»eißen Sinning Haus zu Spangenberg. Sum ersten und einzigen
Male hat des scheuen Töchterleins Herz — heimlich noch und
erstohlen zwar, aber aus allen Tiefen — Ja zu einem Burschen
zesagt, der — einer armen Witwe Sohn — treu und gewihssenhaft
und mit viel Kunst sein Küferhandwerl in der Stadt betreibt.
Auch sein Herz hat sich längst an das schöne und brave Mädchen
oerloren. Aber der Dater hat anderes mit seinem einzigen Kinde
hor. Hochfliegende Pläne, in die er niemanden, auch nicht die ihm
nächsten, hineinschauen läßt, bewegt er in seinem Sinn. Sich einen
Namen machen, Ansehen und Macht gewinnen, herrschen — das
ist sein ganzes Streben. Und dazu soll ihm ein Werkb verhelfen,
das bisher noch immer wieder aufgegeben ward, so oft man es
begann, und das er — boste es, was es wolle — zwingen will:
der Stadt, die öfters unter großem Wassermangel leidet, will er
zine Wasserleitung geben. Schwere Kämpfe hatte er darob mit
Magistrat und Bürgerschaft der Stadt zu führen. Aber er setzte es
zurch, und die Arbeit wurde — wenn auch unwillig — aufgenommen.
Nun ist er im Begriff, einen zweiten Plan der Verwirblichung
intgegenzuführen. Der Amtmann von Spangenberg, ein brutaler,
aber beim Landgrafen in großer Gunst stehender und einjlußreicher
Mann, ist sein Freund. Um diese Freundschaft, auf die er großen
Vert legt, noch fester zu schmieden, soll jsein Kind mit des Amtmanns
Sohn, einem landgraͤflichen Notarius, „die rechte Hand vom Land⸗-
zrafensohn“, verheiratet werden. Doch Else will von dem hinter
einen Büchern vertrockneten und ausgedörrten Franz, der durch
ein aufgeblasenes, gebünsteltes, lächerlich pedantisches Wesen nur
hren Spott weckt, nichts wissen und erklärt dem Vater fest und
entschlossen, lieber unverheiratet zu bleiben, als den „Herrn von der
Feder“ zu nehmen. Volles Verständnis für ihre Herzensnot findet
ie bei ihrer Base Trute, die ihr nach der unvergeßlichen Mutter
Tod mit ihrem graden, rechtschaffenen Sinn eine mũtterliche Freundin
ist. Der Dater trifft bald auf die Ursache des Widerstandes gegen
jeinen Lieblingsplan und weist den bald schon um die Hand Elses
anhaltenden Kuno, den er vordem seiner Tüchtigkeit wegen hoch—
geschätzt, dreimal — und wenig höflich — ab. Aber die grausame
Härte des Daters verbindet die Liebenden nur umso fester. So kommt
der Mai haerbei. Da bricht ein Schicksal über des Bürgermeisters
Haus herein, das von allen — nur nicht von Sinning selber —
als ein Seichen des Himmels verstanden wird: bei einer Be—
sichtigung der Arbeiten zur Wasserleitung gerät Sinning mit den
durch sein herrisches Wesen aufgebrachten und nur widerwillig
Schaffenden in Streit, in dessen Verlauf ihm von einem Arbeiter
ein solch schwerer Schlag mit der Schippe verseßt wird, daß er
blutũberströmt und seiner Sinne beraubt heimgetragen werden
muß. Den tieferen Anlaß zu dem Streit aber hatte die Weigerung
des Schultheißen gegeben, seine Tochter Else mit Kuno, den alle
Burschen gern haben, den Malenreigen anführen zu lassen, worum
die jungen Männer ihn gebeten hatten. Kuno aber, obwohl gänz-
ich unbeteiligt an allem, dem Amtmann und seinem Sohn jedoch
ängst schon ein Dorn im Nuge, joll von diesem zur Verant-
vortung gezogen werden und muß bei Nacht und Nebel nach bitter⸗
chwerem Abschied aus Spangenberg fliehen, um sich bei einem
Füfermeister in Köln in Sicherheit zu breingen, zu dem ihn Pater
Hilarius, der auf das herzlichste mit den unglücklich Liebenden
ühlt, schickt. — Die Jahre gehen dahin. Elses liebevolle, unver-
rossene Pflege und die zähe Natur haben dem Schultheißen die
alte Kraft zurückgegeben. Ein wonnevoller Frühling lacht über
dem Land. Das Maifest steht vor der Tũr. Da hält es Kuno nicht
nehr in Köln. Mit unwiderstehlicher Gewalt zieht's ihn heimwärts,
vo ein liebendes, jehnendes Herz seiner in Treuen harrt. Un—
erkannt gelingt es ihm, sich unter die Feiernden zu mischen und
heim Preisschießen den Meisterschuß zu kun. Er wird erkannt. Der
Jubel ist unermeßlich. Otto der Schũß, der von der Feste Spangen-
berg aus das Hessenland regiert und dem der sonnenverbrannte,
rijche Bursch trefflich gefällt, macht sich zum Freiwerber Kunos.
