Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

sie ihre Eile. Erst als sie serner war, begann sie wieder zu 
aufen. Freche und spöttijche Surufe folgten ihr hie und da— 
Volpracht hatte den Knecht, der ihn aus dem Lager 
führte, nicht nach dem Grund seĩner unerwarteten Freilassung 
gefragt; er glaubte, der übermütige Feind wolle ihm wie 
den anderen Jünglingen seine Geringschätzung zeigen. Die 
Sewachung des Tores hatte inzwischen gewechselt. So 
bernahm er erst in der Stadt, als man ihn nach dem Ver— 
bleiben Susanna Julianas fragte, wem er seine Befreiung 
perdanke, und sogleich eilte er wieder zum Tore. 
Von dem Augenblick an, wo Susanna Juliana das 
Zelt verlassen hatte, wußte sich der fuldische Heerführer ge- 
eettet. Unter Aufbietung der letzten Kräfte erreichte er mit 
beiden Händen den Querbalken über seinem Haupt. Aber 
trotz aller Bemühungen gelang es ihm nicht, den Strick zu 
lösen. Durch das fortwährende Kütteln und Serren ge— 
riet jedoch unversehens das Selt ins Wanben, und nach 
einem weiteren Kuck stürzte es zusammen und begrub ihn 
unter sich. Obwohl er durch die Balben des Gerüstes übel 
zerschlagen war, verlor er die Besinnung nicht. Schnell 
suchte er, noch auf dem Boden liegend, sich die Schlinge 
vom Halse zu lösen, und es gelang ihm gerade in dem 
Augenblick, wo seine bestürzten Knechte das Selt aufhoben, 
um zu sehen, was mit ihrem Herrn geschehen sei. Doppelt 
zornig über die widerfahrene Schmach und das blägliche 
Sild, das er den Knechten bot, sprang er auf. „Wo ist 
die Dirne?“ rief er; „habt ihr sie entlaufen sehen?“ „Sie 
ist durch das Lager gegangen.“ „Gelaufen!“ sagte ein 
anderer. „Steige auf den Baum und sieh, ob sie schon das 
Tor erreicht hafl“ Der Knecht stieg auf den Birnbaum, 
der neben dem Selt stand. „Eben ist sie am Rande des 
Lagers!“ rief er. „Sie soll festgehalten werden!“ schrie 
der Kitter. „Haltet die Dirne!“ rief der Knecht. „Haltet 
die Dirnel ... Haltet die Dirnel“ ging der Ruf viel- 
stimmig durch das Lager. „Die Wachen haben nicht ver⸗ 
tanden, sie lassen sie entweichen!“ meldete der Knecht. 
„Potz Sabrament!“ fluchte der Ritter, „man bringe sie 
ebendig oder tot!“ „Seingt sie lebendig oder tot!“ rief der 
Knecht. „Lebendig oder tot!“ ging es durch das Lager. 
Im Stölzinger. 
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Waldmythos. 
Kegenfeucht und finster 
Kagt die Fichtenwand. die hohe; 
An den Pjorten Ginster 
Blüht goldrot wie Waberlohe. 
Wandrer, jäume nimmer, 
Durch den Flammenring zu gehen! 
Wirjt in holdem Schimmer 
BSald Bruͤnhildens Blondhaar jsehen. 
Weiß wie Bast der Birkbe 
Ist die Schlafende gebleidet ... 
Heilige Bezirke 
Sind es, wo die Gottheit schreitet ... 
2. 
Ginstergold. 
Die Erde fing sich Sonne ein, 
Blinbfeines Sonnengold. 
Die Ginsterbüsche lodern am Rain; 
Sie tragen leuchtenden Sold. 
Nun hat die Welt einen goldnen Tag; 
All Grämen jank zu Grund. 
Flieg auf, Herz, flieg mit jeligem Schlag, 
Lichifroh und salterbunt! 
