Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Alteren, die in dieser Stadt gegangen waren vor langen Jahr— 
»underten. — Dann saßer in der Kirche zu Heringen und im alten 
Haus, in dem seine Vorfahren als Pfarrer den ganzen großen 
Krieg erlebten durch schwedische und kaiserliche Nöte hindurch. 
Und als er dann nordwärts ging und auf die Höhen 
des Eichsfeldes kam, lagen weithin die Schwesterberge der 
Khön, dazwischen aber das fruchtbare Tal der Werra. Und 
er sah in die Jahrhunderte zurück, und vor seinen Augen 
lag das deutsche Leben gebreitet, das sich im Leben seines 
Geschlechts spiegelt. — Da wohnten die Alteren in den 
ruchtbaren Tälern und sammelten Keichtum. Bis der Krieg 
aufstand und sie arm machte, so daß sie der ewigen Anruhe 
uind des Mordens müde wurden und wieder hinauf auf die 
Berge und hinter die Wälder zogen, wo die Heerstraße 
icht hinkommt. Dort begannen sie von neuem die schwere 
Arbeit des Bauern, die sie im Tal fast verlernten, da sie 
abeĩ waren, Kaufleute und Studierte zu werden. And sie 
verkten hart und sahen hinunter ins Tal, wo die fetten 
Dörfer und üppigen Städte rauchten, weil der Krieg seine 
freude am Opferfeuer hatte. Bis dann allmählich die Feuer 
ich selbst verzehrten und Kuhe und Friede kbamen und die 
zöhne der Bergbauern wiederum sagten: Laßt uns in die 
ette Aue ziehenl — So rundete sich der RKing, in dem 
»as Wasser des Lebens strömend fließt, rauschend und voll 
Jauchzen und voll leidender Not. 
Und da der Keller über die Wellen des Eichsfeldes 
vanderte, war sein Schritt fröhlich und leicht, denn er fühlte 
die Gnade Gottes, die bei ihm war. 
Lorenz (Mia Lenz). 
Im Grase tropft es heimlich noch vom Worgenregen, Die Sonne gleißt im Korn. Und durch das Morgenschweigen 
xin Nebelflor verzittert ũüberm Erlenbruch. Klingt nur von weither einer Sense Dengelton. 
Der goldenen Lupinen süßer Kraftgeruch In fräger Müdigkeit nickt glühendroter Mohn, 
Schwimmt wie ein Weihrauch ũber allen Wegen. Und ernterelses Obst drängt dicht an allen Sweigen. 
Gesenkt den Kopf, den blonde Söpfe ihr beschweren, 
Kommt jtill ein junges Weib durchs sommersatte Land. 
Ihr Schritt ist schwer. Und ihre arbeitsharte Hand 
Sireist janst und schwesterlich die jruchtgebeugten Ahren. 
Hochsommer 0 M. 
Auf Heimatwegen. 
Vom Fest 
der hessischen Bauernjugend⸗ 
essijschen Garnison in ihren historischen Unisormen (1832) be⸗ 
chlossen den ersten Teil des Festzuges, dem sich als zweiter Teil 
e berrlichen Trachtengruppen der Junglandbũnde anreihten. 
Der Anblick der Schwälmer Keiter in weißen Wänteln und 
lauen Kitteln, in Armeldingern und Kamisols auf wohlgepflegten 
jerden war eine Lust. Wie mannigfach und farbenecht, wie 
bwechjelungsreich bei den verschiedensten Anlassen und wie bleid⸗ 
am ist doch diese Tracht der ranken Schwälmer Burschen und 
Manusleutel NRur der Kenner, der selbst geborener Schwälmer 
st oder doch jahrelang auf der Schwalm gelebt hat, weiß jede 
kinzelheit der Kleidung zu würdigen und zu deuten. Dem 
fremden deucht es ein allzurasch vorüberziehendes Sild voll 
arbenpracht und bodenständiger Kraft. Die solgenden Gruppen: 
zpinnstube, Hochzeitszug, Bierwagen, Kirmes, Schnittervolb u. a. 
ießen das VBolb der Schwalm bei mühevollem Tagewerk und 
eiterer Festfreude sehen. Nur schade, daß einer der anziehendsten 
vagen, der Hochzeitswagen mit Braut, Brautjungfern und zu 
erde solgendem Bräutigam, so sehr in Grün gehüllt war, daß 
nan von dem feinen Stadat der Höchzeiterinnen nur wenig er⸗ 
licste. Auch der Huppelgrund haͤtte eine Trachtengruppe ent⸗ 
indt, die den Berichterstatter sehr heimatlich anmutete. Leider 
auch diese Tracht wie alle anderen im Schwinden begriffen. Die 
berhejsischen Trachten um Marburg und, Kirchhain herum waren 
icht im Festzug vertreten. Dafür entschädigte die in der Be⸗ 
ämpfung der Obstbaumschädlinge tüchtige Haushaltungoschule 
Oberzwehren, die ihre Gießtkannen und Baumspritzen so neben⸗ 
ei, auch mal auf vorwitzige Suũrschchen richtete und harmlose 
heiterkeit erregte. Die Junglandbünde der Nachbarbreise waren 
benso im Festzug vertreten wie die Behörden von Stadt und 
zreis Siegenhain. 