Nach langem Sögern willigt Sinning ein, seine Tochter dem vom
Landgrafen zum Hofbüfermeister ernannten Kuno zu geben. Aber
er bnũpft eine grausame, schier unmoglich zu erfüllende Bedingung
daran: Kuno soll binnen Jahresfrist die Wasserleitung zur Stadt
jühren. Kein Meister, Geselle oder Lehrling darf ihm dabei
elfen. Kuno, entschlossen, sich jsein Glũck oder sein Grab zu graben,
willigte ein. In Else, der Getreuen, findet er eine unermũdliche
Gehilfin, mit der zusammen er in zäher Ausdauer und unjäglich-
schwerem Schaffen die übermenschliche Arbeit zwingt. Als die
Pfingstmaien übers Jahr wieder vor den Türen stehen, als die
Frühglocke zu läuten beginnt, da ist die letzte RKöhre gelegt, und
dlar und hell fließt das köstliche Wasser zur Stadt hinein. Kuno
und Else aber, körperlich völlig gebrochen und sgelisch vom
äbergroßen Glücks erbämpfter Liebe ũbermannt, sinben zu Boden
und hauchen ihr Leben aus ... Tot werden sie in der Nähe des
muntere plätschernden Quells von den Burschen und Mädchen, die
je in festlichem Suge zur Stadt holen wollen, aufgefunden. Er—
hũttert stehen alle vor den Beiden, die im Totenbleid Hochzeit
eiern ... Zerbrochen sinkt auch Sinning zu Füßen der im Tode
ereinten treuen Liebenden nieder ... Sie aber feiern immer
vieder seelijche Auferstehung in den Herzen aller Geschlechter. —
Mit viel Liebe und Hingabe haben sich die Darsteller in das
'eben des Spiels und in die einzelnen Personen hineingelebt. In
hönem Zusammenklang von starbem Spieltrieb und sicherer Form⸗
raft hat sich das Spiel, das spielerisch reiche Möglichkeiten in sich
irgt, zu harmonischer Gestalt gerundet. Es war zu erleben, wie
ie Spieler zu restlosem Wesensausdruck drangen, wie sie die Ge—
altung bewußt von innen her anfaßten. Es waren Laienjspieler,
ber was ihnen vielleicht an Koutine abging, das wurde durch
ꝛisches pulsierendes Leben hundertfältig erseßt. Mit ganzer Seele
anden die Spieler in dem Geschehen, das sie vermittelten; voll
ind ganz waren sie hingegeben an das, was der Dichter aus
ꝛbendiger innerer Anschauung heraus ins Wort gebannt hat —
im es wieder in echtes, unmilteibares Leben zurückzuverwandeln.
