wohl, daß die Bedingung des Feindes endgültig sei und
ihnen nichts andres übrig bleibe, als auf die Opferwillig-
zeit der Jungfrauen zu hoffen.
Es dauerte nicht lange, so wurde der fuldische Anter-
händler auf sein Nachsuchen in die Stadt eingelassen und
hor den Schultheißen und die Schöffen geführt. Die Kunde
von seinem Auftrag verbreitete sich jchnell. Allein es zeigte
sich, daß die Jungfrauen beineswegs den Schritt zur Be—
freiung der Gefangenen kun wollten. Suerst weigerte sich
sene Jungfrau, um die mehrere Jünglinge warben: sie be—
hauptete, sie fühlte sich bkeinem von ihnen verbunden, und
niemand war, der das Gegenteil beweisen konnte. Ihre
Henossinnen erblärten, wenn sie, die dreifach Geliebte, sich
nicht zu diesem Opfer entschließe, so bönne es ihnen erst
eecht niemand zumuten; übrigens hätten sie auch keineswegs
die Macht, ohne den Willen ihrer Eltern über ihr Herz
und ihre Hand zu verfügen. Mit diesem Bescheid zog der
Unterhändler ab, während nicht wenige bedauerten, daß er
zeinen Auftrag zur Anterbreitung von Friedensvorschlägen
gebracht oder mitgenommen habe.
Der fuldische Kitter ließ den Unterhändler die Ankwort
der Jungfrauen im Beisein der Gefangenen wiederholen.
Nachdem er sich eine Seitlang an ihrer Enttäuschung geweidet,
agte er, er habe sich überzeugt, daß sie das Kriegs-
vesjen noch nicht genũgend erlernt hätten, um sich mit einem
o gefährlichen Ding ohne Schaden abzugeben, deshalb
volle er sie wieder heimschicken, damit sie das Fehlende
noch ergänzen bönnten, auch rate er ihnen, sich mit mehr
Fleiß ihren Geliebten zu widmen, auf daß sie ein andermal,
venn sie wieder für sie zu sterben gedächten, ihrer Liebe
icherer wãären. Daraufhin ließ er die elf Jünglinge —
Dolpracht von Wickenborn blieb als einziger gefangen —
dis ans Ende des Lagers führen. Wenn sie aber geglaubt
»atten, daß sie nun ohne weiteres heimgehen könnten, so
purden sie bitter enttäuscht. Im Angesicht ihrer Mitbürger,
ier noch außerhalb der Bogenschußweite wurden sie von
einigen Knechten völlig entkleidet, dann mußten sie nieder—
enien, und die Handgelenke wurden ihnen an die Fußge—
senbe gefesselt. Nachdem dies geschehen war, sagte der
fuldische Kitter: „Ihr seid nun freil Kehrt heim in Eure
Stadt!“ Gebrochen vor Sorn und Scham jsaßen sie da
mit gekrümmtem KRücken und gebeugtem Haupt; keiner rührte
sich von der Stelle. Aber als der Morgen bam, waren
alle verschwunden. Tiefe Spuren im Staube zeigten, wel⸗
hen Weg sie mühselig auf den Knien gebrochen waren.
In der Stadt herrschte ungeheure Entrüstung über den
Schimpf, der den Jünglingen widerfahren war. Diele aber
schüttelten die Köpfe darüber, daß Volpracht, noch ehe er
bon dieser Demütigung wissen bonnte, auf seine Befreiung
berzichtet haftte. Susanna Juliana allein verstand ihn. Sie
hatte mit ihrem Vater eine AUnterredung, über die er in
große Aufregung geriet. Den ganzen Tag ließ er sie nicht
mehr aus den Augen. Aber am nächsten Morgen, ehe
der Hahn zum ersten Male rief, schlich eine dunkle Gestalt
aus dem Hause und eilte durch die menschenleeren Gassen
dem Tore zu. Die Wächter verwunderten sich sehr, als sie
ihr ins Gesicht blickten, doch willfahrten sie ihrer Bitte,
zffneten das Pförtchen in dem großen Tor und ließen die
Hestalt hinaus. Außerhalb der Mauern blieb sie einen
Augenblick wie zögernd im Schatten stehen, dann schritt
sie langsam mit burzen Schritten vorwärts, daß baum die
Spitzen ihrer bloßen Füße unter dem Saum des grauen
Mantels zum Vorschein bamen. Sie erreichte die äußersten
Wachen und fand sie schlafend. Moch einmal zauderte sie,
dann berührte sie mit der Fingerspitze die Schulter eines
der Schlafenden. Der Wächter fuhr erschrocken auf; er
ah noch einen weißen Arm unter dem grauen Mantel ver—
hwinden und blickte die Gestalt mit irren Augen an. Da
barf sie den WMantel von sich und stand vor ihm in weißem
Züßerhemd, einen langen Strick um den Hals und um die
handgelenke; auf ihrem Fingerring glühte ein blutrotes
herz. „Geleite mich zu deinem Herrn!“ sagte sie, und er
ehorchte. Vor dem großen Selt des Führers hieß er sie
varten. Der Kitter gab ihm drinnen flüsternd einen Be—
ehl, dann ließ er sie eintreten, während der Knecht sich
ntfernte. Ohne Demut, aber auch ohne Anmaßung trat
ie vor den Feind und sagte: „Ich habe Eure Bedingung
rfüllt, nun erfüllt Euer Versprechen und gebt den Junber
dolpracht von Wickenborn freil“ „Wie heißt du?“ „Su—
anna Juliang Schaufuß.“ Er maß die hohe Gostalt, die
hn fast um Kopfesgröße überragte, mit Bewunderung.
