliche Jahre hält er aus. 
Nach gelungener Flucht ist er einige Jahre Kaufmann in Agyhpten, 
ehrt als gereifter Mann heim, gibt einen Bericht seiner Aben⸗ 
euer, nimmt mit wenigen Worten die unterbrochene Liebes- 
rblärung da wieder auf, wo er sie unterbrechen mußte, und rettet 
zas Besitztum Adelheids vor dem Sugriff ihrer unnützen Brũder 
ind dem Susammenbruch. „Die alte dunkle Weltironie“ hat ihn 
on jeiner Igelhaftigkeit kuriert. — Bärbeißiger Humor würzt das 
Stück und stellt es neben Kellers „Pankrasz, der Schmoller“. K. 
v 
Auf der Heimatwarte. 
Aus der Geschichte der Stadt Fulda. 
—A0 
lung „Ouellen der deutschen Volkskunde“ (bei Walter de Cruyter 
8 TCo.) „Arabische Berichte von Gesandten an germanischen 
Fũrstenhösjen aus dem 9. und 10. Jahrhundert“ mit. Als Ver⸗ 
lreter und als Bevollmächtigte des Sultans sowie als Händler 
sind Keisende arabischer Sunge in dieser Seit nach Nordeuropa 
gekommen. Am Hofe Ottos des Großen verweilten Tartuschi 
und Ibn Jaqub. Ihre Berichte haben in dem geographischen 
Werk des Arabers Ouazwini „Denkmäler der Länder“ einen 
Niederschlag gefunden. Danach ist Fulda eine große, aus Steinen 
eebaute Stadt im Lande der Franken, von der Tartuschi erzählt: 
„Nie sah ich in allen Ländern der Christen eine größere als sie, 
noch eine reichere an Gold und Silber. Die meisten ihrer Gefäße. 
wie Rauchfässer, Becher, Kannen und Schüsseln, sind von Gold 
und Silber. Auch befindet sich dort ein silbernes Götzenbild in 
der Gestalt eines Märthrers mit der Front gegen Westen. Ferner 
ijt dort ein anderes Götzenbild aus Gold, dessen Gewicht 8300 Katl 
beträgt, mit seinem Rücken mit einer sehr weiten und breiten 
Tafel zusammenhängend, mit Hyazinthen und Smaragden besetzt, 
und es hat seine beiden Arme nach Weise eines Gebreuzigten 
geöffnet; es ist das Bild des Messias — Friede über ihn. Auch 
befiüden sich dort goldene und silberne Kruzifixe und Gedenbtafeln, 
alle aus Gold und Silber, alle mit Hyazinthen beseßt.“ — 
Das berũhmte und vielerörterte Schreiben Karls des 
Großen an den Abt Bangulf von Fulda über die Bildung 
der Klostergeistlichkeit und die Notwendigbeit des Studiums ließ 
sich bis jeßt nur auf eine einzige Handschrift des 11./12. Jahr⸗ 
hunderts siũtzen. Nun ist es Prof. Paul Lehmann in München 
gelungen, in Oxford eine aus Würzburg stammende Kopie zu ent⸗ 
decken. Ferner bonnten dem mit 361 Sildern geschmückten Koder 
der Enzyklopädie des Hrabanus Maurus aus Montecassino von 
1023 zum erstenmal zwei andere illustrierte Handschriften desselben 
Werkbes aus der Vaticana angeschlossen werden. 
Marburg im Bild. 
Der neugegründete Marburger Museumsverein richtet die 
Bitte an alle deutschen Künstler, die einmal das Bild Marburgs 
oder seiner näheren Umgebung in irgend einer künstlerljchen Form 
festgehalten haäben, und an die Besitzer neuer und alter Dar⸗ 
steliungen Marburgs, ihren Besitz dem Leiter des Aniversitäts 
museums, Herrn Br. Kippenberger, Universitätsstraße 14, freund⸗ 
lichst mitzukeilen, und zwar unter Angabe des Autors, der Seit, 
Technik uͤnd Größe des Bildes. Der Verein plant nämlich gelegent⸗ 
ich des Universitätsjubiläums eine Ausstellung, die einen voll- 
tãndigen AUberblick über die bünstlerische Darstellung des Bildes 
on Marburg im Laufe der Jahrhunderte geben soll. Die Aber— 
endung des Angebotenen möge erst auf ausdrückliche Anforderung 
gejchehen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß das eine oder andere 
Stũck Läuflich erworben wird. 
Prof. Wenck f. 
Der bebkannte Marburger Historiker Prof. D.h. c. Dr. phil. 
Zarl Robert Wenck ist im Alter von 14 Jahren gestorben. Der 
derblichene gehörte seit etwa 40 Jahren dem Lehrkörper der 
Iniversität an. Wencks Forschungsgebiet, auf dem er weit über 
Deutschland hinaus als unbedingte Autorität galt, war die Geschichte 
der heiligen Elisjabeth, die er eigentlich erstmalig streng wissen⸗ 
chaftlich behandelt hat. Auch der mittelalterlichen hessischen 
dandesgeschichte galt sein Interesse, wovon zahlreiche Aufsätze in 
er Seilschrift des Vereins für hesjsische Geschichte und Landesbunde 
zeugnis ablegen. Für die niederhessische Forschung war von größtem 
Vert der Aufsatz ũüber den sogenannten „sächsischen Hessengau“, 
n dem 3 nachwies, daß es einen solchen als selbständigen 
Hau nie gegeben hat. Kleine Chronib. 
Die Schwoeizer Schillerstiftung verteilfte Ehrengaben von 1000 
frankben u. a. auch an den in Sürich lebenden deutschen Dichter 
Larl Friedrich Wiegand, der am 29. Januar 1817 in Fulda 
jeboren wurde und sein fünfzigstes Lebensjahr vollendete. — 
In Kassel verschied Mitte Juni der Vorsitßzende des Mittel- 
eutijchen Sängerbundes, Georg Schade, früher Lehrer, dann, 
vie sein Vater, Pianofortefabrikant und eifriger Freund und Förderer 
des Männergesangs. Sur Trauerfeier bei seiner Bestattung er— 
chien eine große Sängergemeinde. — 
Der preußische Minister für Wissenschaft, Kunst und Volbsbildung 
hat den Frankfurter Bildhauer Bruno Elban beauftragt, eine Plabette 
ür das Jabitum der Universität Marburg zu schaffen. — 
Am 8S. Juli feierte die Stadt Eschwege ihr Johannisfest, 
zerbunden milt der Aufführung eines Heimatspiels von Lehrer 
Arthur Adler in Datterode. Am Vorabend des Festes wurde 
der neue Dietemann auf dem Schloßturm eingeweiht. — 
Am 10. und 11. Juli feierte die Kolonie Friedrichsbrũck, 
Treis Witzenhausen, ihr hundertfünfzigiähriges Bestehen. Die 
Folonie wurde 1111 in der Feldmark der Stadt Lichtenau mit 
Zustimmung des Landgrafen Friedrich Il. gegründet. — 
Nachdruck nur nach Ärereinkunft mit dem Herausgeber gestattet. 
herausgeber: Konrad Bernever. Druck und VDerlag: A. Bernecher, Melsungen.
	        
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