Wimpeln ins Tal hinabgrüßen und der Alma mater PFhilippina
»uldigen! Soll ich das Programm des Jubelfestes auf-
'ollen, das ja in allen hessischen Seitungen zu lesen steht?
Oder soll ich von all den Vorbereitungen reden, die die
Stadt und ihre Bewohner treffen, um einen recht festlichen
Eindruck zu erwecken, der Neupflasterung ganzer Straßen,
der Auffrischung und Neubemalung, deren sich nicht nur eine
Anzahl abademischer und sonstiger amtlicher Gebäude, sondern
uch die Bürgerhäuser in ihrer Mehrheit unterziehen; oder
den anderen Vorbereitungen, die getroffen werden, um all
die Tausende von Gästen, die man erwartet, unterzubringen?
Es wird noch mancher Schritt und mancher Handschlag
getan werden müssen, ehe alles fertig ist und klappt. Aber
2s8 wird mit fröhlichem Herzen und lachendem Munde getan,
denn ganz Warburg ist schon jetzt in Jubelfeststimmung.
Moͤgen auch die Gäste solche Stimmung mitbringen —
den „alten Herren“ wird sie ohnehin nicht fsehlen —, und
nõgen sie die bleinen Anbequemlichkeiten, die die räumliche
Enge von Warburg bietet und die aller guter Wille nicht
ganz überwinden kLann, geduldig mit in Kauf nehmen.
Dann wird das Fest wohlgelingen und ausblingen in
die Schlußstrophe des Warburg Liedes von Paul Warnbe:
Keiner Born der Weisheitslehre,
Stadt der Jugendherrlichbkeit,
Stadt der Freiheit, Stadt der Ehre,
Marburg, blüh in Ewigkeit!
v⸗
Aus alter Seit.
⸗⸗
Frühere Jubelfeste der Marburger
Anivpersität.
Es ist die vierte Jahrhundertfeier, die die 1521 gegrũndete
Universität Marburg in diesem Jahre begeht. Drei andre Jubel-
ahre sind ihr vorausgegangen, 1621, 1721, 1821, und es wird
nancher Leser fragen, wie es denn damals beim Aniversitäts-
ubilãum hergegangen ist. ——
Das erste Jubilãum 1627 ist ũberhaupt nicht gefeiert worden.
Man war in jener Seit auf die Jubelfeste und Jahrhundertfeiern noch
ncht so eingestellt wie in unjseren Tagen, und der schreckliche Dreißig ⸗
ahrige Krieg, der damals schon fast ein Jahrzehnt hindurch
Deuijchland verwũstete, entvöllerte und aussog, ließ kaum eine
Jubilaumostimmung aufkommen. Aberdies exijtierte die Aniversität
Marburg eigentlich gar nicht mehr. Ihre Trümmer waren nach
Kassel übersührt, ganz Oberhessen war infolge der Mißregierung
des gelehrken Landgrafen Moritz unter hessen-darmstädtische VDor⸗
mundschaft gestellt, und was in Marburg 1627 bestand, war die
dorthin verlegte Aniversität
Sießen.
Desto feierlicher wurde
das zweite Jahrhundertfest 1121
hegangen, und die handschrift-
liichen Annalen der Aniversität
Marburg ergeben folgendes
Programm: Am 18. August
abends Einläuten des Festes
mit allen Glocken. Am 14.
norgens früh gegen 5 Uhr
Hotlesdienst in der Lutheri-⸗
chen, Schloß⸗, Deutschhaus⸗
ind französischen Kirche. Um
8 Uhr morgens feierlicher Auf-
zug zum Auditorium Philoso-
ohicum, von da nach der
Keformierten Kirche 3. Kebto⸗
eatsũbergabe vom Projfessor
Schröder auf Dr. Kirchmeyer.
—Dem Universitätsarzt Betge
von Singlis, der die privilegia
icademica trug, und den beiden
Pedellen mit den Szeptern
olgten Rebtor, Prorebtor und
Probanzler, die Deputierten
der AUniversitäten Gießen,
Rinteln, Duisburg, Herborn,
Hanau und des Kasseler Karo⸗
inums, die Marburger
Professoren, die Doktoranden
ind die ca. 500 Studiosi, vom
Fechtmeister geführt; darauf
Stadtrat, Geistlichkeit und Be⸗
amte; endlich „des Hochfürst-
ichen Deputati Exzellenz (von
Einsiedel) mit einem Comitat
von etlichen der Nobleße“. Jede
Abteilung wurde von einem
bejonderen Marschall gefũhrt.
„Die Gassen waren mit Mahen
hesteckt. und war eine unbe⸗-
chrelbliche Menge Volls auf den Gassen und in den Häusern⸗
da alle Fenster bis auf das Dach voller Suschauer lagen“. In
der Kirche führten Kektor und Prorektor den fürstlichen Depu⸗
ierten zuͤ seinem Ehrensiße. Vor der Orgel war ein Katheder
ufgerichtet und vor diesem ein mit einem roten Teppich bedeckter
Tijch, duf dem zwei sammetne Kissen mit den Privilegien der
Inivbersität und den Szeptern lagen.
Der Gottesdienst begann mit einer ‚chönen Musique“, ihm
olgte eine Predigt des Professors der Theologie Duising, und
war zu Ehren der auf einen Tag zusammenfallenden Geburtstage
es Landgrafen und des Prinzen Friedrich, mit denen man das
Iniversitãisjubiläum verbunden hatte. Nach dem von der Gemeinde
esungenen Tedeum, das draußen von den Böllerschũssen der Ar⸗
illerie und den Salven der Musbetiere begleitet wurde, betrat
er Kanzler der Aniversität das Katheder, eröffnete im Namen
er Landesherren die Jubelfeier und ließ die von Kaiser Karl V.
rtfeilten Universitãtspelbilegien verlesen. Mun ersolgte die Reb⸗
dratsũbergabe an den designierten Prorebtor, nachdem der ab⸗-
ehende Kebtor eine Obation von den Judenjubilaeis“ gehalten
und die Ernennung des Prinzen
Friedrich zum Rebtor Magni-
Icentissimus verłũndet hatte.
dach altem, noch heute üb—
lichem Brauch wurden dem
neuen Prorebtor die Insignien
der Universität, die z3wei
Szepter, die Statuten und
Privilegien, die Matribel, die
Siegel und die Schlũssel im
Namen des prinzlichen Kebtors
ũbergeben. Jeßt war die Reihe
an dem neuen Leiter der Uni⸗
persität, mit einer Rede „de
meritis Principuml andgraviorum
Hassiae in rem literariam und
bpornehmlich academiam nos-
tram“ (von dem Verdienste der
hessischen Landgrafen um die
Wissenschaft, besonders um
unsere Universität) das Regi-
ment zu ergreifen und die
Landesfürsten von dem Fun⸗
dator, dem Gründer der Ani—
versität, Philipp dem Groß⸗
mũtigen, an bis auf den zur
Zeit regierenden zu preijen.
Nach einer abermaligen
Lurtzen Musique“ hielt der
Prosessor Hartmann die eigent
siche Jubiläumsrede von den
Schickjalen der Aniversität,
womit also der Actus dieses
Tages beschlossen und man in
boriger Ordnung wieder aus
der Kirche bis ans Rathaus
ging, woselbst die Prozession
um 4 Uhr anbam.“ Die ganze
Feier haite also ununterbrochen
z Stunden gewährt, sodaß man
auf jede der gehaltenen Keden
mit vorgehender u. nachfolgen⸗
dJ,
N