Um die Jungfrau ein wenig zu ängstigen, sagte er: „Also
»ist du damit einverstanden, daß dein Derlobter durch den
5faub zu den Mauern der Stadt bricche wie die andern?“
Ihr Auge blitzte ihn an. „Was Ihr jenen getan habt,
die beine Fürbitterinnen fanden, werdet Ihr dem Junbker
ücht antun, für den ich mich vor Euch gedemütigt habe!“
Du schätzest dein Opfer hoch ein!“ sagte er mit leichtem
5pott; dann, indem er sich ihr vertraulich näherte, fuhr er
ort: „Aber du hast recht, es zu tunl Eine schönere Für—
itterin ist selbst unter den Heiligen nicht zu findenl“ Ihr
ßesicht nahm einen stolzen Ausdruck an. „Werdet Ihr
fkuer Wort halten?“ „Ich werde es nicht halten! ....
Ich habe es bereits getan! Der Junbker ist frei und
nag wohl schon das Stadttor erreicht haben.“ „Dann ist
neine Aufgabe erfüllt, ich will ihm folgen!“ Sie schickte
ich an, hinauszugehen, aber er vertrat ihr den Weg. „Wie
edaure ich, daß du es so eilig hast, mich zu verlassen, um
em bartlojsen Knaben zu folgen! Aber ich muß dir AUr—
aub geben. Suvor jedoch gestatte, daß ich deine Ban de
öse!“ Er nahm von einem Tischchen einen feinen Dolch,
chnitt vorsichtig den Strick an ihren Handgelenben durch
ind legte den blitzenden Stahl wieder beiseite. Dann er—
jriff er behutsam die Schlinge, die um ihren Hals lag, und
egann, sie mit den Fingern zu lockern. Sie ließ ihn ge—
vähren und sah ruhig auf ihn nieder. Sein Blick begeg—
iete dem ihren. Plötzlich wurden seine Augen wie trunken,
eine Hände zitterten und ließen den Strick fahren ... er
treckte die Arme aus ... und wild preßte er die AÜber—
aschte an sich. Einen Augenblick nur ... da stieß sie
hn mit bräftiger Faust zurück, daß er wider die Achse des
zeltes taumelte. Sie fühlte den Strick um ihren Hals.
fin Kuck... und sie hob die Schlinge über ihren Kopf
ind warf sie um seinen Hals. Er glaubte einen Augen-
lick an einen rauhen Scherz, aber ein Blick in ihr wild—
ntichlossenes Gesicht zeigte ihm die Gefahr. Mit aller
Zraft juchte er den Strick zu lösen, umso fester zog sie ihn
ujammen. Er schlug und stieß nach ihr und wollte ihr den
ztrick entreißen, aber fest hielt sie ihn in der geballten Lin⸗
en und wehrte mit der Kechten die Streiche ab. Plötz-
ich faßte sie die Schlinge dicht unter seinem Kinn und
jab dem Ende einen Schwung, daß es über den Quer—
alken des Seltes flog. Ehe er die neue Lage erbannte,
atte sie das Ende wieder gefaßt. Mit Anspannung aller
Zräfte zog sie ihn hoch, wie er sich auch mit Füßen und
fäusten dagegen wehrte. „Kufe doch um Hilfe, Feigling!“
euchte sie. Er rang nach Atem, blaurot im Gesicht, und
rat nach ihr. Plötzlich schlang sie den Strick mehrmals
im die Achse, band schnell das Ende zu einem Knoten
zaran fest und stürzte zum Selt hinaus. Draußen mäßigte