Rũckschauend kbann gesagt werden, daß uns der Festzug als 
ie farbenbunte Verwirblichung eines wohldurchdachten Gedankens 
ind jowohl im ganzen wie auch in den Einzelheiten als gut ge⸗ 
ungen erschien. Heinrich Kuppel. 
Den Höhepunbt des 3. burhessischen Junglandbundtages in 
ʒiegenhain bildete zweifellos der eindrucksvolle Festzug, der sich 
n der z5weiten Nachmittagsstunde des 83. Juli von der Leimsfelder 
Straße her durch den geschichtlich ehrwũürdigen Hauptort des ge— 
egneten Schwalmgaues zum Festplatß auf der Lämmerweide 
ewegte. Das günstige Wetter hatte mehr als zehntausend Su— 
chauer herbeigelockt, die mit der Bahn, zu Wagen, Auto. Kad 
und Fuß gehommen waren. 
Her erste Teil des Festzuges zeigte historischen Charabter. 
Keitende Herolde, die das Siegenhahner“ Wappen trugen, er⸗ 
ffneten den Sug mit feierlichen Fanfarenblängen. Ihnen solgte 
eine Gruppe von germanischen Adlingen und Freien, die zur Jagd 
auszogen. Ihre Kleidung erschien bulturgeschichtlichen Blicken als 
echt; ürwüchsige germanische Kraft und überragenden Wuchs ließ 
die Gruppe vermissen. Dem rechtsprechenden Grafen Gozmar von 
Ziegenhain, vor dem ein des Kindesmordes angebllagtes Menschen⸗ 
paar des Urteils harrte, folgten die Siegenhainer Magister (Mit- 
lieder des Magisirats) um 1300. Gottfried Il, Graf von Siegen- 
zain und Haupt des Sternerbundes, rückte (1811) mit jeinen 
Bundesobersten gegen den hessischen Landgrafen ins Feld. Die 
olgenden Bilder jteilten Siegenhains große Bedeutung als Haupt⸗- 
estung des Hessenlandes in den Vordergrund. Vor dem Modell 
des wehrhaften Waffenplatzes mit Bauten, Mauern, Wällen und 
Hräben saß sinnend der Erbauer und betrachtete das geplante 
Werk, daß er durch baldige Ausführung zu verwirblichen hoffte 
(1531). Nach 13 Jähren schon bonnte der mannhafte Heinz von 
Lüder dem kaiserlichen Kommissar Grafen von Solms angesichts 
des festen Staditores und der drohend erhobenen Kanonenschlünde 
die ÄÜbergabe mit stolzen Worten verweigern, wofür ihn der Land- 
zraf in Ketten aufhängen sollte. Jedes Hessenkind weiß, auf 
welche ehrenvolle Weise der heimbehrende Landgraf diesen Befehl 
des Kaisers ausführte. Die folgende Geuppe zeigte den durch 
einen Meisterschuß Velten Muhlhs bei RKiebelsdorf tödlich ver— 
wundeten baijeriihhen General von Breda (16040), der samt seinen 
Keitern von Bürgerschützen esbortiert und gefangen nach Siegen- 
hain eingebracht wurde. Dem beiegerischen Bilde jolgte ein an- 
mutiges Idyll des Friedens: der Schwälmer Bauer Hans Hoose 
ãberreichte dem Landgrafen Karl eine goldne Metze voll Dukaten 
jür den Kuß, den er von der Landgräfin Amalie beim Tanz 
empfing. VBiese Begebenheit hat unser Mitarbeiter, Schulrat 
Schwalm, dem die Festschrift ihre belehrenden Beiträge verdankt, 
n jeiner schöͤnen Mundart-DOichtung „Jonkber Hoose“ frisch und 
arbenecht dargestellt. Der Auszug der freiheitliebenden Siegen⸗ 
»ainer zum Dörnbergschen Aufstaänd (1809) und der Abmarsch der 
Die Erfsorschung des Vogelzuges 
durch die Beringung. 
Wenn auch schon die Alten mit Bewunderung nach den Sug- 
oogeln emporblickten, die hoch ũber ihnen ihre lusftige Straße 
ogen, so schwingen doch gerade bei uns Deutschen zwei Saiten in 
mserer Seele mächtig mit bei der Beobachtung der Sugvögel: 
er Wandertrieb, der allen Germanen eignet und uns in die Ferne 
ockt, und das starke Heimatgefühl, das den Sugvogel im Frühjahr 
a unser Vaterland zurücklehren läßt, der Heimatsinn, der deutscheste 
zug zugleich in unserm Wesen. So fühlen wir uns den ge— 
iederten Wanderern wesensvberwandt; und es ist denn auch ganz
	        
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