Bei Rotenburg, am 22. Mai 1027. 
Heinrich Ruppel. 
Mas siehst du?“ fragte der Kitter mit heiserer Stimme. 
Einige der Ansern stürzen hinter ihr her. Einer fällt von 
inem Pfeil getroffen, die andern stuhen. Ein Mann springt 
hre entgegen aus dem Stadttor ...“ „Lebendig oder tot!“ 
rüllte der Kitter. „Lebendig oder tot“ rief der Knecht. 
Lebendig oder tot“ ging es durch das Lager. „Jetzt .. 
vas ist das? Sie strauchelt ... sie fällt ... und steht 
ncht wieder aufl“ „Ist sie kot?“ fragte der Kitter mit er— 
tichker Stimme. „Es läßt sich nicht erkennen ... Nein, 
ie steht wieder auf ... sie strauchelt wieder und stürzt. 
der Bürger fängt sie auf ...“ „Ein ungewöhnlich großer, 
unger Mann?“ „So ists!“ „Daß ihn der Donner er—⸗ 
chlagl“ „Aber sie muß schwer getroffen sein“, fuhr der 
Znecht wieder fort, „sie kann nicht gehen ... er stüht sie 
..pPieile der Ansern schwirren um sie. Er hebt sie 
iuf seine Arme und krägt sie zum Tor.“ „And er erreicht's?“ 
chrie, den Boden stampfend, der Kitter. „Er ist am Tor 
es wird geöffnet . .. jetzt sind sie drinnen ... die 
zugbrücke geht hochl“ 
Bald darauf erfuhr der Kitter von dem Bogenschützen, 
aß der Pfeil, der die Jungfrau getroffen hatte, tödlich ge— 
vesen war. 
ZSwei Tage später unternahmen die Bürger mitten in 
der Nacht einen Angriff auf das Lager der Feinde. Der 
ebitterte Kampf brachte der Stadt die Freiheit und Vol⸗ 
»racht den Tod. Volprachts Mutter war aus dem Kloster 
urũckgebehrt und hatte während der Nacht des Kampfes 
n einem nahen Dorfe in verzweifeltem Gebete gelegen. 
Am MWorgen fand sie ihren Sohn tot auf dem Felde, nicht 
veit von der Leiche des fuldisjchen Kitters. An der Bahre 
hres Sohnes reichte sie in bitterer Keue ihrem alten 
Feinde die Hand und beschloß, der Welt zu entsagen, um 
janz ihrem Schmerz und ihrer Buße zu leben. Bevor sie 
ich jedoch in das Kloster für immer zurückzog, ließ sie an 
zielie der zersprungenen Glocke eine neue gießen mit 
er Inschrijt: Susanna Juliana MCCCXX und der Seichnung 
weier gefesselter Hände zur ewigen Erinnerung an die auf— 
»pfernde Liebestat einer heldenhaften, reinen Jungfrau und 
hren bitteren Tod. 
Je 
Hoher Frühling. 
Auf jedem Pfade 
Segnende Sonne; 
Lieblich enthũllen gerade 
In schwellender Wonne 
Slumensterne ihre schone Seele. 
Weht auch durch dich 
Ein Hauch, ein Klang, rein und feierlich? 
Hhoch auf schwanbem, blühenden Sweig 
Wirbbt eine glũckzitternde Kehle 
So selig — so hoffnungsreich —. 
Gottfreied Buchmann. 
Worgens. 
—X 
Und die alten Bäume, 
Die noch schlafestrunken sind, 
Schũtteln ab die Träume. 
Blasjer durch die Sweige brich 
Letzter Sternlein Funkbeln. 
Drei! die erzne Glocke spricht 
Tief im Tal im Dunbkeln. 
fFine Lerche wurde wach, 
Zirpt wie traumbefangen. 
Und ein blauer Sommertag 
Kommt heraufgegangen. 
Adolf Häger. 
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