Nit innerstem Herzen waren sie dabei und verstanden es meister-
aft, den Rollen Leben zu geben, aus Spiel ergriffene und er—
reifende Wirklichkeit werden zu lassen. Es gab Augenblicke, wo
Vorte aufklangen, die so erfüllt waren von der ganzen leidenschaftlichen
zewalt echten Erlebens, daß sie die Herzen der Zuhörer mit
lementarer Wucht packten und erschũtterken. Die Auswahl der
zpieler und die Verteilung der Rollen, die — wie überhaupt die
anze Spielleitung — in den Händen Lehrer Heinleins lag, war
ußerst glũcklich. Des Schultheißen prächtiges Töchterlein hatte in
zrl. Lijelotte Heinlein eine Darstellerin gefunden, die ihm mit
estloser inniger Hingabe zu lebendiger, tiefer und wahrer Wirbung
erhalf: rührend mäadchenhaft in der Verwierung und Hilflosigkeit
er aufkeimenden Liebe, ganz Weib in der jelbstvergesjenen Hingabe
in den Geliebten, tapfer im Ertragen allen Leides, das sie um
hrer Liebe willen auf sich nehmen muß, ũbermenschlich-heldijch an
er Seite des um ihrer beiden Glück schaffenden Liebsten, erschũtternd
aden Augenblicken, da die Erschöpfung sie vorübergehend mit
hwerflatterndem Wahn umfängt, erlöst und erlösend im seligen
dinũberschweben in eine schoͤnere Welt, in der ihre Liebe schon
nmer daheim war. Es war beine leichte Aufgabe, und daß Fri.
deinlein sie glänzend löste, zeugt von bestem schauspielerischen
dönnen. Dasselbe gilt auch von Bruno Heisje, dem Darsteller
es Kuno, der die Wandlung und Reifung des schüchternen
ũnglings zum festen, jeiner jelbst sicheren Mann durch die Liebe
oll und ganz erleben ließ. Der Schmerz um die einsam ver—
orbene, innig geliebte Mutter, die Sorge und der Kampf um die
zeliebte, der leßte Aufschrei des am Ende sjeiner Kräfte Stehenden
eim Anblick der Toten auf dem Waldboden waren von über-
eefflicher Kealistil. Die temperamentvolle und schlagfertige Base
rute, Eljes mütterliche Freundin, spielte — wie auch Kunos
eidgebeugte Mutter, Frl. Martha Siebert — mit voller Einfühlung
a die beiden so verschiedenen und nicht einfachen Charabtere.
hervorzuheben sind auch die Leistungen von Hugo Munzer, der
ie Rolle des ehrgeizigen, polterigen und herrschsüchtigen Schult-
eißen ũberzeugend zu spielen verstand. Der Notarius Franz,
dunos lächerlich pedantischer Nebenbuhler, wurde mit bewunderns-
ertem, böstlichem Geschick von Christian Schönewald gegeben;
nnd dem Pater Hilarius mit der ganzen herzlich naiven, gemüt⸗-
ollen Biederkeit, unter der sich eine sehr kLernige und temperament-
olle Natur verbirgt, die gelegentlich — zwar nicht zum Ansehen
es geistlichen Standes, aber umsomehr zur Ehre des Menschen Hila-
ius — durchbricht, wurde Kurt Siebert, der außerdem die
irkungsvollen, prächtigen Bühnenbilder geschaffen hat. einzigartig
erecht. Der brutale und finstere Amtmann, der in Haltung und
orm oft an den Herzog Alba in „Egmont“ erinnerte, lag bei
zeorg Siebert in vorzüglichen Händen. Elisabeth von Cleve,
Attos des Schützen Gemahlin, die Fel. Anne Knoll darstellte, und
Rtto der Schũtz jelber, der von Erich Wittmann verkörpert wurde,
erdienen gleichfalls lobend erwähnt zu werden. Auch die Leistungen
er ũbrigen Spieler, die hier nicht alle namentlich aufgeführt werden
õnnen, waren durchaus anzuerbennen. Die Lieder, die der Dichter
in verschiedenen Stellen eingefügt hat und die zum Teil in Wort
ind Weise altes Volksgut sind, wirbten gerade durch die völlige
Anspruchslosigkeit und Unmittelbarkeit, mit der sie gesungen wurden.
— Die Volksszenen, vor allem die des vierten Abtes (MWaijest)
varen, obgleich der Bühnenraum zur Beschränkung zwang und
jsicht viel Bewegungofreiheit ließ, meisterhaft gestellt und von
iberrajschend lebendiger Wirkung. Tiefen Eindruck hinterließ auch
ie Queilgeisterszene des letzten Abtes, in der das glänzende Spiel
er darstellenden Kinder und die vorzügliche Beleuchtungstechnik
ich zu spukhaft. dämonischer Wirbung vereinten.
Die Aufführungen des Festspiels, denen ca. 1500 Besucher aus
lah und fern beiwohnten, sind für alle ein tiefes. erhebendes Erlebnis
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